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elendiger Regen

Veröffentlicht: 10.01.2023

Ich habe mein erstes Erdbeben hier miterleben dürfen. Morgens 5:30 gab es plötzlich einen mächtigen Ruck. Ich dachte unwissend der Wind hat unsanft die Tür zugeschlagen und bin wieder in den Schlaf gefallen. Am Morgen erzählten dann alle von dem Erdbeben. Eigentlich bin ich kein ängstlicher Typ, maximal n paar soziale Ängste die mich plagen, aber vor was ich richtig Respekt und Ehrfurcht habe, sind Naturgewalten. Bin auch schon etwas gespannt, was mich dann auf den pazifischen Inseln erwartet, wo große Vulkane sind und es kräftig Stürmen und regnen kann.

Auch wenn das Wetter in den letzten Tagen im buddhistischen Zentrum sehr verregnet war, war es doch ein schöner Abschied. Am letzten Abend kochten dann noch Kara und Carey für mich und wir saßen in einer größeren Runde zusammen, was mir den Abschied dann noch etwas schwerer gestaltete.

Dann stand doch eine etwas längere Reise vor mir und ich hatte Bedenken, dass ich die 500km bis nach Gisborne vielleicht mit Trampen nicht schaffen werde. Dankbar war ich dann, als Susi und Katharina ihre Ausflüge nach meinen Plänen anpassten. Susi fuhr mich am Morgen nach Coromandel, wo sie einkaufen ging und von da aus nahmen mich Katharina und Dug mit, welche etwas in Hamilton zu erledigen hatten. Somit hatte ich die ersten circa 100km geschafft. Und das Glück war auf meiner Seite und zunächst nahm mich eine Frau für circa 45min mit und dann hielten Shane und Chantal an und ließen mich mitfahren.

Wir verstanden uns direkt gut und sie baten mir an, doch bei Ihnen eine Nacht zu schlafen und mir etwas ihr zuhause und ein paar Bilder aus der Vergangenheit zu zeigen. Ich stimmte zu. Die beiden hatten viel zu erzählen und wir hatten viele ähnliche Interessen. So war Chantal Südafrikanerin, welche auf Grund der hohen Kriminalität nach Neuseeland kam. Sie arbeitet als Yogalehrerin und ist sehr interessiert in Buddhismus und Shane ist Kiwi, leidenschaftlicher Jäger und Angler. Sie hatten sich vor 2 Jahren entschieden aus der Stadt aufs Land zu ziehen und ein 25ha großes Grundstück erworben. Sie kauften ein gebrauchtes Haus in der Stadt und ließen es von einem Unternehmen auf ihr neues Grundstück transportieren. Dafür musste man das Holzhaus für den Transport in 3 Teile teilen, welches dann auf ihrem neuen Grundstück wieder zusammengesetzt wurde. Sie hatten nun dort Schafe, einen großen Gemüsegarten, pflanzten viele unterschiedliche Obstbäume und Chantal bekam zusätzliche von Shane eine Halle gebaut, in der sie Yogaunterricht gab.

Shane stellte mich dann seinen Hunden vor. Es waren 7 ausgewachsene und 7 Welpen. Er hat einen sehr hohen Verschleiß durch seine Jagd. Es gibt in Neuseeland, anders als in Deutschland, eigentlich keine Einschränkungen bei der Jagd von Tieren. So sind alle Fallenjagden erlaubt, das Bejagen aus fahrenden Fahrzeugen und eben die Hetzjagd, wo Hunde die Tiere aufstöbern und so lange jagen, bis sie es stellen. Der Jäger kommt dann und erlegt es meistens mit einem Kehlenschnitt, der Pistole oder einer Schrotflinte. Tierschutzrechtlich in meinen Augen bedenklich, aber anderes Land andere Sitten. Und beim Stellen der Wildtiere kommt es dann immer wieder zu Kämpfen, wo Hunde durch Geweihe oder die Hauer der Wildschweine ums Leben kommen.

Für Jäger ist Neuseeland wohl allgemein ein Eldorado, da es so wenige Einschränkungen und einen sehr hohen Bestand an Wild gibt. So wurden bei der Kolonialisierung unterschiedlichste Wildarten eingeführt, die sich aufgrund der nicht existierenden Prädatoren rasant vermehrten. So darf hier auch jeder jagen der will. Erst vor 3 Jahren wurde nach einem Terroranschlag, bei dem ein Mann 50 Menschen in einer Moschee ermordete, das Waffengesetzt verschärft. Somit brauch man zwar keine besonderen Kenntnisse für die Jagd, muss aber einen Waffenschein machen.

Shane ist auf jeden Fall sehr erfahren und hat mir ein Album mit unzähligen Wildschweinen und Hirschen gezeigt, welcher er erlegt hat. Zudem war er eine Zeit lang Angelguide und zeigte mir ebenfalls unzählige Fischbilder… ein Mann mit einem ausgeprägten Jagdinstinkt.

Dann berichtete er mir noch kurz von einer Schattenseite seines Lebens. So hatte er eine Frau, mit der er 2 Söhne hat. Mit der Frau ist er stark verstritten und er wisse nicht wo seine Söhne sich momentan aufhalten. Beide sind auf Abwege geraten und bewegen sich in kriminellen Milieus. Sein großer Sohn war wegen Raubüberfällen schon länger im Gefängnis und sein jüngerer Sohn tritt in seine Fußstapfen und ist wohl auch in schon mehreren Überfällen involviert gewesen. So wachsen in Neuseeland wohl hauptsächlich sogenannte ram-raids, bei dem Räuber mit dem Auto durch die Glasscheiben ins Geschäft unsanft eindringen und anschließend es ausplündern. Er hatte schon mehrere Gespräche mit seinen Söhnen und hat es aufgegeben ihnen zu helfen.

Am Abend servierte Shane Rotwildbratwürstchen, welche mich als halber Vegetarier in eine kognitive Dissonanz führten… sie schmeckten ausgezeichnet. Am nächsten Morgen fuhr er mit Freunden angeln und ich streckte wieder mein Däumchen aus, um von Whakatane weiter nach Gisborne zu kommen. Und es dauerte nicht lang und eine freundliche ältere Dame, ebenfalls mit einer aufregenden Lebensgeschichte, erbarmte sich und ließ mich mitfahren.

Nun bin ich in Gisborne bei Bernie. Sie arbeitet für die Regierung im Präventionsbereich und ist Chefin von einem 20köpfigen Team. Sie ist Halb-Maori und lebt neben ihrem Bruder und ihrer Mutter, wo auch ihre Großmutter und ihre Tante mit wohnen. Es ist eine riesengroße Familie und es ist hier ein kommen und gehen. Zuletzt wohnte plötzlich ihre Cousine für 2 Tage hier, welche aus Wellington zurückkam und eigentlich auch in Gisborne wohnt, sich aber erstmal hier bei Bernie einnistete. Beiden wussten nicht wie lang sie bleibt. Unglaubliche Offenheit und Vertrauen, was Bernie da ihren Mitmenschen gegenüber bringt. Sie ist ne Art Big Mama. Humorvoll, tiefenentspannt, fürsorglich, immer am Snacken und hat wohl dadurch ein paar Pfunde zu viel auf der Hüfte. Als ich sie fragte, ob sie Äpfel für Müsli hätte, schaute sie mich mit großen Augen an und wiederholte fragend „Apple“ und zeigte mir nur eine Konserve mit einem Apfel drauf. Das Wetter ist leider total bescheiden. Ein für diese Jahreszeit sehr ungewöhnlicher tropischer Wirbelsturm trifft gerade die Ostküste von Ostneuseeland und versetzt alles in einen kleinen und nassen Ausnahmezustand. So bin ich anstatt am Strand surfen viel neben Bernie auf der Couch, welche sich ebenfalls dafür entschied zuhause zu arbeiten. Wir schauen gemeinsam eine türkische historische Kriegsserie mit englischen Untertiteln auf Netflix. Infiziert von den Kriegsserien wurde sie, nachdem sie Last Kingdom und Wikings schaute. Die beiden einzigen Serien, die ich auch schaute. Nachdem sie diese geschaut hat, hat sie sogar ihre DNA für 100$ bestimmen lassen, um herauszufinden, ob sie skandinavische Gene hat. Und tatsächlich sind in ihrer DNA wohl schwedische Gene zu identifizieren. Naja, so sitzen wir hier nebeneinander, sie immer mal am telefonieren und stricken, ich immer mal am PC, drei verrückte Katzen springen hier rum, ein Hund vegetiert vor sich, alle paar Minuten löst noch ein Insektspray aus (was ich maximal eklig finde) und so harren wir hier aus. Witzig zu vermerken wäre noch, dass sie alle 2 Minuten circa n Bäuerchen machte und bei jeden etwas lauterem in einem betroffenen Singsang automatisiert „Pardon me“ sagt. Muss wohl irgendeine Refluxkrankheit sein, welche ich mir nur durch ihr ständiges Snacken von Allem erklären kann.

Achja, Bernie hat mir noch ihr altes Haus gezeigt, wo nun ihre Tochter wohnt. Dort stehen verschiedene Zitrusfruchtbäume. So habe ich ne Ugli-fruit, ne Tangelo und ne Orange gegessen. Die Orange und die Tangelo waren extrem lecker und ich kann nicht verstehen, warum die niemand abnimmt und Bernie lieber ihr Dosenobst isst.

Hoffentlich wird bald besseres Wetter, damit ich hier noch etwas die Gegend erkunden kann.

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