Veröffentlicht: 18.11.2021
An einem ziemlich wechselhaften Tag war es dann an der Zeit, sich von Adelaide zu verabschieden. Die Kartoffeln würden mir sicherlich nicht fehlen, aber in der Wohnung hatten wir uns schon inzwischen sehr heimisch gefühlt. Der Gedanke, wieder aus Kisten und Tüten zu leben, reizte mich eher wenig. Aber wie das so oft ist, als wir dann endlich alles im Auto hatten und auf dem Weg nach Tanunda im Barossa Valley waren, wo ich uns ein schickes AirBnb gebucht hatte, kam Vorfreude auf. Das AirBnb mit einem Kamin im Wohnzimmer, zentralem Heizsystem und sogar Matratzenheizung versüßte uns die kühlen Temperaturen draußen und so verbrachten wir den ersten Abend gemütlich auf dem Sofa und im Whirlpool. Am nächsten Morgen bei meiner Joggingrunde lag dicker Nebel über dem Tal, die Bäume am Wegesrand sahen aus wie aus einem Märchenwald, lag sicherlich auch daran dass viele davon europäisch waren. Einige verloren noch immer bunte Blätter, an anderen sprossen bereits Blüten, vor allem an den Pfirsichen und Mandeln. Verrücktes Bild... Nach einem kleinen Kulturprogramm Kunstgallerienbesuch und Spaziergang durch den Nachbarort widmeten wir uns Matzes Lieblingsbeschäftigung: Der Verkostung von Bier. Die erste Brauerei hatte ein nette aber recht kleine Auswahl, dafür konnten wir uns etwas in der Brauerei umsehen. Besonders interessant war eine in Deutschland produzierte manuelle Kronkorkmaschine, die sicherlich allein durch ihr Alter großen Sammlerwert hatte. Die zweite Brauerei sah aus wie ein Westernsaloon, mit einer imposanten Schwingtür und Zapfhähnen in Kaktusform. Es gab ein üppiges Stammpublikum aus lokalen Handwerkern und Mechanikern, wir erregten natürlich durchaus Aufsehen. Es gab nicht nur einen sondern gleich 5 Brauer, die alle ihre eigenen Rezepte und Geschmäcker hatten. Dadurch gab es eine breite Auswahl, von der uns ein überraschend hoher Anteil überzeugte. Da der Barmann auch einer der Brauer war, konnte Matze sich verbal austoben. Nach 2 Nächten Luxusbett fühlte sich dann die erste Nacht im Zelt durchaus etwas kalt und unbequem an, dafür hatten wir einen netten ruhigen Ort gefunden, wo wir uns abends ein Feuerchen anzünden konnten. Ich wäre sonst auch vermutlich an meinem Campingstuhl festgefroren. Am Tag darauf kletterten die Temperaturen über die 20 Grad Marke, perfekte Bedingungen für eine kleine Wanderung im Alligator Gorge. Keine Ahnung wer die so genannt hat, Krokodile wird man dort keinesfalls finden und Alligatorensichtungen sind noch unwahrscheinlicher, ansonsten wären die den ganzen Weg von Südamerika rübergeschwommen. Es gab einige Stellen wo man geschickt über ein paar schmale wacklige Steine balancieren musste, um nicht nass zu werden. Wir verbrachten die Nacht nicht weit vom Nationalpark auf einer Anhöhe, der fette Nebel und Regenwolken verborgen jedoch die meiste Zeit den Panoramablick aufs Meer. Am nächsten Tag passierten wir eine der letzten Ortschaften bevor wir den Flinders Ranges Nationalpark erreichten. Wir machten eine Wanderung und genossen die warme Sonne auf dem Gipfel des Bluff Knoll. Die umliegenden Gebirgsketten sahen durch ihre Faltungslinien und die verschiedenen Gesteine unrealistisch farbenfroh aus, das Nachmittagslicht verstärkte den Effekt noch. Wir übernachteten auf dem Wilpena Pound Campground- seit der schweißtreibenden Kletterei am Tag zuvor konnten wir eine Dusche wirklich gut gebrauchen. Am nächsten Morgen ging es recht zeitig los zur Besteigung des höchsten Gipfels des Nationalparks, der Queen Mary. Es gab einen kleinen Abschnitt der mir nicht so wirklich geheuer war, aber die meiste Zeit konnte ich die sich stetig verändernde Umgebung ohne zu großes Herzrasen genießen. In nur 3,5 Stunden hatten wir die fast 10 Kilometer zum Gipfel gemeistert. Mit nur 1.189 Metern natürlich kein Vergleich zu den Alpen, aber der Ausblick lohnte sich: in die eine Richtung parallel verlaufende gezackte grüne Gebirgsketten, in der anderen konnte man in der wabernden heißen Luft die weißen Salzebenen um den See Torrens erahnen. Nach unserer Tour, die sich insgesamt über 23 Kilometer erstreckt hatte, fielen wir abends ziemlich kaputt in unsere Campingstühle. Diese Nacht überraschte uns mit milden Temperaturen, die darauffolgenden waren wechselhaft. Wir beschlossen spontan, nicht nach Westen über Coober Pedy und Mount Dare zu fahren, weil es schon ein ziemlicher Umweg Richtung Queensland gewesen wäre. Stattdessen nahmen wir noch den Gammon Ranges Nationalpark mit, der geologisch den Flinders ähnelte, aber noch deutlich wilder und isolierter war. Es gab eine erstaunliche Menge an Quellen, viele davon schwefelhaltig und eine sogar radioaktiv. Etwas gruselig fand ich die vielen Wallabyleichen in der Nähe des Wassers, einige der Skelette waren von der trockenen Luft eingeschrumpelt und mumifiziert worden. In Arkaroola, wo wir unsere zweite Nacht verbrachten, konnten wir endlich die Gelbfußwallabies sehen, die nur in wenigen Regionen in den beiden Nationalparks vorkommen. Sie sind die mit Abstand süßesten Wallabies, die ich bisher gesehen hatte. Die Ranger des Resorts und Campingplatzes streuten immer um die gleiche Zeit abends ein paar Pellets neben einen künstlich errichteten Steinhaufen und die Wallabies kamen. Zwei der Tierchen hatten Babies, die ab und an neugierig aus den Beuteln hervorlugten und eins fraß Pellets synchron mit seiner Mama, ein herrlicher Anblick! Apropos Essen: Meine Kochkünste würden die nächsten Tage ernsthaft auf die Probe gestellt werden, wir hatten uns zu sehr an das Stadtleben gewöhnt, in der alle unsere Lieblingslebensmittel- vor allem fleischfreies Junkfood, spezielle Sorten Sojamilch, Joghurt und Käse- immer irgendwo verfügbar waren. Die kleinen Dorfkaufläden, die wir seit unserer Abreise aus Adelaide passiert hatten, konnten da nur wenig bieten, sodass unser Vorrat tagtäglich schrumpfte, sodass wir bald statt unseren sonstigen Gourmetsandwiches interessante Geschmackskombinationen wie Senfgurke, getrocknete Tomaten und Mayonnaise/Erdnussbutter aßen. Naja, da weiß man dann auch mal wie gut es einem sonst geht. Nach den sehr abwechslungsreichen Gebirgslandschaften kam uns der nächste Abschnitt der Strecke, der über den Strzeleckitreck nach Innamincka führte, recht trostlos vor. Abgesehen von einem erneuten Abfall der Nachttemperaturen hatten wir mit recht heftigen Windböen zu kämpfen, die den massenhaft vorhandenen Sand in alle Körper- und Fahrzeugöffnungen wehten. Innamincka hatte trotz seiner isolierten Inlandlage überraschend viel Grün zu bieten, was am Cooper Creek lag, der immer Wasser führte. Einer der bekanntesten Landvermesser Australiens, William John Wills, liegt nicht unweit des Ortes begraben, er war Mangelernährung zum Opfer gefallen und musste von seiner Erkundungstruppe zurückgelassen werden. Die lokalen Aboriginaltruppen hatten Ihnen zunächst geholfen, Fische zu fangen und ihre Hilfe bei der Beschaffung von anderen Nahrungsmitteln angeboten, aber wie auch in einigen anderen Fällen fühlten sich die Europäer überlegen und reagierten abweisend und desinteressiert. So tolle Leistungen die ganzen Vermesser für ihre Landsleute geschafft haben, die meisten von Ihnen hatten mangelnden Respekt vor den Ureinwohnern und ihrer Lebensweise. Innamincka ist ein kleiner Ort in der Nähe des Flusses, es gab mal mehrere Hundert Einwohner als hier noch Kamelkarawanen durchs australische Inland gezogen sind um Handel zu treiben und gerade die Öl- und Gasvorkommen hier in der Gegend entdeckt wurden. Heute wohnen die meisten Arbeiter des gigantischen Gasfeldes in Moomba, 100 Kilometer von Innamincka entfernt, in Containerbehausungen vor Ort und fliegen aller paar Wochen zu ihren Familien. Innamincka ist bis auf ein kleines Museum, einem Hotel mit anliegender Tankstelle, einem kleinen Einkaufsladen und einem Pub komplett ausgestorben, Wohnhäuser gibt es nicht mehr. Nach einer ruhigen Nacht am Flussufer überquerten wir am 25. August die Grenze nach Queensland. Eine Grenzstation, wie man sie ansonsten im westlichen Teil von Australien unmittelbar nach dem Grenzübertritt vorfand, gab es nicht und so fuhren wir erstmal weiter, unsere Anmeldung hatten wir abgeschlossen und noch in Innamincka heruntergeladen, nur ein paar Kilometer den Highway runter gab es schon wieder kein Netz. Irgendwann sahen wir ein recht langsam entgegenkommendes weißes Auto mit einer Sichtfahne wie sie hier die meisten Mienenfahrzeuge hatten und komischen Lichtern. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass es sich um ein Grenzkontrollfahrzeug handelte. Wir hielten an und zeigten unsere Erlaubnis, Ausweis oder Führerschein wollte der sehr entspannte Beamte gar nicht sehen und er interessierte sich auch absolut nicht für den Inhalt unseres Autos. Nach den letzten 3 Grenzüberquerungen mitsamt Güterrestriktionen und ausführlicher Identitätsüberprüfung war es eine tolle Erfahrung, fast wie nach Hause kommen. Auf der Strecke Richtung Osten gab es nicht übermäßig viel Abwechslungsreiches, unsere Übernachtung in Yowah bildete aber auf jeden Fall für mich ein Highlight. Der kleine Ort ist trotz seiner isolierten Lage lebendig und die Leute aufgeschlossen und nahbar. Die meisten von Ihnen leben seit Generationen in der für ihre speziellen Opalnüsse bekannten Gegend, viele der Leute haben sogar eine eigene Miene. Opale bilden für mich definitiv eine der interessantesten Edelsteingruppen, Farben und Muster sind durch die verschiedenen Wasserausspülungen vor der Versteinerung extrem vielfältig. Weil Yowah auch wie ein großer Teil des Outbacks von Queensland über dem großen Untergrundbecken Australiens liegt, kommt hier aus Bohrungen extrem warmes Wasser aus dem Boden, bis zu 60 Grad. Weil trotzdem die Nächte gern mal frisch werden, gibt es zwei von der Community Instand gehaltene öffentliche Pools, wo man für ein paar Münzen so viel Zeit verbringen kann wie man möchte. Wir hatten Glück und hatten sie ganz für uns allein- abgesehen von zwei Fröschen, die nach Einbruch der Dunkelheit plötzlich zu uns ins Becken hüpften, um ihrem abendlichen Wellnessprogramm nachzugehen. Je näher wir der Küste kamen, umso wärmer wurden die Nächte und umso weniger hatte ich mit extremer Trockenheit in Augen und Nase durch den allgegenwärtigen Staub zu kämpfen. Der wohl schönste Übernachtungsort war am Wallam Creek, wo wir an das Lagerfeuer eines alleinreisenden Opas aus New South Wales eingeladen wurden. Während unserer angeregten Unterhaltung hörte ich plötzlich ein ziemlich lautes Geraschel aus den Büschen, das sich irgendwie nicht wie das eines Opossums anhörte. Als ich mich neugierig mit der Handylampe anschlich, fand ich ein beeindruckend großes Schnabeligelmännchen. Es watschelte ziemlich unbeeindruckt vor sich hin, bis Matze ihm beim Versuch ein gutes Foto zu machen doch etwas zu nah kam. Die vorher locker nach unten gerichteten spitzen Stacheln stelllten sich zitternd auf und der Spaziergang wurde unterbrochen, bis wir uns zurückzogen. Ich musste der Versuchung widerstehen, behutsam über die Stacheln zu streichen. In St George, immerhin fast 500 Kilometer westlich von Brisbane, stießen wir auf eine ziemlich gute Weinkellerei, wovon ich mir zwei Flaschen für meine Geburtstagsfeier mitnahm. Die Gratisverkostung mit einer nach meiner Einschätzung auch nicht mehr ganz nüchternen Mitarbeiterin, die eine niederländischen Backpackerin war, sorgte auf jeden Fall für gute Laune. Am 31. August kamen schöne Erinnerungen auf, als wir die Einfahrt bei Chris und Alicias Haus hinauffuhren und zugleich neugierig von den Ziegen beäugt wurden. Wie hatte ich damals, im Dezember vor fast 2 Jahren, mit meinem frisch gebrochenen Wirbel die Szenerie und die Gesellschaft der vielem Tiere genossen. Und niemals hätten wir von so viel Gastfreundschaft und Großzügigkeit seitens dieser tollen Familie gerechnet. Chris und Alicia hatten sich optisch seit unserem gemeinsamen Weihnachten nicht viel verändert, Chris Gehör hatte sich leider noch mehr verschlechtert und er hatte sich als Elektriker selbstständig gemacht, weil seine Firma ihn wegen der schlechteren Auftragslage durch Corona weggekürzt hatte. Ihre beiden Kinder Erin und Ben hatten sich jedoch deutlich gestreckt, vor allem Ben hatte mit seiner recht kleinen pummeligen und Xbox fanatischen zehnjährigen Version kaum noch etwas gemein. Er spielte ziemlich erfolgreich Basketball für zwei Teams und war fast auf Augenhöhe mit seiner über 1,80 Meter großen Mutter, dabei sah man kein Gramm überflüssigen Speck mehr an ihm. Erin sah deutlich weiblicher aus und hatte eine wesentlich energischere und weniger dramatische Attitüde entwickelt. Sie investierte den Großteil ihrer Freizeit für Reitstunden und Wettkämpfe und in gemeinsame Zeit mit ihrem ersten Freund. Mensch, wie die Zeit verging! Für meinen Geburtstag am nächsten Tag backte ich einen russischen Zupfkuchen, der noch besser schmeckte, als ich mir erhofft hatte. Alicia hatte ziemlichen Stress auf Arbeit, kochte aber ein leckeres Curry zum Abendessen und hatte mir auf dem Nachhauseweg einen echt guten veganen Apfelkuchen von Woolworths gekauft. Ich hatte bis dato noch nichts von ihm gewusst und daher freute ich mich doppelt. Während Matze in den darauffolgenden Tagen mit dem Erweitern und Ausbessern diverser Zäune beschäftigt war, kümmerte ich mich viel um die Pflanzen und Tiere. Letztere Gruppe hatte einen weiteren kläffenden Zuwachs erlebt in Form von Nala, einer Gefährtin für den immer noch ziemlich anstrengenden Dackel Milo. Von seiner Seite schien kein sexuelles Interesse zu bestehen, eher Futterneid. Sie zerpflückte mit Vorliebe sein Halsband und liebte Yugi, die schon etwas ältere Staffordshire
Bull Terrier-Hündin, abgöttisch. Alle drei gleichzeitig im Auge zu behalten, während sie auf dem Anwesen ihr Unwesen trieben, war schlimmer als einen Sack Flöhe zu hüten. Das war einer der Gründe, warum Chris einen Auslauf mit einem elektrischen Zaun errichtet hatte, in dem man die Hunde auch mal eine Zeit lang lassen konnte, um sinnvoll was im Wohnzimmer machen zu können. Nachdem der Zaun fertig und angeschlossen war, herrschte zunächst große Neugierde bei Milo und Nala, nach der ersten Bekanntschaft mit den speziellen Eigenschaften des Zauns war es ein morgendlicher Kampf, sie in den Auslauf zu bugsieren, einmal bekam auch ich beim Greifen nach Nalas Halsband bei einem ihrer Fluchtversuche zurück ins Haus einen Schlag ab, weil sie sich am Zaun entlangdrückte. Schließlich passten wir unsere Taktik an und stellten Ihnen ihr Frühstück ins Gehege, nach einigen Minuten eiserner Ignoranz siegte der unersättliche Appetit dann doch. Außer unserer Arbeit entspannten wir viel, ich genoss den Whirlpool unterm Sternenhimmel, Matze pflegte das Auto. An einem Sonntag machten wir einen etwas längeren Ausflug nach Süden, in den Mount Barney Nationalpark. Um den Berg selbst zu besteigen war der Tag schon zu weit fortgeschritten, außerdem hatte ich keine Lust auf übermäßige Adrenalinschübe und Nahtoderfahrungen. Der Gipfel ist immerhin der zweithöchste in Queensland und einige Abschnitte sind extrem steil und felsig. Stattdessen wanderten wir an einem Fluss entlang, vorbei an zunehmend regenwaldiger Vegetation bis zu einem versteckten Wasserfall. Dort lernten wir zwei Australier kennen und wanderten mit Ihnen zurück, nachdem wir die Szenerie genossen hatten und es anfing, zu regnen. Wir hatten nur noch etwa einen Kilometer zu meistern, als die sonst recht dichte Wolkendecke aufbrach und den Gipfel Mount Barneys offenbarte, ein schöner und Respekt einflößender Anblick. Ich griff nach meiner Tasche, um ein Foto zu machen, als ich verwirrt innehielt: Meine Hände griffen ins Leere. Ich musste die Tasche, die ich während meiner Kletteraktion am Wasserfall abgelegt hatte, dort liegengelassen haben. Ich fluchte und überlegte tatsächlich, einfach auf Facebookseite des Nationalparks zu posten, ob jemand der dort als nächstes hinkam, nicht einfach mein Handy aufsammeln und es mir schicken konnte. Mir tat vom bergigen Asphaltgejogge der letzten Tage das Knie weh und es würde bald dunkel werden. Matze überraschte mich damit, dass er mir sein Handy in die Hand drückte und losjoggte. Etwas unschlüssig, womit ich mir nun die Zeit vertreiben würde, setzte ich mich an den Wegesrand. Nach wenigen Minuten kam ein Dreiergespann vorbei, das mir unseren Autoschlüssel in die Hand drückte, Matze hatte bemerkt, dass er ihn einstecken hatte. Ich schloss mich der Truppe an und unterhielt mich angeregt, sie hatten den Gipfel bestiegen und fanden es machbar, aber durchaus fordernd. Auf dem Weg hatten sie zwei Männer überholt, die ziemliche Schwierigkeiten hatten und nach Ihnen gestartet waren. Sie hatten Nummern ausgetauscht und den Neulingen geraten, im Zweifelsfall umzukehren. Trotz längerer Pause am Gipfel hatten sie sie nicht mehr gesehen und es gab weder auf dem Berg noch am Parkplatz Empfang. Als wir jedoch den Parkplatz erreichten, war das Auto der Zwei Wagemutigen noch da, sie waren also nicht umgekehrt. Die erfahrenere Truppe machte sich Sorgen, da nun unaufhaltsam die Dämmerung heranrückte. Es wurde beschlossen, dass zwei von Ihnen mit Taschenlampen bewaffnet umkehren und den Weg den sie hoch auf den Mount Barney gekommen waren, bis zu dem Punkt wo das richtige Gekletter anfing, zurückzulaufen. Ich beschloss, Matze entgegenzulaufen und hatte noch nicht einmal einen Kilometer zurückgelegt, als er mir entgegengejoggt kam. Matze am Joggen! Das ich das mal erlebe, hätte ich nicht gedacht. Und alles, weil ich mit meinen Gedanken woanders gewesen war. Während der Heimfahrt entfalteten sich wunderschöne Farben am Himmel, wir hatten so intensive Orange-und Pinktöne seit den schlimmen Waldbränden in Noosa vor fast 2 Jahren nicht mehr gesehen. Am Tag vor unserer Abreise durfte ich auf Erins Zweitturnierpferd Memphis reiten, ich war überraschend nervös unter dem kritischen Blick einer so erfahrenen Reiterin auf dem Platz meine Bahnen zu ziehen. Memphis nahm meine Signale jedoch gut an und schien nicht unzufrieden mit meinen Aktivitäten, Erin gab nachdem ich abgestiegen war zu, dass sie so eine gute Performance nicht erwartet hatte. Sie ließ sonst Niemanden ihre zwei Lieblingspferden reiten. Nach einer kurzen Dusche wurde Memphis zusammen mit Jet (ihrem jüngeren Turnierpferd) auf den Transporter verladen, Alicia und Erin fuhren mit den Beiden zu einem Wettbewerb an die Sunshine Coast. Als wir dann am folgenden Morgen auch abreisten, mischte sich schon eine gewisse Melancholie in meine Vorfreude auf Sean und Lynette. Wir hatten beschlossen, unseren Überraschungsbesuch auf den Abend zu legen, weil wir nicht wussten, ob sie vielleicht am Freitag lange arbeiteten. Ihre Adresse hatten wir uns unter dem Vorwand ergattert, ein verspätetes Paket nach Adelaide bestellt zu haben, was wir nun irgendwohin umleiten mussten. Die richtige Wohnung zu finden, stellte sich als gar nicht so einfach heraus, es handelte sich um ein altes queenslandtypisches Haus im Stadtteil Highgate Hill auf Stelzen mit drei verschiedenen Eingangstüren. Zunächst klopften wir genau an den zwei falschen und wurden etwas verwirrt angeguckt, an der dritten hielten wir sicherhaltshalber inne und lauschten. Wir grinsten uns an, als wir Seans unverkennbaren Bass und kurz darauf Lynettes Lachen hörten. Wir klopften an die Tür und ich fühlte mich so hibbelig vor Vorfreude, dass mir der Moment, bis sich die Tür öffnete und die Sicht in eine schmale Küche, in der Lynette gerade hantierte, freigab. Unsere Freunde guckten wie erwartet recht verdutzt, meine unterschwellige Sorge, dass wir ihnen einen lange geplanten Pärchenschmusefilmabend verderben könnten, schien unbegründet. Nach einer Wohnungstour und ein paar alkoholischen Getränken, wurden wir (wie erhofft) eingeladen, uns im Gästezimmer häuslich einzurichten. Das beinhaltete einiges an Gerümpel und hatte nur ein Einzelbett und eine Extramatratze zum auf den Boden legen, aber das passt ja auch erstmal für den Anfang. Ich bestand darauf, Essen zu gehen- mein Geburtstag musste ja schließlich nachgefeiert werden. Im zu Fuß erreichbaren Westend gab es eine gute Auswahl veganer Restaurants, ich entschied mich für “Nonna´s Nightmare”, ein italienisch inspiriertes Restaurant. Neben leckeren Gerichten wie Lasagne, Gnocchi und Arrancini gab es auch einige deftige Burger zur Auswahl. Ich bereute es absolut nicht, mich für den “Chicken”burger entschieden zu haben, er war herrlich knusprig und schmeckte sehr überzeugend. Die Freude über mein Essen wurde dadurch vermehrt, dass auch unsere nichtveganen oder –vegetarischen Freunde ein großer Fan der Gerichte waren. Als ich am nächsten Abend mit einem kleinen Kater aufwachte, realisierte ich, dass die orgasmöse Essorgie sich auch auf meinen Alkoholappetit ausgewirkt hatte, das letzte Glas Lambrusco hätte ich vielleicht lieber sein lassen. Ich Idiotin hatte mir auch gleich für den Morgen 3 Bewerbungsgespräche organisiert, weil ich so bald wie möglich mal wieder in der Gastronomie arbeiten wollte. Da ich vermutete, dass das ich etwas zu optimistisch gewesen war, ging ich zunächst zu dem Café, was ich von den Jobs als attraktivstem vom Arbeitsweg und den Arbeitszeiten betrachtete. Nach einem Gespräch mit der Inhaberin Yuni, die aus Südkorea kam und den Laden vor nicht allzu langer Zeit übernommen hatte, wurde mir direkt angeboten, am Montag anzufangen. Ich würde vermutlich nur 2-3 Tage die Woche von morgens bis mittags benötigt werden, aber das war mir erstmal recht, ich konnte ja noch nach einem Zweitjob für ein paar Abende oder Nachmittage gucken.
Samstag, den 11. September, frisch und erholt (zumindest ich), entspannten Sean und ich erst mal ein bisschen und holten ein wenig auf mit allem was seit unserem letzten Treffen so passiert war. Nachdem Clara von ihren Vorstellungsgesprächen wieder zurück war, beschlossen wir uns zum Brisbane River zu begeben um Seans neues Stand-Up Paddleboard auszuprobieren. Das war echt ziemlich cool, auch wenn man aufpassen sollte, dass man nicht in den Fluss fällt...da leben Bullsharks und die gehören zu den etwas aggressiveren Haien. Alles ging gut, ich rettete noch einen Ball von ein paar Jungs und dann gings auch schon wieder nach Hause. Sonntag war unser (ungeplant) großer Tag. Wir liefen nach Southbank zum öffentlichen Pool um ein wenig baden zu gehen. Auf dem Weg kamen wir an der zentralen Impfstelle vorbei und beschlossen spontan zu gucken, ob wir einen Termin bekommen, denn seit ein paar Tagen waren auch wir endlich zugelassen. Wir hatten Glück! Die eigentliche Einlassangestellte wollte uns schon nach Hause schicken, so ganz ohne Termin, aber ihr Chef kam dazu und machte kurzerhand eine Ausnahme. Nach einer halben Stunde waren wir auch schon wieder raus und dann gings auch endlich Baden, denn hier wird es auch von Tag zu Tag wärmer. Und dann war sie auch schon wieder vorbei unsere Urlaubs-wirfahrencampen/wandern/biertrinken/aufkeinenfallarbeit-zeit. Während sich Clara bei verschiedenen Restaurants bewarb, ging ich zu Globe. Globe ist eine Jobvermittlungsagentur für den Bau für die auch Sean tätig war. Wir fuhren gleich Montag zusammen hin, ich bekam alles erklärt, musste ein paar Onlineformulare ausfüllen und das wars dann auch schon. Ich erledigte das alles noch am selben Tag und Dienstag war ich schon im System und bekam Jobangebote zugeschickt. Sean und ich wollten gerne zusammenarbeiten und zum Glück bekamen wir noch am selben Nachmittag ein Angebot von einer Baustelle eine Viertelstunde von Zuhause entfernt. Und auch Clara hatte Glück. Neben dem Job bei Yuni ergab sich auch noch etwas für ebenfalls 2-3 Tage die Woche, abends, in der City Winery. Dies ist die älteste Winzerei der Stadt und ein ziemlich fancy Schuppen. Aber die Mitarbeiter scheinen nett und sehr entspannt zu sein. Mittwoch ging dann bei Sean und mir die Arbeit los. Unser Job war ein bisschen aufräumen und saubermachen. Es gab genug zu tun und so wurden wir gleich die nächsten Tage dort behalten. Freitag nach Arbeit packten Clara und ich dann alles nötige schnell zusammen und machten uns auf den Weg zu einer Buschparty. Wir kamen kurz nach Einbruch der Dunkelheit an und suchten uns einen Platz zum Campen. Keine Stelle auf dem Grundstück war auch nur annährend Level, aber mit unseren drei Wagenhebern gings dann einigermaßen. Die Party klang schon ganz gut, aber wir packten erstmal aus und bauten auf. Nicht viel später wurden wir schon von einer Deutschen begrüßt, die auch schon am Einlass geholfen hatte. Abgesehen von Sean war sie die erste deutsche Backpackerin, die wir seit über einem halben Jahr getroffen haben. Kurz darauf lernten wir auch Kurt kennen, ein anderer Deutscher und unser Campnachbar. Alles aufgebaut machten wir uns auf den Weg zum Dancefloor, wo gerade eine ältere Dame ziemlich guten Tech House auflegte. Sie war leider relativ bald schon fertig und ihr Nachfolger war nicht so üppig. Wir gingen zurück zum Camp, quatschten ein bisschen mit Kurt und Harmony, seiner australischen Begleitung und machten Abendbrot. Währenddessen stolperte die DJane durch unser Camp und wir hörten sofort, dass auch sie eine Deutsche ist. Katja, Lehrerin in einer Privatschule, Freizeitdjane und Musikproduzentin und eine wunderbare Person mit norddeutschem Dialekt, die sofort Kindheitserinnerungen wach werden lässt. Kein einziger Deutscher und nun auf einmal schon drei, 5 mit uns und alle in einer Ecke, was ein Zufall. Nach dem Essen wurde die Party wieder besser und wir gingen ein wenig tanzen. Leider war immer ein guter DJ und dann wieder ein nicht so guter, weshalb wir gegen Mitternacht oder so beschlossen, uns hinzulegen. Samstag morgen gönnten wir uns einen lecker Kaffee, Frühstück und das erste hopfige Kaltgetränk. Es war gut warm und wir genossen ein wenig den Schatten, unterhielten uns mit unseren Nachbarn, gingen ein wenig tanzen und machten einen kleinen Spaziergang am Bach nebenan. Das Wasser war zwar nicht tief, aber schön Kühl und ein wenig Ruhe vor dem Hauptteil der Party war auch nicht schlecht. Später kam dann die Party in Schwung und wir hatten jede Menge Spaß; vor allem der letzte DJ des Abends, Dark Mode, war richtig der Hammer. Der beste Techno, seit über 2 Jahren in Australien! Nachdem die Musik aus war, ließen wir die Nacht noch ein wenig am Lagerfeuer ausklingen. Dort lernten wir Marco kennen, der mit UV Farben auf Buschparties und Festivals unterwegs ist und kostenlos Menschen verschönert. Einer davon war Kurt, der nach Beendigung des Kunstwerkes von allen auf der Tanzfläche bewundert worden war. Marco ist ebenfalls Deutscher, erfrischend exzentrisch und von Beruf Barbier. Wir haben zwei coole bunte Pilzketten aus einer Art gebrannten Knete von ihm geschenkt bekommen. Der nächste Morgen war ein wenig...herausfordernd, aber so ist das halt nach Partys. Starker Kaffee und was zu essen halfen uns wieder auf die Beine und nette Gespräche rundeten das Wochenende ab. Wir packten zusammen, setzten das Auto wieder auf alle 4 Räder, tauschten Kontakte aus und machten uns auf den Heimweg. Unterwegs hielten wir noch ein einem kleinen Fluss und gingen Baden, eine wahre Wonne bei über 30 Grad. Montag wurde ich dann von Globe woanders hin geschickt; ich sollte einem Typen helfen, einen alten Gartenzaun abzureißen und einen neuen zu bauen. Ein recht entspannter Job und er beschäftigte mich wieder für drei Tage. Danach wurde ich direkt wieder zu Blackwatch, unserer vorherigen Baustelle geschickt. Sean hatten sie sich Dienstag schon wieder kommen lassen. Haben gemerkt, dass wir gut sind und dass sie viel zu viel Kram zu erledigen haben in viel zu kurzer Zeit. Am letzten Wochenende im September besuchten wir einen veganen Essbudenmarkt in West End, wo Clara sich am Stand eines Farmtiergnadenhofs eine Kette kaufte und ich mir neben einer Auswahl an Fudgewürfeln auch einen Karamellfudgeaufstrich gönnte. Nach einer geteilten Auswahl Burgern, Pide und Nudelauflauf holte Clara sich dann auch noch ein massives Stück Cookie&Cream Kuchen, nachdem sogar sie ganz schön satt und erstmal eine zeitlang bewegungsunfähig war. Hat sich kulinarisch auf jeden Fall gelohnt.