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Tag 106-114 – „Is it winter yet?“

Veröffentlicht: 12.01.2019

Die letzten Tage war etwaslos im beschaulichen Leonidio. Die ganze Kletterwelt schien derVersuchung der 1700 Sportkletterrouten und frühlingshaftenTemperaturen erlegen zu sein. Entsprechend viele neue Gesichter,temporäre Besucher, volle Parkplätze an den Felsen und belegteSitzplätze im Panjika folgten daraus. Leider sind wir nicht in derPosition, uns ersthaft darüber zu beschweren, denn wir haben jaselbst Besuch bekommen und zur Überbevölkerung der Sektorenbeigetragen.


"Tut mal so als hättet ihr euch gern!"


Mit Annie, Eik, Falk, Fiffi & Trungbeehrte uns gleich eine ganze Berliner Delegation mit ihrerAnwesenheit und wir wollten den Ort, den wir seit beinahe zweiMonaten unser Zuhause nennen, unbedingt mit ihnen teilen. DieSektor-Auswahl war etwas erschwert, da besonders beliebte Wände wieTwin Caves durch die vielen Kurzzeit-Urlauber unfassbar voll warenund wir außerdem viel Pech mit dem Wetter hatten. Es war furchtbarkalt bis hinzu Minusgraden und die Sonne versteckte sich größtenteilshinter Wolken, was das ganze nicht angenehmer machte. Außerdemregnete es so viel wie noch nie und viele Routen und Sektoren bliebennass. Aus sicherer Quelle wissen wir, dass es an höher gelegenenWänden wie Skiadhianiko sogar geschneit haben soll! Kurzum, derWinter ist eingebrochen und das laut Einheimischen so kalt undregnerisch wie selten. Aber es half ja nichts, wir wollten kletternund waren bereit dafür einige Opfer zu bringen. So reichte es danndoch für viele Klettertage in alt bekannten und neuen Sektoren.


Meine schönsten Momente waren im Dezember shirtless in der Sonne klettern und frische Mandarinen und Orangen direkt vom Baum zu essen.“ - Trung


Unseren ersten gemeinsamen Tag am Felsverbrachten wir (Trung wieder) am Théos Cave bei strahlendemSonnenschein. Perfekte Bedingungen für unsere Berliner umsich mit der Kletterei in Leonidio vertraut zu machen. Und das mitErfolg, denn Annie, Eik und ich konnten direkt „Dali“ (6c+)flashen und Falk „Zeus“ (7a) auschecken – da war eindeutig nochgenug Potential, um alle selbstgesteckten Ziele zu erreichen.


Am zweiten Tag verabredeten wir uns mitJohanna und Pablo im Sektor Dornröschen,sehr zu meiner und Johannas Freude, denn wir wollten die Touren dortvon Anfang an unbedingt ausprobieren. Wer uns kennt, dürfte darübernicht sehr verwundert sein, denn Dornröschen bietet 20 Routen imfranzösischen sechsten Grad, allesamt plattig bis senkrecht ankleineren Griffen. Drei Minuten entfernt liegt die Wand Kingof Thrones,die Dornröschen mit mittelschweren bis schweren Touren bis 7c ineher überhängendem Gelände perfekt ergänzt. In der Kombinationdieser beiden Sektoren kommt sicher jeder auf seine Kosten.


 „Ich war mega stolz auf mich, dass ich überhaupt diesen Urlaub Projekte im 7er-Grad angefasst habe- von denen habe ich seit 2 Jahren im Vorstieg die Finger gelassen, weil ich Angst hatte. Aber diesen Urlaub hat es irgendwie gepasst! Und auch wenn Song of Ice and Fire kein Durchstieg war, dass ich nicht aufgegeben habe und mich bis nach oben durchgekämpft habe, war das Beste, was diesen Urlaub passieren konnte.“ - Annie  


UnsereHoffnungen auf einen entspannten Klettertag in Dornröschen mitvielen durchgestiegen Routen wurde leider nicht ganz erfüllt. Zumeinen waren die Linien teilweise wirklich schwer für den jeweiligenGrad, zum anderen bohrte Christian gerade eine neue Tour, weswegengroße Teile des Sektors in der Gefahrenzone lagen und nichtbeklettert werden konnten. Es war trotzdem sehr cool, beim Bohrenzuzusehen und wir freuen uns über jede neue Linie an diesem tollenFels.

ImLaufe des Tages zog es uns dann nach und nach zu King of Thrones, woAnnie, Falk, Eik und Jan einen Go in „Song of Ice and Fire“ (7b)setzen. Letzendlich konnte aber (auch auf Grund der Dämmerung) nurJan die Tour im zweiten Go durchsteigen.


Johanna flasht "Teamwerk'5" (6a+) in Dornröschen


Amdritten Tag zog es uns nach BellaVista,einem Sektor mit abwechslungsreicher Kletterei zwischen 5b und 7b+.Auch wenn uns die Linien ansich sehr gut gefallen haben, muss erwähntwerden, dass viele Touren eher leichter sind als die Bewertungverspricht. „Killmist Onsight“ (7b+) konnten wir mit gutem Willenals 7a+ durchgehen lassen, „Caprisi“ (7a) maximal als 6c+. Aberegal, Hauptsache, es hat Spaß gemacht, sie zu klettern. Respekt anEik, Jan, Annie, Falk und Trung, die sich „Killmist Onsight“abgeholt haben.

DieAussicht von Bella Vista ist übrigens wirklich so schön, wie derName des Sektors es verspricht. Jan und ich konnten es uns nichtnehmen lassen, die gleichnamige Route (6a) zu klettern und denAusblick von oben zu genießen.

Andiesem Tag endeten die sonnigen Zeiten in Leonidio. Konntenwir die letzten zwei Tage noch im T-Shirt schwitzen, setzten jetztRegen und Kälte ein. Zum Glück blieben einige Routen trocken genug,um noch zu klettern.


Jan steigt "Torellis Toys" (7b+) durch


Dank des anhaltenden Regens und einerausgiebigen Silvesterparty folgten daraufhin zwei Ruhetage. Nur Janund Falk schafften es am Neujahrstag nach H.A.D.A., wo viele, vieleKletterer vor dem schlechten Wetter Zuflucht suchten und für einGefühl wie in einer vollen Kletterhalle sorgten. Trotzdem konnteFalk mit „Tout est relatif'“ seine erste 7a klettern, was wie wiralle wissen nach ungeschriebenem Klettergesetz einen Kuchen kostet.Okay, sagen wir ein halber Kuchen, weil er schon eine 7a+ auf dem Konto hat.


Ich fand den Trip als Gesamtes mega geil. Gab jetzt keinen Moment, der mir sofort in den Kopf schießt. Eher die vielen kleinen als Gesamtes!“ - Eik  


Trotz eisiger Temperaturen schaffte esEik am nächsten Tag, uns alle zu nachtschlafender Zeit aus dem Bettzu prügeln, um den Tag im schattigen Sektor Sábaton zuverbringen. Sein Glück, dass sich wegen des am Abend zuvordeklarierten „Positiv-Tags“ keiner wegen der Kälte beschwerendurfte. Immerhin hat sich das Ausharren dort gelohnt, denn Eikverliebte sich sofort in sein auserwähltes Projekt „Torellis Toys“(7b+) und auch Annie hatte mit „Roro“ (7b) ein neues Ziel vorAugen.


Wetterumschwung in Skiadhianiko


Am nächsten Tag stiegen wir im Regenzum altbekannten Sektor Skiadhianiko auf und ich verabschiedete michvon dem Wunsch, diesen Sektor ein Mal trocken zu erleben. Da dieoben gelegene Höhle eher schwere Grade bot und man vor lauterZiegenscheiße kaum Platz für sein Equipment fand, entschlossen wiruns die leichteren Platten weiter unten auch im nassen Zustand zuklettern. Leider kam der Regen immer wieder, so dass wir zu Ende hinverzweifelt in Regenjacken vorstiegen – auch eine Art von alpinemGefühl. Der Ziege mit leicht suizidalen Tendenzen, die auf der Jagd nach demwohlschmeckendsten Busch kopfüber in der Wand hing, machte an diesem Tag keiner von uns etwas vor.



Fiffi in "Kurz Ext." (6c) am Hot Rock


Den folgenden Tag verbrachten wir amHot Rock. Da für den Nachmittag wieder Regen angekündigt war,trafen wir so früh am Fels ein wie noch nie. Immerhin hat sich dasfrühe Aufstehen gelohnt, denn wir hatten einige sonnige Stundenund zu Beginn war es auch noch nicht so voll. Wir musstenfeststellen, dass aus „Oyk“ (7a+) während der regnerischen Tageeine riesige Schuppe ausgebrochen ist, die die Route wohl um einigesschwerer macht. Leider ist uns das erst aufgefallen, nachdem sich derarme Falk schon eine Weile in der Tour abgemüht hat. Auch wenn Teile der Wand noch nasswaren, gab es noch genug Auswahl. Fiffi konnte „KurzExt.“ und damit seine erste 6c flashen. AuchJohanna konnte mit „Kairos“ (6c+) eine noch offene Route abhaken.

Da wir so früh los sind, blieb am Endesogar noch Zeit für ein paar Gruppenfotos, alle konnten sich mitihren Fingerabdrücken auf unserer Leinwand verewigen und GretchensFrontpartie wurde kunstvoll mit Fingerfarben verziert. Das sah soschön aus, dass wir jetzt mit dem Gedanken spielen, Gretchen ein„richtiges“ Grafitti zu verpassen, auch wenn wir damit beimWildstehen wohl deutlich auffälliger wären.


Anni in "Fun and Fuck" (6c+), Sábaton


Am letzen Klettertag, an dem endlichmal wieder die Sonne schien, teilten wir uns auf. Falk, Fiffi undTrung verbrachten einen entspannten sonnigen Tag in Théos, der Resteinen kalten, aber erfolgreichen Tag beim Projektieren in Sábaton.Ich konnte „Fun and Fuck“ (6c+) und Jan „Murder One“ (7b+)abhaken. Zum Glück wurde für Annie entschieden, dass sie „Roro“(7b) doch nochmal eine Chance geben will und konnte sie schließlichdurchsteigen – mega stark gemacht!

Leider wollte es mit Eiks Projekt„Torrellis Toys“ (7b+) am Ende nicht ganz klappen, obwohl ereinige richtig gute Gos hatte. Es war trotzdem sehr beeindruckend zuzusehen (und zu hören) wie er wirklich alles gegeben hat. NächstesMal dann!


"Größter Erfolg war die 7a in H.A.D.A. zusammen mit Jan!  Das war ein richtig schönes und ehrliches Erlebnis. Der schönste Moment war Theos Cave mit allen zusammen im Sonnenschein zu sitzen und das Meer anzuschauen." - Falk

Alles in allem konnten wir demdurchwachsenen Wetter also ganz gut trotzen und haben einiges überProjektieren bei Kälte und Klettern im Regen dazu gelernt. Diewechselnden Konditionen sind ja auch ein Grund, die das Klettern amFels so viel schöner und spannender machen als das Rumhampeln anPlastik in einer überdachten Halle. Mit der richtigen Ausrüstung(Handschuhe und Thermoskanne mit Tee) und allerlei Tipps und Tricks werden die Finger dann auch warm genug, umverletzungsfrei Gas geben zu können.

Uns hat es auf jeden Fall trotz allemriesig Spaß gemacht, mit einer größeren Gruppe am Fels unterwegszu sein, gemeinsam zu Projektieren, sich seiner Falkangst zu stellenund gegenseitig mit Motivation und Beta auszuhelfen.


Gruppenbild am Hot Rock


Auch abseits von Griffen und Trittenhatten wir eine echt schöne Zeit mit unserem Besuch.

Silvester verbrachten wir dank 36Stunden Regen gemütlich in der Ferienwohnung und vertrieben uns dieZeit mit Curry kochen, selbstgemachter Bowle und Powerpoint-Karaoke.Bei der Gelegenheit konnten wir gleich unser Wissen über denZusammenhang von Klettern und Sex, Computerspiele und derWaffenindustrie auffrischen und uns mit Social-Media-Suchtauseinander setzen (Danke an Falk und Gentle-Fiffi für den Input).Später ging es dann zur Party ins Panjika, in das sich zuTechno-Klängen so viele Menschen wie noch nie drängten und Teilevon uns dann doch erst um 6 Uhr morgen zurück ins Bett fanden. Beiden vielen bekannten Gesichtern, der Musik- und Drogenauswahl undein, zwei wirklich unschön zugedröhnten Menschen kam ein ungeahntesBerliner Flair auf. Das ist ja aber nichts Neues, denn hier in„Berlinidio“ kann man ja ohnehin nirgendwo hingehen, ohne aufFreunde zu treffen und dann schlussendlich eine halbe Stunde zwischenden Kühltruhen des Supermarkts Sektoren zu diskutieren.

Bis auf Falk und Jan verbrachten wirden Neujahrstag aus Prinzip am Strand und bauten unter grauen WolkenSteinmännchen. Annie, Fiffi und Eik waren sogar mutig genug, umbaden zu gehen, was von den doch etwas wilderen Wellen gleichgeahndet wurde.


Perfektes Badewetter!


Ansonsten genossen Jan und ich es, malwieder etwas mehr Platz und eine warme Dusche zu haben und schmuggelten uns für die Abende in die Ferienwohnung. Es wurdenerbitterte Schachduelle ausgetragen, Verschwörungstheorienaufgestellt und politische Karrieren gestartet und Katzen zum explodierenden gebracht. Außerdem gab es reichlich Bier, griechischenWein und so viel dumme Sprüche, dass wir schließlich mit denMobbingtalern eine neue Währung einführen mussten.

Vielen Dank an euch alle, dass ihrden weiten Weg bis nach Leonidio auf euch genommen habt, um Silvestermit uns (und den vermutlich ausschlaggebenderen Bergen) zuverbringen. Mit euch herumzualbern und dem schlechten Wetter zutrotzen, macht den Gedanken daran, dass wir bald wieder fern vonFelsen im kalten Deutschland sein werden, um einiges erträglicher.Der nächste gemeinsame Urlaub kommt bestimmt!


Nicht nur das „Team Berlin“ mussteden Rückweg antreten, auch immer mehr andere Freunde aus Leonidiohaben sich in den letzten Tagen verabschiedet. Auch für uns brichtmittlerweile eine Zeit an, in der das Rückreisedatum immer näherrückt. Kaum zu glauben, dass wir bereits vier Monate unterwegs sind!Wir haben fest vor, aus dem letzten verbliebenen Monat hier inGriechenland alles rauszuholen, was geht. Dazu gehört auch, schwerenHerzens Leonidio und seinem momentan so miesen Wetter bald den Rückenzu kehren, denn wir haben noch einige Städte und Klettergebiete aufunserer Liste. Wir halten euch auf dem Laufenden!

Bis dahin, alpinist on!



P.S.: Dieses poetische Meisterwerk vonFiffi über unser kleines Strandabenteuer, wollen wir euch auf keinen Fallvorenthalten!


Brechende Wellen,

Ein farbenfrohes Ballett

Tanzender Steine,

HUUUUÄÄÄÄRRRHHHH


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