Cassiopeia
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Hampi - Indien

Veröffentlicht: 24.10.2023

Wow. Einfach nur wow. Egal mit welchen Worten ich diesen Ort nun versuchen werde zu beschreiben, diesem Anblick werden meine und auch niemanden andere Worte gerecht.

Eine Landschaft, die eine Mischung aus dem dritten Indiana Jones Teil, einem exotischen Planeten aus Star Wars und der Vorstellung wie die neolithische Revolution am Nildelta aussehen musste. Die 2,5 Mrd Jahren urzeitlich alten Gesteinsformen wirken so anthropologisch platziert und zeitgleich kommt in einem bei diesem Anblick das Gefühl hoch, dass Natürlichste zusehen was auch nur irgendwo existieren kann. Diese Natürlichkeit hat durch die wenige Vegetation den Anschein einer Statik und Endlosigkeit die so unglaublich wirkt, dass man sich durch diese Schönheit respektvoll hindurchbewegt ohne auch nur eine Spur menschlicher Anwesenheit zu hinterlassen. Die Stadt wird von einem Fluss geteilt, wobei südlich dessen die Ruinen der alten Tempelanlagen in der Landschaft verstreut sind und nördlich vom Fluss die Felsformationen einen dem Atem rauben. Die Felsen eignen sich hervorragend zum bouldern, klettern und als Hindernissparkour. Während man also da mit kalkbepuderten Händen und schmerzenden Fingern an den Steinen hängt während die Sonne einen bruzelt und realisiert, dass diese Felsen halb so alt sind wie die Erde, bekommt man eine unfassbare Naturverbundenheit.

Ich glaube ich bin auch noch nie so warghalsig und gefährlich geklettert wie dort, was vor allem an meiner Dickköpfigkeit liegt. Als ich die normalen Route alle gebouldert hatte, kreiste mein Blick um eine riesige Felsformation in der Ferne und ich sprach zu mir laut ohne nachzudenken "Da will ich drauf!". Das Problem war nur, dass die Felsen von einem grünen Kranz von Dornen umgeben war und ich schwöre bei meiner Dickköpfigkeit, dass ich mich noch nie durch solch aggressive Dornen gekämpft habe. Ich brauchte für 20 Meter durch das Gestrüpp 30 Minuten und kam ohne zu übertreiben blutend und komplett durchgeschwitzt an der anderen Seite heraus. Ich fühlte mich wie in Stacheldraht verhakt, den ich mit einigen Verlust von Haaren und Löchern in meinen Klamotten herausziehen musste. Als ich dann endlich an den Steinen ankam schlüpfte ich mit meinen blutigen Füßen in die Kletterschuhe und begann den Aufstieg, in dem immer wieder knifflige Züge über 10-20 Meter tiefe Abgründe den Weg vorgaben. Ich war selten so konzentriert und vorsichtig, wie in dem 1½ stündigen Aufstieg und musste permanent an den Abstieg denken, der meistens schwieriger und risikoreicher ist. Die Aussicht machte all die Anstrengung in einem Augenblick jedoch wet und präsentierte mir eine Landschaft die keine Kamera und kein Maler jemals so festhalten könnte wie sie hier vor mir existierte. Und um meine Familie zu beruhigen, sage ich noch dazu, dass meine Selbsteinschätzung immer vor meiner Abenteuerlust stand ;)

Den Rest der Zeit verbrachte ich damit, mit einem Roller durch die Landschaft zu fahren, dabei Herpa Kerkelings "Ich bin dann Mal weg" zu hören und mit anderen Klippenspringen zu gehen. Das lustige Hörbuch über den Jakobsweg brachten bei mir wieder schöne Erinnerungen, an die Zeit in der ich den Jakobsweg gepilgert bin, hoch. An die Einzigartigkeit dieses Weges und wie anders das Pilgern vom Backpacken ist. Nicht nur das beim Camino all die Menschen den selben Weg laufen und man manche Wochenlang begleitet, sondern auch den nicht beschreibbaren Einfluss des Weges auf einen selber. Schön war diese Erfahrung :)

In Hampi sind wenige Backpacker unterwegs und so verbringe ich die meiste Zeit alleine und fange an mir bei den Wanderbegenungen Herpa Kerkelings mich nach Menschen zu sehnen und zu fragen was das viele Alleinsein während dem Jahr mit mir machen wird. Zeitgleich ist es auch eine irrationale Angst vor dem Alleinsein, da man ja alle paar Tage neue Leute trifft, doch ist die Beständigkeit dieser Begegnungen meist ziemlich kurz. Bei mir schwirren Gedanken im Kopf herum, wie dass ich die Fähigkeit verliere sozial interagieren zu können und auch einen Teil meines kindlichen Verhaltens auf dem Weg lasse. Wenn man alleine Unterwegs macht man nun einmal viel weniger Blödsinn und ich hatte/habe Bedenken, dass ich diese Seite durch die Vernachlässigung verschwinden lasse. Ich möchte nun einmal nicht erwachsen sein, also ja, eigentlich schon und in vielen Aspekten trifft das auch schon zu. Vielmehr möchte ich die kindliche Kreativität, den Optimismus, die Faszination für alles und jeden und die Leichtigkeit nicht verlieren. Dann denke ich mir wiederum, wenn ich am Strand sitze, einen Fetzen Stoff sehe und mir eine abenteuerliche Geschichte hinter diesem Tuch vorstelle, dass ich dagegen aufjedenfall passiv ankämpfe.

Vielleicht gab es ja Mal eine Shadira, die Tochter eines wohlhabenden Kaffeeplantagen Besitzers, die eines Tages einen jungen Araber aus Jemen auf ihren Feldern sah. Ihre Blicke fingen sich und eine wärme, wie sie sie noch nie gespürt hatte, kam in ihr auf. Sie trafen sich heimlich und immer nur für maximal fünf Minuten um nicht entdeckt zu werden. Würde das junge Mädchen aus der hohen Kaste mit einem Weisen der aus finanzieller Not als Gastarbeiter kam, gesehen würde, würde der schüchterne Junge im besten Fall nach Hause geschickt werden, wenn nicht verstümmelt werden. Als der Vater dann eines Tages Shadira ihre arrangierte Ehe mit einem wohlhabenden Landbesitzer aus Pune vorschrieb, ergriff die Panik Sie und Shadira ging zum jungen Abraham um ihn die schlimmen Nachrichten zu erzählen. Abraham gab ihr daraufhin seinen Sonnenschutz auf dem Kopf, da er nicht mehr hatte, als Erinnerung und Zeichen ihrer Liebe. Zwei Monate später und eine Woche vor der ihrer Hochzeit wurde Abraham plötzlich in seine Heimat deportiert und Shadira war am Grunde zerstört. Sie schlich sich Nachts heraus und baute sich in einer kleinen Bucht ein Bambusboot, mit dem sie sich vornahm das arabische Meer bis nach Jemen zu bewältigen. In der Nacht vor ihrer Hochzeit machte sie sich dann bei Sturm und Regen heimlich zum Boot, drückte Abrahams Sonnenschutz an sich und stieg voller Sehnsucht in das Boot. Sie kam keine 100 km weit, als die Strömung und die Wellen ihr Floß kenterten. Tage nach dieser Nacht wurde dann Abrahams Sonnenschutz hier an der indischen Küste angespühlt und liegt jetzt vor mir. Vielleicht ist dieser Fetzen Stoff auch nur ein kaputtes Shirt das jemand hierhin geschmissen hat. Aber meinen Version ist irgendwie aufregender :D irgendwie muss man halt all die Mysterien und den Input dann doch verarbeiten.

Am letzten Abend schaute ich mir dann noch den Sonnenuntergang an einem Affentempel auf einem Berg an, von wo man eine 360° Aussicht über die nächsten ca. 60km hatte, und freute mich schon auf die Sozialisierung Nordgoa. Wie der Zufall es so wollte, kam plötzlich eine Gruppe von Russen hochgekrakzelt und fragte, ob ich lust hätte mit ihnen eine Ganjapfeife zu rauchen. Ich lehnte nett ab und dachte im selben Augenblick: "Du rauchst jedes Jahr zwei Mal Gras und hast es dieses Jahr noch nicht gemacht. Jetzt bist du hier oben an dem vermutlich schönsten Ort der Welt und deine dickköpfige Ablehnung von Drogen hindert dich jetzt daran einen verdammt lustigen und geselligen Abend zu haben!". Also sagte ich vorsichtig, dass ich aber vielleicht eine Ausnahme machen würde und setzte mich zu der lustigen Auswandertruppe aus Moskau. Ein bisschen benebelt mit dem "best of" Album von Bob Marley (wie es sich nun einmal gehört) kicherten wir also, sangen unsere Lieblingslieder, tanzten und genoßen den Ausblick. Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidungen :)

Die Rückfahrt mit dem Nachtbus fühlte sich leider so an, als ob ich mich direkt auf die Pforte des ewigen Infernos zu bewegte, was mich wundert, weil die Hinfahrt eingentlich ziemlich angenehm war. Aber bei der Buchung für die Rückfahrt machte ich zwei entscheidende Fehler.

1. Ich hatte einen Liegeplatz der nicht parallel zur Straße, sonder orthogonal lag. Das Problem ist, dass liegenden Menschen ungefähr wie Zylinder geformt sind und wenn man parallel zur Straße liegt und der Busfahrer bremst oder beschleunigt man sich nur leicht nach vorne, bzw. hinten bewegt. Wenn man dann aber um 90° gedreht zur einwirkenden Kraft liegt, rollte man wie ein Baumstamm hin und her.

2. Ich buchte den letzten Platz (hinter den Hinterrädern) und lernte weiter physikalische und mechanische Prinzipien. Wenn der Bus über ein Schlagloch fährt (und die Straßen Indiens sind nun einmal inspiriert vom Schweizer Käse) übertragen die Stoßdämpfer die Kraft auf die Fläche um ihnen herum. Wenn man nun weit weg und zwischen den Reifen liegt verteilt sich die Kraft, denke ich zumindest, auf die große Fläche. Wenn man nun aber in diesem kleinen Stück hinter dem Hinterreifen liegt, ist da nicht viel zum verteilen und man hüpft wie ein Frosch herum. So war die Rückfahrt eher ein Schleudergang einer Industriewaschmaschine und ich wurde fast verrückt.

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