Cassiopeia
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Vagamon, Kumily - Indien

Veröffentlicht: 10.10.2023

Das Hostel in dem ich in Vagamon unterkam war mitten im Nirgendwo und hatte einen wundervollen Ausblick auf die Berge Keralas. Da ich mir am Abend zuvor den Vorsatz machte, heute einen besseren Tag zu haben und ihn mit Optimismus zu starten, machte ich das dann auch einfach. Heute wollte ich nämlich den ganzen Tag wandern gehen und ich merkte abermals, dass ich es absolut liebe und genieße mich über Bergkämme zu hieven, durch Täler durch zu schlendern, über Bächer zu springen, durch Flüsse zu stampfen, von Stein zu Stein zu hüpfen, mich durch Unterholz durchzuschlagen, durch Dschungelgestrüpp zu kämpfen, über Baumstämme zu balancieren, Felswände hochzuklettern und sich in Bergseen abzukühlen. Also machte ich genau das an diesem Tag und merkte wie die Freude und Glücklichkeit wieder in mir Anstieg und ich wie ein Kleinkind an den Wasserfällen herum tollte und versuchte Fische mit den Händen zuschnappen.

Zur Halbzeit gönnte ich mir an einem kleinen Stand dann noch einen Chai Massala und drei fritierte Bananen bevor es dann zum klettern ging. Barfuß, mit Rucksack bewaffnet und verwirrten Blicken indischer Touristen kletterte ich am eigentlich höchsten zu erreichenden Punkt des Gipfels dann noch die nächsten ca. 15m an den WIRKLICH höchsten Punkt des Gipfels, an dem ich dann alleine die 360° Aussicht mit meinem Kreutzworträtselbuch und meiner Abenteuerlplaylist genießen konnte. Zum Hostel zurück nahm mich jemand auf seinem völlig kaputten und verrosteten Roller mit und versuchte mir dann am Ende noch Magic Mushrooms zu verkaufen. Dankend verneinte ich sein Angebot und ging mit einem anderen Inder noch zu einem anderen Wasserfall an dem ich dann die Bekanntschaft mit jemanden machte, die ich seit meiner Ankunft in Indien gesucht hatte. Ein Kardamom-Farmer saß da interessanter Weise mit seiner 3 tausend Euro Drone und fragte mich ob er Aufnahmen von mir machen könnte. Ich stimmte ein und er erzählte mir er sei unter den top drei indischen Reise-contant-creatorn und zeigte mir sein Instagram mit einer halbe Millionen follower. Das war zwar ganz interessant und cool, aber hatte er nicht gerade in unserem Gespräch erwähnt er sei eigentlich Kardamomfarmer? Ja, das hatte er!

Drei meiner Zieler für meine einjährige Reise konnte ich jetzt schon abhacken: mit Elefanten arbeiten, auf eine fullmoonparty im Dschungel gehen und surfen lernen. Als nächstes stand drauf, auf einer Teeplantage in Indien für ein paar Tage zu arbeiten. Nachdem ich also ergebnislos viele Leute fragte ob sie mir bei meinem Vorhaben helfen könnten dachte ich mir schon, dass ich mir ein zu ambitioniertes Ziel gesetzt hatte. Doch stand ich jetzt vor einem Farmer, der 50km von dem Dorf wohnte in dem ich auf einer Teeplantage arbeiten wollte. Also fragte ich ihn ob er Kontakte hätte und nach drei Telefonaten schickte er mir einen Kontakt und sagte ich könne kommenden Dienstag anfangen. Ich konnte mein Glück nicht ganz fassen und bedankte mich unaufhörlich bei ihm.

Zum Abend traf ich dann noch die fantastisch liebe Inderin Shubhangi und den, wenn man ihn ersteinmal kennenlernte, richtig angenehmen Cori aus der Niederlande. Mit Shubhangi unterhielt ich mich beim Lagerfeuer noch bis spät über die Gesellschaften und die Liebe. Als sich die anderen langsam richtung Bett machten fingen wir an zu Bollywoodmusik zu tanzen und dann machte ich auf ihren Laptop die JustDance Tänze zu "Rasputin" und "Moskau" an und zeigte ihr meine eingeübte Choreo, welche ich mit einer guten Freundin im ersten Lockdown bis zum Umfallen tanzte. Ziemlich amüsiert spielten wir dann noch Caromm und Tischtennis bis zwei Uhr Nachts, wobei der Abend mit einem Zehanstoßer von mir endete der meinen linken 'Zeigezeh' :p in einen purpurroten Fleischklops verwandelte. Wir verabredeten uns, uns in zwei Tagen wieder in einem anderen Hostel zu treffen, denn ich musste jetzt weiter wandern. Nein, ich wollte.

Um ehrlich zu sein gibt es über den nächsten Tag keine sonderlichen Ereignisse zu berichten, bis auf zwei. An einem Aussichtspunkt auf einem Berg verwickelte mich ein Inder in ein Gespräch, was vielmehr ein Monolog seinerseits war. Ich verstand sein schlechtes Englisch und seinen Akzent in keiner Weise und wollte ihn aber auch nicht unhöflich abwinken. So nickte und grinste ich freundlich 10 min bei seinem Vortag und warf ab und zu, zu Zeitpunkten die ich für sinnvoll hielt ein "oh yeah", "totally" oder "yeah, I understand" (Letzteres war eine dreiste Lüge meinerseits), ein. Am Ende stellte sich heraus, dass er mir seinen Buisnisplan darlegte, mit dem eigentlich jeder reich sein könnte wenn ich nur in seine Aktien investierte.... 

Nachdem er sich 10 min so sehr bemühte seine akademischsten Englischvokabeln heraus zu suchen und mir eine finanziell mehr als ansprechende Zukunft versprach und mich fragte ob ich in das Geschäft mit einsteigen möchte, schaute ich ihn für drei Sekunden mit einem nichts aussagenden Blick an, sagte kurz und knapp "nö", drehte ihm den Rücken zu und ging davon. Aber Mal ernsthaft, was hat der denn auch erwartet? Auf einem Berg, einen weißer Tourist, gebrochenes Englisch, kennt meinen Namen noch nicht einmal und fragt nach einer finanziellen Invest von mehren Tausend Euro. Ufff... schwierig.

Auf dem Weg zum nächsten Dorf tuckerte auf der Schotterpiste im Regen neben mir ein heruntergekommener Mikra vorbei in dem ich schon aus den Augenwinkel 7 Menschen im Fünfsitzer ausmachen konnte. Das Auto kam 20 Meter vor mir zum stillstand und eine auf den ersten Blick aussehende Indern stieg aus und lächelte mir zu. Nach dem ersten Wort aus ihrem Mund wusste ich aber sofort, dass da keine Inderin vor mir stand, sondern eine ureingeborene Texanerin. Mit der texanisch typischen Offenheit, Lockerheit und dem einzigartigen Akzent erklärte sie mir, dass sie gerade ihre Familie hier besuche, mich hier im Regen sah und sich mich doch bitte in das nächste Dorf mitnehmen könnte. Glücklich quetschte ich mich zu den anderen sieben Insassen und die drei Kinder wurden von der Texanerin wie es nur eine Tetrismeisterin hätte schaffen können auf die Schöße von allen verteilt. Ich genoss die Abwechslung der Mentalität, hörte mit einem großen Grinsen und leichten Schmunzeln ihren vielen Flüchen und authentischen "oh hell no", "I swear by Jesus", "but damn" und "oh f*ck no" zu. (Man muss sich den texanischen Akzent bitte beim Lesen vorstellen). Nachdem ich dankend ihre Snacks ablehnte, da ich gleich etwas großes essen wollte und sie mich an der nächsten Kreuzung raus ließ, kam sie fünf Minuten später wieder zurückgefahren, da ihre Familie ein schlechtes Gewissen hatte, da... ich verstand es auch nicht ganz und verstehe es immernoch nicht. Auf jeden Fall waren sie traurig, weil ICH Hunger hatte und sie luden mich zum Abendessen morgen Abend bei ihnen ein. Ich war total gerührt, musste aber leider absagen, da ich schon am nächsten Tag richtung Teeplantage weiter fuhr. 

Ich liebe die Menschen hier (die schlechten Erfahrungen zwei Tage zuvor waren mir dann schon fast komplett aus dem Gedächtnis, bzw. nahmen einen sehr viel geringeren Stellenwert ein).

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