Cassiopeia
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Südgoa - Indien

Veröffentlicht: 21.10.2023

Nach der Höllenfahrt mit dem Zug kam ich fix und fertig um 2 Uhr nachts in der Nähe von Goa an und wartete auf meine nächste Verbindung die mich dann nach Goa hineinbringen würde. Die 2h Wartezeit schlug ich damit herum mit meiner Cousine in Argentinien zu telefonieren, durch den nach Urin und Ausscheidung riechenden Bahnhof zu schlendern und mich durch die dutzenden am Boden liegenden Wohnungslosen Menschen zu schlängeln. Als ich dann endlich in Goa ankam musste ich jedoch noch 4h tot schlagen, da ich erst dann in mein Hostel einchecken konnte. Drum schlenderte schlaftrunken zum Strand, legte mich auf den Sand, hörte den zerfallenen Wellen ruhig zu während die Kühe sich in einem sehr gemäßigten Tempo über den Strand auf einen Spaziergang machten und die Sonne allmählich aufging. Nach einem wohligen powernap am Strand frühstückte ich im überteuerten Goa und duschte mindestens 15 Minuten den ganzen Dreck und schweiß der Zugfahrt runter.

Wie neu geboren lümmelte ich mich in den Gemeinschaftsbereich bis ich einchecken durfte um dann erstmal ordentlich zu schlafen. Aber nichts da! Als ich kurz zwei Backpacker fragte wo man sich hier am günstigsten einen Roller mieten könne, luden sie mich ein mit ihnen frühstücken zu gehen und den Tag mit ihnen zu verbringen. Meine Müdigkeit war wie weggeblasen und ich schloss mich ihnen glücklich an. Wir fuhren zu einem Fluss in dem wir wie kleine Kinder gegen die Strömung versuchten anzuschwimmen oder sie als Strom nutzten um uns kraftlos treiben zu lassen. Es tat richtig gut mein inneres Kind wieder heraus zu lassen :) den restlichen Tag verbrachten wir an einem Wasserfall und in einem Klamottenladen in dem ich meine Kleidungsauswahl auf der Reise Mal so richtig unkrämpelte und jetzt wie ein richtiger Hippireisender aussehe. Da ich schon Horrorgeschichten über die Versandzeiten von Paket nach Europa hörte, machte ich mich kurz entschlossen auf die Suche nach Weihnachtsgeschenken für meine Familie und Freunde. Bei 32°C und Tropenwetter kam ich aber warum auch immer nicht in die übliche Weihnachtsstimmung und verspürte auch nicht den Drang Frank Sinatra zu hören während ich den Teig geschickt heimlich vernasche, den meine Mutter für den ganzen Dezember eingeplant hat.

Unter meiner kleinen Truppe war eine 29 jährige gut aussenden Französin, ein klischeehafter, aber super netter, weißer Tourist aus Australien, der immer alles dabei hatte und selbst nach drei Monaten Indien durch meterdicke Schichten von Sonnencreme immernoch mamorweiß war und zwei Inder. Der eine hieß Aman und ich fande ihn am Anfang ehrlich gesagt ein wenig anstrengend und kindisch, da er sich beim Schwimmen im Wasser benahm wie ein Welpen der zum ersten Mal dieses Abenteuer erleben durfte. Wie sich dann aber im Nachhinein herausstellte konnte er gar nicht schwimmen und war deswegen so aufgeregt. Im Laufe des Tages fing ich dann immer mehr und mehr an ihn zu bewundern. Trotz seiner spielerischen Seite war der Inder, den ich für Ende 20 hielt, aber in Wahrheit 21 Jahre alt war, ein sehr respektvoller, intelligenter und charmanter junger Jurastudent. Er hatte einfach eine Art mit Menschen umzugehen die ich so noch nie gesehen habe, nirgendwo anzuecken und jedem einen Grinsen hervorzulocken. Den Abend verbrachten wir, indem wir uns den Sonnenuntergang an einer Klippe anschauten, noch eine Runde baden gingen und zum Schluss ein paar Runden Billard im Hostel spielten.

Am nächsten Morgen gingen wir dann noch in einem europäischen Kaffee brunchen wobei ich mich bis heute nicht an die verwestlichen Restaurants hier gewöhnen kann und jederzeit ein heruntergekommenes, kleines lokales Geschäft mit traditionell indischen Essen vorziehen würde, auch wenn das bedeuten würde Dahlcurry um 9 Uhr morgens zu essen. Als sich dann Aman, die Französin und der Australier verabschiedeten, fuhren der andere Inder, Kuschal, und ich mit seinem Motorrad noch zum zweitgrößten Wasserfall Indiens. Da ich mir in der Region von Kaschmir, ganz im Norden Indiens, auch an Motorrad ausleihen möchte fragte ich Kuschal ob ich mit seinem auch mal fahren dürfte, um mich schon einmal daran zu gewöhnen . So düsten wir ,er als Sozius , durch die dschungelartige Landschaft Goas und redeten über die Unterschiede der deutschen und der indischen Kultur die schier unendlich sind. Durch meinen Schlafmangel war ich leider an diesem Tag nicht zu so viel zu gebrauchen, konnte jedoch den Anblick dieses Monstrums genießen. Wir saßen dann einen Platzregen noch bei einem Chai Massala und einer Portion Magginudeln aus (Maggi ist hier in Indien ein richtiges Nationalgericht geworden, worauf die Inder auch sehr stolz sind. lustig). Abends gingen wir dann noch etwas essen und ich fing an mich mit ihm über Politik zu unterhalten und ab da wurde der Abend leider recht unangenehm. Auch wenn ich ihn an sich sehr nett und sympathisch fand, war er das in unsere Konversation/Diskussion nicht mehr. Wir redeten über den Kaschmirkonflikt zwischen Indien und Pakistan, die BJP (die regierende Partei Indiens) und über den Krieg am Gazastreifen. Er ließ mich einfach nicht zu Wort kommen, ist schon mit der Intention in das Gespräch gegangen nichts dazu zu lernen, sondern nur seine Meinung kunt zu geben und nutze perfide Argumentationstaktiken. So verkündete er seine persönliche Meinung zu einem Thema, z.B. "Ich finde es schlimm wenn die Muslime hier im Land bei einem Anschlag auf die Straße gehen und den Terroristen zu jubeln." Er ließ mich gar nicht erst entgegnen, dass das viel zu pauschalisiert ist. Stattdessen kam dann immer die selbe Frage: "So you tell me know...", z.B. "findest du es nicht auch schlimm wenn Religionen so blind und radikal werden?".

Ja, natürlich finde ich das auch, aber hat es nichts mit der Aussage zuvor zu tun. Wenn ich ihm jetzt jedoch recht gebe, stimme ich ihn aber auch in seiner ersten Aussage zu, wenn ich verneine, dann bin ich ein religiöser Fanatiker. Somit zwingt er mich ihm zuzustimmen und lässt mir natürlich auch keine Zeit um ein differenziertes Argument zu entgegen. Irgendwann habe ich genug von diesem Monolog, seiner islamfeindlichkeit und der Überzeugung die BJP führe zu sozialen-, ökonomischen- und politischen Fortschritt und die Kongresspartei verkörpere all die Tiefen des Landes. Also antworte ich immer nur knapp mit einem "mhm" oder einem "yeah, I understand" und schaue ihn nicht mehr an, doch möchte er einfach die Stimmung im Raum nicht lesen, dass ich keinerlei Interesse mehr hatte mit ihm zu reden. Irgendwann log ich ihn an, dass ich noch zu einem Telefonat verabredet sei und jetzt gehen müsse. Tatsächlich rief ich dann nochmal meine Cousine, Malte und Eva an mich wieder wohl zu fühlen. Der nächste Tag war Entspannung pur. Ich schlenderte lediglich über alle Strände die ich finden konnte, ging schwimmen, kletterte und machte Yoga beim Sonnenuntergang am Strand. Dann drehte ich den Techno in meinen Kopfhörern auf und düste mit einem Freiheitsgefühl wie ich es selten hatte zurück zum Hostel.

Am letzten Tag versuchte ich dann die Weihnachtsgeschenke und noch ein, zwei Sachen von mir, die ich doch nicht brauche, heim zusenden. Da ich hier seit 1½ Monaten auf das Tragen von Unterhosen und Socken verzichte, da es einfach viel zu heiß ist, schickte ich einen Teil zurück und musste Aman seine vergessenen Schuhe nach Delhi nachschicken. Es hat mich drei Stunden und jede Menge Nerven gekostet diese verdammten Pakete nach den Vorgaben der Poststation so zu verpacken, dass man sie verschicken darf. Dann traf ich drei indische Geschäftsmänner, die mich versuchten in ein vermutlich betrügerisches Geschäft hinein zu ziehen. Warum vermutlich? Nun, ich konnte einfach keinen Haken an der Sache finden, war aber dennoch natürlich mehr als skeptisch. Als ich dann die Stimme der Vernunft, in Form meines Vaters, danach fragte, riet er auch davon ab irgendetwas mit diesen Leuten zu machen, auch wenn er ebenso nicht sofort den Haken finden konnte. Ich war von meiner eigenen Dummheit genervt, dass ich nicht sofort "Nein danke" sagte und zuließ, dass diese kleine Gier in jedem Menschen nach einfachen Geld, mein Bewusstsein kurz trübte. Das ist so ein Thema in dem ich einfach noch viel zu lernen habe und noch kein realistisches Bild der Situation besitze, doch arbeite ich jetzt weiter daran.

Daraufhin traf ich noch einen Inder der mir erzählte, dass die Bollywood-Studios in Mumbai nach weißen Europäern suchen, die in den Filmen als Statisten im Hintergrund herumlaufen. Er kenne einen Kameramann und könne mir vielleicht so etwas organisieren. Ich finde die Idee mehr als lustig und toll und Frage mich was man hier für verrückte Menschen trifft. Zuletzt kaufte ich noch ein Indienpatch für meinen Rucksack, den ein Schneider extra selbst anfertigte. Als er mich fragte wie groß dieser sein sollte, sagte ich ihm 6x4 und er nickte. Als ich zwei Stunden später kam um ihn abzuholen sah ich den Patch an und wusste sofort dass er viel zu groß sei. Als ich ihn darauf ansprach, hielt er ein Zentimetermaß dran und ich realisierte, dass Indien nicht das metrische System nutzt und der Schneider in Inches gerechnet hat. Da ich keine Lust habe noch einmal auf die Suche nach einem Patch zu gehen, der Schneider sich so viel Mühe gemacht hatte und ich schon bezahlt hatte, nahm ich ihn mit, schnitt ein Drittel ab und nähte ihn auf meinen Rucksack. Nur dass jetzt die indische Flagge um 90° gedreht ist und mich alle Inder fragen was das für eine Flagge sei, da sie denken dass es die meines Heimatlandes ist und nicht ihre Flagge, die ich kreativ umgestaltet habe. Also antworte ich jetzt einfach immer darauf, dass es in der Region meiner Heimat üblich sei, dass jede Familie eine eigene Flagge besitzt, das sei nun einmal Tradition und so trage ich meine Familie immer mit mir. Wenn die Inder die Ähnlichkeit der Farben zu ihrer Flagge ansprechen, stimme ich immer leicht nervös lachend zu. "What a coincidence, He?".

Südgoa war vorallem Entspannung und ich freue mich wie ein wildes Wiesel auf meine nächste Etappe: Hampi.

Aber dazu ein nächstes Mal :)

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