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Bei Tony in Cheviot und Geroge in Marahau

Veröffentlicht: 24.04.2023

Tony und Anna, meine Hosts bei denen ich als nächstes unterkam, wohnen direkt auf einer Steilküste mit schönster Aussicht aufs Meer in der Nähe von Cheviot. Von da kann man nicht nur wunderschöne Sonnenaufgänge bewundern, sondern auch mal Wale oder Scharen an Delphinen beobachten, wie sie zum Brüten oder Jagen vorbeiziehen. Anna war Kräutertherapeutin und Tony Lebensmensch, der mit handwerklichem Geschick und einem glücklichen Händchen beim Kauf und Verkauf von Grundstücken gesegnet war. Während Anna sich etwas verschlossener zeigte, erzählte Tony immer mal wieder etwas aus seinem 65jährigen Leben. So war sein Vater Alkoholiker und an Schizophrenie erkrankt, während seine Mutter sehr auf sich selbst bezogen war. So zog Tony bereits mit 15 aus und lebte mit Freunden in einer WG oder einsam in einem kleinen Häuschen direkt am Meer, abseits allen Trubels, wo er seiner Leidenschaft des Surfens nachgehen konnte. Er hatte 3 Geschwister, zu denen er heute keinen Kontakt mehr habe. Er lebte für 10Jahre in Europa, hauptsächlich in Rom, wo er in einer spirituellen Community sein Alltag gestaltete. Nach 10 Jahren kehrte er mit seiner italienischen Frau zurück nach Neuseeland und bekam 3 Kinder. Nach der Trennung von seiner Frau, haben bald die Töchter zu ihm und sein Sohn zur gesamten Familie den Kontakt abgebrochen. Traurige Geschichten, die Tony beim Erzählen auch sichtlich bedrückten. Und irgendwie war es mir auch schleierhaft, wie es zu so vielen Abbrüchen kommen konnte, auch weil Tony in meinen Augen ein netter Mensch war.

In der Zeit waren mit mir noch 2 Wooferinnen aus Frankreich bei Tony. Lilou und Indie. Zwei Geographiestudentinnen aus Bordeaux, die nach ihrem Bachelor sich eine Auszeit nahmen und etwas durch Neuseeland reisten. Zwei unfassbare lustige Personen, die eine wunderbare lockere Atmosphäre schafften.

Eigentlich hatte Tony mir versprochen, dass wir mit seinem Boot auf große Angeltour gehen, doch dieses war nach seiner letzten Tour in der Reparatur. So konnte ich mir nur die Geschichten von großen Thunfischen bis zu 90 Kilo und einem Drill von über 3 Stunden anhören. Ansonsten war die Zeit sehr von Arbeit geprägt. Während ich ihn half eine Hütte abzubauen, halfen die beiden Französinnen allen voran bei Gartenarbeiten. In meiner Freizeit erkundete ich dann die nahe Umgebung und machte fast hautnahe Begegnungen mit Robben.

Dann wurden wir zu einem kleinen Jetboot-Ausflug von einem Freund von Tony eingeladen. Er war ehemaliger Besitzer einer Baufirma und hat nach einem Herzinfarkt seinen Betrieb verkauft und widmet sich nun auch eher den entspannten Seiten des Lebens, wie Angeln und Boot fahren. Er erzählte uns, wie er manchmal mit seiner Frau Jetbootausflüge macht, bei denen sie sich samt Boot mit einem Hubschrauber in abgelegene Gegenden absetzen ließen und dann für ein paar Tage in der absoluten unberührten Wildnis Flüsse und Seen erkundeten, bevor sie sich von einem Hubschrauber wieder abholen ließen. Das stelle ich mir total aufregend vor, würde dann aber für solche Abenteuer womöglich mehr ein Kanu bevorzugen…aber das ist eben Neuseeland. Und so bretterten wir mit Percie den Flusslauf, immer nach tiefen Stellen suchend und den Sandbänken ausweichend, nach oben. An einer Stelle verschätze er sich, wodurch wir strandeten und dann alle gemeinsam das Boot zurück ins tiefere Gewässer hebeln und schieben mussten. Dann wendete er spektakulär und es ging den Flusslauf mit doppeltem Tempo wieder herab. Das Boot schafft es wohl auf 90km/h, doch er fuhr mit uns nicht im Vollgas, auch weil es mit vier Personen etwas behäbiger zu steuern sei. Naja, während Lilou und ich Spaß an der ganzen Sache hatten, zeigte sich Indie weniger begeistert. Auch wenn ich es bevorzuge die Natur mehr auf herkömmlicheren Gefährten zu bestaunen und zu genießen, war es doch ein spannendes Erlebnis und noch schöner mal wieder Zeuge der Freundlichkeit und Offenheit der Neuseeländer zu werden.

An einem anderen freien Tag machten wir einen Ausflug nach Christchurch, zu Tonys alter Heimat. Dort veranstaltete ein Surferfreund, welchen Tony seit seiner Geburt kennt, einen Surfkontest mit internationaler Beteiligung. Leider waren die Wellen etwas wild, wodurch es nicht zu den atemberaubenden Momenten kam, doch es war erstaunlich wie einfach diese Surfer das Wellenreiten aussehen lassen konnten.

Auch wenn es mir bei Tony sehr gefiel, verabschiedete ich mich nach einer Woche wieder und machte mich auf zu George, welche in der Nähe von Nelson direkt am Abel-Tasman-Track wohnt. Dieser gehört, wie auch der Kepler, Routeburn oder Milford Track zu den Great Walks. Trotz der langen Strecke, benötige ich diesmal nur 2 Mitfahrgelegenheiten um direkt vor der Haustür von George anzukommen. Das hatte ich aber vor allem Richard, einen Taiwanesen, der seit 6 Jahren in Neuseeland lebt und im Hotelbusiness arbeitet, zu verdanken. Er hatte an diesem Tag frei und wollte eigentlich nur einkaufen gehen. Hatte aber schon am Morgen einen Backpacker zu seinem Ziel gefahren und ich konnte ihn nun auch nicht davon abhalten keinen Umweg von über 2 Stunden für mich zu machen. Von George wurde ich mit einer warmen Umarmung und einem deftigen Abendessen begrüßt.

George ist 88 Jahre, hat 2 Wochen bevor ich zu ihn kam sein BnB-Business als beendet erklärt und möchte nun sein Leben mit weniger Arbeit genießen. Er liebt es von seinen Erfahrungen als Backpacker zu erzählen, welche er mit 70 Jahren das erste Mal machte. Er ist ein wahnsinns freundlicher, vertrauensvoller, offenherziger und lustiger Mann, der vor allem geistig sehr jung geblieben ist. Am meisten bewunderte ich seine Herzenswärme und Weisheit. So lebte er nach dem Vorsatz, dass man Besucher auf der Erde ist, Besitz nur eine menschliche Illusion sei und zu Gier und Eifersucht führt und am Ende des Lebens sowieso nichts bleibt. So versucht er möglichst viel zu teilen und zu geben, von dem ich Zeuge werden durfte. Ich arbeitete so wenig wie bei keinem anderen Host, obwohl ich ihn gern einfach geholfen hätte. Von den 10 Tagen die ich bei ihm verbrachte, arbeitete ich 4, da es seiner Aussage nach einfach nicht mehr zu tun gab. Anfangs hatten wir etwas Verständigungsschwierigkeiten, doch als wir zusammen den Film Boy, eine neuseeländische Produktion über das Leben eines jungen Maoris, anschauten, hatte ich die Lösung unseres Kommunikationsproblems identifiziert. Die Lautstärke war fast auf Anschlag und so erhöhte ich ebenfalls die Lautstärke meiner Stimme und unsere Konversationen verlängerten sich signifikant.

Eigentlich wollte ich von hier aus auch für ein paar Tage den Abel Tasman Track laufen, aber das Wetter war unbeständig und vor allem waren die Temperaturen nun schon etwas kühler. Daher habe ich immer mal kleine Tagesausflüge gemacht, Muscheln fürs Abendessen gesammelt, George Gesellschaft geleistet und explizit Zeit für Planung meines zukünftigen Lebens nach der Reise genommen… mit bisher wenig klaren Ergebnissen.

Doch nach Ostern gab es dann einen Tag, an dem es relativ warm und trocken bleiben sollte. So plante ich den Track an einem Tag zu laufen. Da es kein richtiger Rundweg war, bat mir George an, dass er mich am Ende des Tracks dann abholen könne, was ich dankend annahm. Eine Herausforderung war, dass ich bis morgens 11Uhr an einen bestimmen Punkt sein musste, da dieser nur bei Ebbe zu überqueren möglich war. Würde ich es nicht schaffen, müsste ich eine Nacht dort verbringen oder wieder zurücklaufen. Da dieser 30km entfernt lag, entschied ich morgens vor Sonnenaufgang zu starten und bis dahin zu joggen. Ich plante großzügig, so dass ich es eigentlich schaffen sollte. Doch es wurde zur Qual. Bis circa Kilometer 20 war ich gut durchgekommen und hatte noch einen guten Zeitpuffer, doch dann fing mein Knie an zu zwicken und die Höhenmeter nahmen zu. Erinnerungen an einen Lauf mit Mathieu zum Kandel wurden wach. Am Ende kämpfte ich mich irgendwie durch und schaffte es pünktlich. Die letzten 15km wanderte ich dann und genoss mehr die wunderschönen Aussichten und Wege entlang von Stränden und Buchten. In Wainui Bay angekommen, wartet George schon auf mich und wir machten uns auf den Heimweg. Nach 90min erreichten wir Georges Haus. George hatte gewöhnlich nach etwas längeren Sitzen und Fahrten altersbedingt etwas Probleme in den Gang zu kommen und pflegte zu sagen, dass er steif sei. Als wir dann beide aus dem Auto ausstiegen, ähnelte seine Steifigkeit die eines jungen Rehs im Vergleich zu meiner, wir kämpften uns beide aus dem Auto und machten es uns bei ihm im Wohnzimmer gemütlich… So war ich in den letzten beiden Tagen vor allem damit beschäftigt, wieder etwas mehr Geschmeidigkeit in meine rostigen und wieder mehr lebendigen Knochen zu bekommen.

In Auckland angekommen, besuchte ich dann nochmal Jaqs, meine erste Gastgeberin in meiner Neuseelandzeit. Es war total schön sie wieder zu sehen, zu sehen, was sich so geändert und zu hören was sie so erlebt hatte. So verbachten wir einen netten Abend, sie löste ein Versprechen ein und gab mir eine Craniosakral-Therapie und gingen dann aber auch früh ins Bett, da ich bereits schon wieder um 4 am Flughafen sein musste, wo mich Jaqs freundlicher Weise dann morgens hinfuhr.

Ein ewiger langer Flug über Australien und Singapur, brachte mich dann mit müden Augen und Ödemen in den Beinen auf die Philippinen.

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