Coastal Nomads - Suzi, John & Betty
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Portugal´s Westen: Vanlife, Monsterwellen und Tempelritter

Veröffentlicht: 14.07.2024

Wir lassen den Großraum Lissabon hinter uns (siehe Reiseblog Lissabon) und steuern unsere Betty in Richtung Nordwesten. Sintra, das portugiesische "Neuschwanstein" lassen wir aus (viel zu viele Touristen...) und fahren stattdessen etwas weiter nach Mafra (fast keine Touristen...). Dort erwartet uns ein Nationalheiligtum Portugals: der Palacio National de Mafra. König João V. gelobte den Bau eines Klosters, sollte ihm der langerwartete Nachwuchs geboren werden. Nach der Geburt seiner Tochter ließ er zwischen 1717 und 1730 die Palast- und Klosteranlage mit Basilika und 1.200(!) Räumen erbauen. Letztendlich ist es ein gigantischer Palast für den König geworden (mit angeschlossenem kleinen Kloster für die Mönche, aber das Volk hat es bezahlt). Fun fact: In der Bibliothek mit Büchern aus dem Mittelalter leben drei Fledermausarten, die die Bücher vor Insektenbefall schützen! Insgesamt sehr sehenswert und mit kostenlosem Wohnmobilstellplatz der Gemeinde direkt neben dem Palast.

Am nächsten Abend landen wir am Praia Azul etwas südlich vom kleinen Ort Santa Cruz. Ein weiterer Traumstrand, leider ist hier das Baden aktuell untersagt, ein riesiger Shorebreak bricht direkt auf den Strand. Unter den wachsamen Augen der netten Lifeguards gehen wir bis zu den Knien ins Wasser. Hier im Nirgendwo der Westküste hat die Gemeinde das Übernachten mit dem Wohnmobil direkt auf den Klippen per Schild ausdrücklich erlaubt, hurra! Toiletten und Strandduschen gibt es auch. Trotzdem sind wir nachts fast alleine.

Unser nächstes Ziel ist Peniche, einer der Surfer Hotspots in Portugal. Peniche profitiert davon, dass zwei felsige Halbinseln in den Atlantik ragen, die Wellen sortieren und in die richtige Richtung "biegen".  Der ganze Ort lebt vom Surfen (surfen hier = Wellenreiten). Auch hier ist Freistehen mit dem Van zum Glück kein Problem. In der ersten Nacht stehen wir an der Nordspitze von Peniche direkt am Leuchtturm mit Blick auf den rauhen Atlantik inclusive dramatischem Sonnenuntergang. Wir sind mehr und mehr davon begeistert, Portugal mit dem Van zu bereisen. Warum nur haben wir Portugal in den letzten 30 Jahren nicht auf unserem Zettel gehabt?? 

Wir erkunden Peniche und Umgebung ausgiebig mit den Bikes. Im Gegensatz zur Küste ist der moderne, recht große  Ort mit viel Industrie nur bedingt sehenswert. Etwas nördlich auf der zweiten Halbinsel entdecken wir den kleinen, süßen Ort Baleal. Neben einem Cafe, in dem wir gerade etwas  Energie tanken, entdecke ich "Fred´s Adventures", eine klitzekleine Surfschule. Ich google ein wenig und sehe, dass Fred ausnahmslos 5* Bewertungen bekommen hat. Spontan melde ich mich für den nächsten Tag für einen Surfkurs an und werde nicht enttäuscht. In den folgenden zwei Tagen werde ich von Fred in einer Minigruppe bestehend aus Marie, einer Französin, und mir in die Geheimnisse des Wellenreitens eingeführt.   Eine schöne Alternative zum Windsurfen, welches in Portugal ein absolutes Nischendasein führt! Susi übernimmt die Fotodokumentation meiner "epischen" Wellenritte. Surfen traut sie ihrem Rücken nach der Operation (noch) nicht zu. In Peniche haben wir dann das erste Mal Besuch von einem wilden Straßenhund am Van. Für solche Besuche  haben wir immer etwas Hundefutter an Bord. Der kleine blonde Mischling bevorzugt aber lieber den Rest Würstchen vom Vortag, die ratzfatz verschlungen sind. Immerhin haben wir ihn für heute satt bekommen. Wir lieben Hunde, aber Vanlife mit Hund ist aus verschiedenen Gründen nichts für uns.

Nach drei Tagen Peniche und Umgebung zieht es uns weiter in Richtung Norden. Unser Ziel ist die Laguna de Obidos südlich von Foz de Arelho am Atlantik. An der Südseite der Lagune finden wir einen höher gelegenen Übernachtungsplatz mit Blick auf Lagune und Atlantik, schöner geht es kaum! Die nächsten beiden Tage ist Wind angesagt. Die Lagune ist sehr beliebt bei Kitern. Der Wind wird thermisch verstärkt, das Wasser ist warm, nur nenenswerte Wellen gibt es nicht. Ich freue mich, für zwei Tage wieder mit meinem Windsurfboard bei entspannten Bedingungen aufs Wasser zu kommen. Von der Lagune ist es nicht weit zu der Stadt Obidos, einer komplett erhaltenen, mitteralterlichen Stadt mit Castelo und Festungsmauer aus dem 13. Jahrhundert. Wir sind natürlich nicht die einzigen Touristen, aber die Atmosphäre ist sehr entspannt und die Stadt wirklich sehr malerisch. Bequem und kostenlos parken auch mit unseren 7,2 m Länge kann man hier auch, wie fast überall in Portugal. Am Abend sind wir zurück am Meer. Der Sonnenuntergang ist traumhaft, allerdings ist das Wetter so frisch, dass wir unsere "Sommerdaunen" und Wollmützen anhaben!

Da das Wetter etwas wechselhaft werden soll, wollen wir die nächsten Tage in das Inland reisen. Auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel (der Kalksteinhöhle Grutas Mira de Aire, die größte bekannte Höhle Portugals)  machen wir noch eine MTB-Tour von Porto de Mos aus. Es ist noch sengend heiß, als wir nachmittags aufbrechen, aber wir haben mittlerweile gelernt und immer Zusatzklamotten dahei. Nach knapp 30 km Strecke , 640 Höhenmetern und einem Weltklassesingletrail (den wir mehrmals hoch und runter fahren!) ändert sich das Wetter schlagartig, es wird kalt und windig und wir sind froh über die zusätzlichen Kleidungsschichten aus dem Rucksack! Wir übernachten mutterseelenallein in der Nähe der Kalksteinhöhle an einem etwas desolaten "Lost Place", wie überhaupt der ganze Ort Mira de Aire an eine zerfallende Geisterstadt erinnert.

Am nächsten Tag wachen wir mit Sprühregen auf und denken: Genau der der richtige Tag für die Besichtigung einer Höhle! Zusammen mit einer kleinen Gruppe von Besuchern erhalten wir eine Führung durch diese unglaublich beindruckende Kalksteinhöhle, die erst 1947 entdeckt wurde. Unter fachkundiger Erläuterung geht es über fast 700  Stufen insgesamt 110 m in die Höhle herab (und mit einem Aufzug wieder hoch). Prädikat: Ausgezeichnet!

Auf dem Rückweg an die Küste besichtigen wir erst 150 mio. Jahre alte Dinospuren in den Kalkbergen und übernachten dann bei einem Olivenölbauern (Casa Feteira) in Tremonceira. Hier verdient man sich mit der Beherbung von Wohnmobilen etwas dazu. Die Nacht kostet € 10, dafür steht man romantisch mitten zwischen den Olivenbäumen. Natürlich kann man dort abends etwas essen und leckeren Wein trinken und morgens nach einer kompetenten Führung durch den Chef auch Olivenöl kaufen. Am nächsten Morgen beläuft sich die Rechnung für uns auf über € 90, wir sind aber hochzufrieden und sehr froh, dort eingekehrt zu sein! Prädikat: Unbedingte Empfehlung!

NAZARE ist unser nächstes Ziel! Der Mount Everest des Surfens! Ein amerikanischer Surfer hat vor weniger als 20 Jahren als erster Surfer das Potential dieses Spots entdeckt und der Rest ist Geschichte. Vor Nazare brechen im Winter die größten  und höchsten Wellen der Welt. Der Grund dafür ist ein mehrere Kilometer tiefer Unterwassercanyon, der bis kurz vor die Küste reicht. Der aktuelle Weltrekord für die höchste abgerittene Welle vor Nazare liegt bei 28,5 m Höhe, das entspricht einem 9-stöckigem Hochhaus! Um diese Wellen überhaupt surfen zu können, werden, die Surfer mit Jetskis in die Wellen gezogen. Wir finden einen kostenlosen Park- und Übernachtungsplatz fast direkt am Strand und erkunden den Ort. Von dem unteren Ortsteil am Strand geht es zu Fuß oder mit einer Standseilbahn in den auf 30 m hohen Klippen gelegenen Ortsteil. Auf einem Felsvorsprung befindet sich ein Leuchtturm mit einem kleinem Surfmuseum. In dem Museum werden die Surfboards der Helden (und Heldinnen!) ausgestellt, die diese Wellen schon bezwungen haben und dazu gibt es eine eine Erläuterung, warum die Wellen hier so hoch werden. Etwa 500 m vor dem Leuchtturm befindet sich der heilige Gral des Big-Wave Surfens, der Spot selber. Jetzt im Sommer sind die Wellen leider deutlich kleiner,  aber immer noch sehr groß für Nordseeverhältnisse. Wir sind total fasziniert. Der  Ort strahlt eine ganz besondere Aura aus und wir überlegen, wie wir es es auf unserer Tour schaffen können, hier nochmal im Winter vorbei zu kommen ;-)! Die nächsten beiden Tage ist das Wetter trübe, mit dem für die Westküste typischem Seenebel. Wir sind froh, Nazare bereits am ersten Tag so gut erkundet zu haben. Nazare, wir kommen definitiv wieder!!

Das Wetter hat sich deutlich eingetrübt und für die nächsten Tage sind viele Wolken und zeitweise Regen vorhergesagt. Wir gönnen uns daher etwas nördlich von Nazare für eine Nacht einen Campingplatz (CP Paredes da Vitoria), um mal wieder schön warm zu duschen. Gönnen heißt in diesem Fall € 6,50 pro Nacht ;-) + jeweils € 1,-- für die warme Dusche. In DK gibt es einen CP, der für die gleiche Leistung so um die 70 Euro pro Nacht verlangt. Unsere Pfingstclique weiß, welchen CP wir meinen... Übrigens ist es fast Ende Juni und wir fragen uns, wo eigentlich die ganzen Touristen an der Westküste sind. Wir erleben große Teile der Westküste um diese Jahreszeit fast menschenleer.

Unser nächstes Ziel im Inland ist Tomar, eine Empfehlung meines Surflehrers Fred aus Peniche.  Auf dem Weg dorthin machen wir einen Abstecher nach Fatima. Der Ort Fatima ist ein Wallfahrtsort, nicht nur für die Portugiesen. 1917 erschien dort drei Hirtenkindern angeblich die heilige Jungfrau Maria. Seitdem pilgern dort jährlich Millionen Katholiken hin. Der zentrale Platz vor der 9.000(!) Menschen fassenden, Kirche ist größer als der Petersplatz in Rom. Tonennweise werden Opferkerzen gekauft und in eine Art "Kerzenverbrennmaschine" gesteckt. Betende Menschen rutschen auf den Knien über den gesamten Platz. Alles ist im in sozialistisch anmutenden postmodernen "Betonbrutalismus" gestaltet. Beeindruckend zu sehen, aber definitiv nicht so unser Ding. Wir reisen weiter nach Tomar.

Tomar liegt malerisch im Inland am Fluss Nabao, schon relativ weit von der Küste entfernt. Tomar war früher Sitz des Templerordens, was die Stadt bis heute prägt. Hier hat die Gemeinde kurzerhand das Übernachten von Wohnmobilen auf einem aufgebenem etwas desolaten Campingplatz (wohl eines der sichtbar ganz vielen Covid Opfer in Portugal, nebst unzähligen Restaurant und Hotels) gestattet. Dieser Platz hat auch etwas von einem "Lost Place", ist aber voll OK für uns. Überall in Tomar findet man das rot-weiße Tatzenkreuz des Templerordens Die Tempelritter beherrschten im 12. und 13. Jahrhundert Europa, Jerusalem und Teile des nahen Ostens sowohl militärisch wie auch finanziell, bis sie 1312 vom französischen König Philipp und Papst Clemens buchstäblich einen Kopf kürzer gemacht wurden (die spannende Geschichte Tempelritter sonst mal googlen, führt hier im Blog zu weit). Wir besichtigen die imposante Wehr-Klosteranlage Convento de Christo oberhalb Tomars, deren Bau 1162 begonnen wurde. Hier findet man Kulturgeschichte pur. Wir sind so fasziniert, dass wir abends beinahe in der Anlage  eingeschlossen werden und erst in letzter Sekunde noch vom Nachtwächter entdeckt und rausgelassen werden...

Nach so viel Kultur und Geschichte brauchen wir wieder Meer! Heute ist übrigens der 1. Juli, also gefühlte Halbzeit unserer Auszeit! Nach wie vor bewegen wir uns in unserem Rhythmus und planen nur wenig voraus. In Portugal sind wir jetzt schon anderthalb Monate und es gibt noch so viel anzusehen und zu entdecken...

In Costa de Lavos etwas südlich von Figueira de Foz stoßen wir wieder auf den Atlantik. Die Küste hier ist ganz typisch für die portugiesische Westküste: Kiefernwald, dann kommt ein breiter Dünenstreifen und dann ein einsamer Sandstrand von dutzenden Kilometern Länge! Von Überfüllung kann man hier nicht sprechen. Im sich in der Sonne auflösenden, kühlen Seenebel machen wir einen Strandspaziergang von gut 10 km und treffen unterwegs weniger als eine Handvoll Menschen. Im lokalen Mini Mercado (gibt es ganz viele in Portugal, so wie Tante Emma in den 60ern) von Costa de Lavos kaufen wir Zutaten für unser Abendessen und übernachten auf dem Strandparkplatz. Auch dieser Ort hat eine leichte "Geisterstadt" Anmutung und wir fragen uns zum wiederholten Mal, ob und wann es hier an der Westküste mal richtig voll werden kann. Wir haben immerhin Anfang Juli, also im Vergleich high season an der proppevollen deutschen Ostseeküste.

Im nächsten Ort Cova geht es endlich mal wieder aufs Wasser. Um eine Mole herum laufen tolle Wellen und ich schwinge mich auf mein Bodyboard, welches immer im Van mitreist. Mit meinem dicken Neopren sind die 16° C Wassertemperatur ganz erträglich und ich kann einige sehr saubere Wellen abreiten. Um das ganze sportlich abzurunden, fahren wir nachmittags weiter in den bekannten Touristenort Figueira de Foz und starten von dort noch eine schöne 32 km MTB-Tour in das nahe gelegene, bergige Naturschutzgebiet. Auch hier entdecken wir einen schönen Singletrail, der über viele km zurück in die Stadt führt.  Figueira de Foz ist ganz nett, aber etwas zu groß und quirlig für unseren Geschmack. Daher übernachten wir  in Quiaios, etwas nördlich von Foz,  wieder direkt am Strand. Auch hier ist alles menschenleer. Auf dem Strandparkplatz könnten theoretisch hunderte von Autos parken. Wir teilen uns den riesigen Platz mit nur einem anderen Wohnmobil, was in einiger Entfernung parkt. Die Portugiesen lieben es übrigens, an ihrer gesamten Küste kilometerlange Holzstege entlang der Klippen und Dünen zu bauen. Wir machen herrliche Spaziergänge entlang dieser endlosen Holzstege. Abends übernachten wir auf dem Parkplatz (mit Rasen!) eines Strandrestaurants südlich von Aveiro. Das Übernachten kostet nichts, der Besitzer rechnet natürlich mit zusätzlichen Gästen. Wir haben lange nicht mehr so leckere Burger gegessen ;-)

Morgen, am 5. Juli bekommen wir mal wieder Besuch: Zwei gute Freundinnen von Susi besuchen uns für eine Woche in Portugal. Gemeinsam wollen wir uns dann die Stadt Porto und Umgebung ansehen!

Wir hatten ja weiter oben erwähnt, dass wir so ungefähre Halbzeit unserer Auszeit haben und unsere Reiseroute doch relativ spontan festlegen. Lasst euch überraschen, wo es die nächsten Monate hingeht. Zwischen Skandinavien und Nordafrika ist aktuell noch alles drin!

On the road: 165 Tage
Insgesamt zurückgelegte Strecke: 9.120 km

FORTSETZUNG FOLGT




Antworten (5)

Heike
Liest sich sehr gut und offensichtlich auch für Nicht-Surfer eine interessante Gegend. Weiterhin eine tolle Zeit für euch! LG

Katja
Wieder ein fesselnder Reisebericht, vielen Dank, und tolle Bilder! Ganz viel Spaß zu viert nun, und can’t wait for your next blog.

travelmisssanny
Ganz große Klasse!!!💯 Reise total mit. Pooooortuuugaaal, alle Erinnerungen sind sofort abrufbar. Freu mich auf alles was noch kommt. Keep it up.....🤘

John & Suzi
Danke für eure lieben Kommentare!

Nadja
Das liest sich so schön und ich möchte da auch mal hin. Ganz viel Spaß euch noch.

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