Don Curry on Tour 4
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Don Curry und die Stadt der Bänke

Veröffentlicht: 14.06.2023

Don Curry hat auf seinen zahlreichen Reise schon viele verschiedene Städte kennengelernt. Manche mochte er auf Anhieb, wie z.B. Lublin, Pskow, Madurai oder Mardin. Andere fand er fast vom ersten Augenblick an unsympathisch, wie z.B. Konya oder Oyonax. Trotz der zunehmenden Globalisierung unserer Welt mit ihren kulturnivellierenden Effekten gibt es erfreulicherweise immer noch genügend Städte mit ausgeprägter Persönlichkeit, mit einem speziellen Charakter. 

In Tbilisi fiel Don Curry bereits gestern eine enorme Fülle ausgezeichneter historischer Bausubstanz aus verschiedenen Epochen auf, doch zugleich bemerkte er den gewaltigen Nachholbedarf an Restauration und Gebäudepflege. Allzu sehr dominiert der resigniert bröselnde Charme einer Zeit, die von sowjetischen Durchhalteparolen statt von echter Tatkraft geprägt war. Kein Wunder, dass das Streben nach einer besseren Zukunft Georgiens weit weg von Russland überall sichtbar wird. Bereits an seinem ersten Tag hatte Don Curry zahlreiche ukrainische Flaggen gesehen und fast noch mehr Graffiti der Art "Fuck Russia" und "Fuck Putin". Direkt hinter dem Rathaus befindet sich ein großes Informationszentrum zum Thema "NATO und EU". War das die Essenz von Tbilisi? Dieses Dazwischen von verfallender Vergangenheit und hoffnungsvoll ersehnter Zukunft?

Weit entfernt von derart komplexen Fragestellungen gönnte sich Don Curry zunächst ein echtes Ausschlafen. Schließlich musste der Erholungsspeicher des Körpers dringend aufgeladen werden. Als er entspannt die Augen öffnete, zeigt seine Uhr bereits 10:00 Uhr an, in seiner Heimatzeitzone ist es 8:00 Uhr. Die Anpassung an hiesige Zeitverhältnisse muss Don Curry also noch vornehmen, aber jetzt stand erst einmal das Frühstück an, das vom Hotel freundlicherweise bis 11:00 uhr angeboten wird. Das kleine Buffet bot eine Mischung aus typisch orientalischen, russischen und typisch georgischen Bestandteilen: verschiedene Gemüse- und Käsesorten, ein paar Marmeladenvariationen, diverse sauer eingelegte Kräuter und Gemüse, die sauer-scharfe Wildpflaumenpaste Tkmali und als Krönung weißen Borschtsch; als einzige Brotsorte diente ein grobes Fladenbrot. Don Curry nahm sich nicht besonders viel Zeit fürˋs Frühstück, aber er entdeckte zumindest, dass ihm sauer eingelegte grüne Tomaten so gar nicht schmeckten.

Leicht gestärkt machte er sich auf den Weg zu neuen Erkundungen. Der Wetterbericht kündigte regelmäßige Schauer bei dauerhaft bewölktem Himmel an - eigentlich genau das Richtige für den geplanten Museumstag; doch als Don Curry startete, prangte eine strahlend-heiße Sonne am wolkenlosen Himmel und versprach abermals einen schweißtreibenden Tag. Tbilisis wichtigste Museen präsentieren sich sehr touristenfreundlich wie an einer exklusiven Perlenkette hintereinander an einer Prachstraße jenseits des Freiheitsplatzes. Zwischen den Museen liegt nur die ebenfalls sehr sehenswerte Kaschweti-Kirche. 

Nach seinem etwas ausgedehnteren Hinweg in der aufkommenden Mittagshitze betrat Don Curry besonders erfreut die kühlen Räume des Georgischen Nationalmuseums. In großen Sälen gab es hier Ausstellungen zu den erstaunlich vielfältigen Funden von Frühmenschen und zur georgischen Tierwelt mit einem fast schon skurril wirkenden Panoptikum ausgestopfter Vertreter aller relevanten Arten. Eine Schatzkammer zeigt Schmuck aus dem halb legendären Königreich Kolchis bis hin zur griechisch-römischen Antike. Bedrückend ist die Dokumentation zur sowjetischen Zeit mit den Fotos zahlreicher Kulturschaffender und Kirchenmänner Georgiens, die in dieser Zeit ums Leben gebracht wurden.

Nur 100 m weiter konnte Don Curry in der friedlichen Atmosphäre der großen Kaschweti-Kirche die gerade gesammelten vielfältigen Eindrücke etwas sacken lassen. Stattdessen beobachtete er das durchaus geschäftige Leben in einer georgischen Kirche. Von verschiedenen Eingängen strömen Gläubige herein, zünden Kerzen an, küssen bestimmte Ikonen, verweilen kurz zum Gebet bei anderen Ikonen und eilen schon wieder hinaus. Allerdings scheint es auch kein Problem zu sein, wenn das Handy mitten in der Kirche klingelt. Selbst der Pope führt dann problemlos lautstarke Gespräche.

Direkt neben der Kirche liegt ein echter Ort der Ruhe. die Nationalgalerie. Hier war Don Curry oftmals ganz allein mit den Kunstwerken in den verschiedenen Räumen. Außer dem in letzter Zeit auch im Westen allmählich populär werdenden Niko Pirosmani, fand Don Curry hier ausschließlich Werke ihm völlig unbekannter georgischer Künstler des 20. und 21. Jhdts. Aber auch diese "Unbekannten" hatten wunderbar gefällige, manchmal sogar humorvolle Bilder und Skulpturen geschaffen, die durchaus nach Don Currys Geschmack waren. Richtig lebendig zeigte sich die Galerie im Pirosmani-Saal, wo gerade eine Grundschulklasse dabei war, irgendein Bild des berühmtesten georgischen Künstlers nachzumalen. Pirosmani hätte vermutlich seine Freude daran gehabt, wie sein bewusst naiver Stil noch etwas naiver kopiert wurde. Lächelnd verließ Don Curry diesen pädagogisch wertvollen Kulturtempel, setzte sich auf eine Bank im Park hinter der Galerie und sah den gerade noch so ernsthaft malenden Kindern jetzt beim Herumtoben zu. Und plötzlich wusste er, was das wirklich ganz Besondere an Tbilisi ist...

Es war ihm bereits gestern immer wieder aufgefallen, und er hatte diesem Unstand mehrmals gern in Anspruch genommen. Heute ging es ihm genauso: In Tbilisis Innenstadt gibt es eine riesige Anzahl von Parkbänken und ähnlichen Sitzgelegenheiten. Überall, wo es möglich war, hatten Tbilisis Statdplaner kleine oder größere Grünanlagen geschaffen, und diese Grünanlagen boten reihenweise Parkbänke im 2-Meter-Abstand. Diese Bänke wurden überaus gern genutzt, doch da es so unglaublich viele gab, fand auch Don Curry stets ein Plätzchen, um in der hitzeflirrenden Stadt ein paar Minuten verschnaufen zu können. Genauso pflegen das Einwohner zu tun. Manchmal steht auf einem kleinen Platz nur ein einziger Baum. Doch um den Baum herum sind bestimmt ein Dutzend Bänke aufgestellt. Welch überaus sympathische Eigenschaft dieser Millionenstadt!

Don Curry erinnerte sich, dass beim Verlassen des Ankunftsgates beim Flughafen folgender Spruch in den Boden eingraviert war: "Tbilisi - The City, That Loves You". Tatsächlich kümmert sich die Stadt liebevoll um jeden, der mal kurz verschnaufen muss, Zeit für ein kleines Schwätzchen hat oder auf irgendwen warten muss - die nächste Bank steht garantiert bereit.

Und auch auf Don Curry wartete bereits eine Bank. Er fand sie, als er es nochmals beim Cafe Littera probierte. Diesmal war es tatsächlich geöffnet, und mehrere Kellner eilten zwischen den gut besetzten Tischen umher. Don Curry hatte sich wie gewohnt selbst einen Platz gesucht, wurde aber alsbald freundlich darauf hingewiesen, dass er allein nicht an einem Vierertisch sitzen dürfe. Stattdessen führte man ihn zu einem Zweiertisch und platzierte ihn - auf einer Sitzbank! Zugleich bekam er hier einen wunderbaren Blick über den fast verwunschen wirkenden Garten des Cafe Littera mit seinem alten Baumbestand und den frischen Gartenblumen auf allen Tischen.

Er bestellte sich eine Spargelsuppe mit der georgischen Würzmischung Adschika und anschließend das Tartare-Trio, dazu eine Flasche Wasser und ein Glas seines ersten georgischen Weißweins. Alles zeigte sich von außerordentlicher Qualität. Der Wein war nicht im Fass gereift, sonden in einem riesigen Qvevri-Tonkrug und funkelte in satter dunkelgelber Farbe, die fast in orangene Töne überging; dazu ein volles, nahezu rotweinartiges Aroma, das sich trotzdem eine gewisse Frische bewahrt hatte. Die Suppe wurde ihm in einer Art Kaffeekanne kredenzt, dazu ein tiefer Teller, dessen Boden mit der grünen Würzmischung und einigen frittierten grünen Spargelköpfen bedeckt war. Nun konnte Don Curry selbst bestimmen, wie viel Suppe er mit der Würze kombinieren wollte. Am Ende ließ er keinen Tropfen in der Kanne zurück.

Das Tartare-Trio, eigentlich eine weitere Vorspeise, erwies sich als Nebeneinander dreier üppiger Tartare-Streifen unterschiedlicher Farbe und Herkunft, die jeweils noch kulinarisch aufgewertet waren: das Kalbs-Tartare krönten ein rohes Wachteleigelb und feine Späne weißen Trüffels; das Avocado-Tartare komplettierte reichlich schwarzer Kaviar, und dem Forellen-Tartare gab Forellen-Kavier die abschließende Finesse. Ein optisches und aromatisches Wunderwerk!. Dieses Restaurant hatte die Michelin-Empfehlung wahrhaft verdient. Nach einem Espresso und einem Verdauungsschnaps (Chacha) zahlte Don Curry dann auch - ohne jedes Bedauern - 40 € für diesen umfassenden Genuss. 

Zufrieden stieg er wieder hinauf zu seinem Wiener Zimmer, gönnte sich eine Verschnaufpause und begann, seine Erlebnisse zu dokumentieren. Gegen Abend setzte wieder kräftiger Regen ein. Bis 20:00 Uhr warte Don Curry ab, dann machte er sich mit Regenjacke ausgerüstet auf den Weg Richtung Altstadt. Aus dem Regen hatte sich inzwischen ein kräftiges Nieseln entwickelt, was die Einheimischen aber in keiner Weise zu stören schien. Selbst in den Straßenlokalen blieben die Außentische besetzt, und die Gäste aßen unbeeindruckt weiter, während es stetig in ihre Wein- und Biergläser tröpfelte - und auch überall sonst hin. Don Curry sah nirgendwo Regenschirme oder - jacken. Das Wasser von oben schien allgemein als willkommene Erfrischung akzeptiert zu sein.

So cool war Don Curry nun wirklich nicht. er hat zwar kein Problem mit einem kurzen Schauer, aber sich dauerhaft zuregnen zu lassen ist nicht so ganz sein Ding. Gestern hatte er gesehen, wo es ausreichend Straßenlokale mit Überdachung gibt: in der "Fressgasse". Also steuerte er direkt dorthin, überwand seine Vorbehalte gegenüber dieser Form von Übertourismus und suchte sich einen kleinen freien Zweiertisch. Er hatte schließlich heute mittag gelernt. Sofort stürzte ein Kellner auf ihn zu und bat ihn, an einem großen Fünfertisch Platz zu nehmen. Warum, kann sich Don Curry nicht erklären. Nach seinem üppigen Mittagsmahl wollte er nur einen kleinen Imbiss zu sich nehmen und entschied sich für die ossetische Khachapuri-Variante: also ein Fladenbrot gefüllt mit Kartoffelpürree, zwei sämigen ossetischem Käsesorten und Estragon. Der Fladen wird anschließend kurz frittiert, so dass er außen knusprig, aber keinesfalls mit Fett vollgesogen ist. Der ganze Fladen hatte die Größe einer ausgewachsenen Pizza. Dazu bestellte sich Don Curry ein Glas des berühmten Rotweins Saperavi. Im Gegensatz zum würzigen Wein machte der Brotfladen einen eher faden Eindruck, sorgte allerdings schnell für ein wachsendes Sättigungsgefühl. Don Curry las später, dass der ossetische Käse besonders fetthaltig ist. Nach der Hälfte musste Don Curry aufgeben und den faden Fladen stehen lassen. Er verzichtete auch auf das Angebot des "Takeways". Um noch ein paar der gerade gesammelten Kalorien loszuwerden, startete Don Curry einen ausgiebigen Spaziergang durch Tbilisi, entdeckte dabei fast alle Sehenswürdigkeiten des gestrigen Tages nun wundervoll beleuchtet. 

In der leicht abgekühlten Abendluft brauchte er auch keine Sitzbank zum Verschnaufen - es hätte sie im Überfluss gegeben...

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