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Mein kleines Hide-Away im Herzen der ligurischen Berge

Veröffentlicht: 17.10.2020

Frisch gestärkt aber deutlich ärmer startete ich in den nächsten Tag. Die anstehenden zwei Etappen sollten etwas kürzer sein mit einer weiteren Nacht im Freien dazwischen. Dementsprechend gemütlich ließ ich es angehen. Mit etwas Mühe erreichte ich nach einiger Zeit auch schon die nächste Passhöhe, und von da aus sollte es über eine Fahrstrasse nur noch ein paar Kilometer bergab gehen. Um die Mittagszeit war der Tag also schon beinah gegessen. Ich war vollkommen tiefenentspannt. Bis mein Hirn plötzlich in den Panikmodus wechselte.

Denn wo zur Hölle war denn mein Personalausweis geblieben? Wie in Italien üblich hatte ich ihn gestern Abend meinem Gastgeber überlassen. Aber heute morgen hatte er wohl vergessen ihn mir zurückzugeben. Und ich hatte dummerweise auch nicht mehr drangedacht. Also was jetzt tun? Zurückfahren war keine Option, da würde ich einen ganzen Tag verlieren, und müsste nach einem zweiten Abendessen in dem einzigen Restaurant dort wohl Privatinsolvenz anmelden. Meine erste Idee war, mir den Perso an eine zukünftige Unterkunft schicken zu lassen, aber auch da würde ich viel Flexibilität verlieren. Also dachte ich, jetzt erst mal den Vermieter anrufen. Wir diskutierten etwas hin und her im Rahmen der Möglichkeiten seines brüchigen Englischs, er fragte wo ich derzeit bin, und wollte alles weitere erstmal mit seiner Frau besprechen. Ich radelte inzwischen weiter nach Cabanne, einem kleinen Weiler, und kontaktierte den Vermieter von da aus nochmals. Er schlug dann tatsächlich vor, dass er vorbeikommen könnte mit meinem Perso. Wow, das war für ihn immerhin 50 Kilometer und eine Stunde Autofahrt entfernt. Ich wartete also in der örtlichen Bar, und tatsächlich, nach eineinhalb Stunden traf er ein, und wedelte fröhlich mit meinem Perso. Ich war voll des Dankes, dass er mir so selbstlos aus dieser misslichen Situation half. Es konnte also wieder weitergehen.

Nach den vorherigen schönen Sonnentagen war das Wetter abermals im Begriff umzuschlagen. Niederschlag sollte noch auf sich warten lassen, aber es wurde grau-trüb herbstlicher. Nicht weit hinter Cabanne fand ich im Wald zwar einen guten Zeltplatz, aber in dem tristen Schwarzweiß war die Stimmung bei dieser mutmaßlich letzten Nacht Wildcampen doch eher bedrückend.

Am nächsten Morgen konnte ich mich dann etwas besser mit der Herbststimmung anfreunden. Erst ging es durch dichtes Gestrüpp bis zu einem in Nebelschwaden versteckt gelegenen Hexenhaus, und von da an über Forstwege weiter durch herbstlich-bunten Laubwald voll von Kastanien und rot leuchtenden Pilzen. Ich kam mir überhaupt nicht mehr so vor als wäre ich in Ligurien, sondern eher als hätte man mich mal kurzerhand in den Pfälzer Wald gebeamt. Vorbei an unzähligen, mit riesigen Körben bewaffneten Pilzesammlern und in Tarnkleidung ausstaffierten Gruppen von Jägern erreichte ich schließlich mein Tagesziel, die verschlafen in den Bergen liegende kleine Ortschaft Santa Maria del Taro.

Die heilige Dreifaltigkeit aus Alimentario, Bar und B&B war glücklicherweise gegeben, denn ein garstiger Regentag war angekündigt, so dass ich es mir hier jetzt unbedingt bequem machen sollte. Und das funktionierte ausgesprochen gut, denn meine Unterkunft war mit das Beste auf meiner ganzen bisherigen Reise - eine komplett eingerichtete und voll ausgestattete Wohnung im Seitenbau eines Bauernhofes. Total urig möbliert, mit Holzofen und sogar einer schnellen WLAN-Verbindung. Nicola, der sehr freundliche  Besitzer, servierte außerdem ein umwerfendes Frühstück mit lokalen Produkten wie selbst gemachtem Käse und frischer Ziegenmilch. So ließ sich ein nasskalter Herbsttag doch bestens aussitzen. Ich hatte mein perfektes kleines Hide-Away im Herzen der ligurischen Berge gefunden.

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