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Mal etwas Ernsteres...

Veröffentlicht: 26.08.2018

Man kann hier in unserem schicken Wohnheim, im schicken Vorort an der schicken Strandpromenade von Summerstrand schnell vergessen, in welchem Land man sich befindet. Es ist teilweise sehr europäisch hier, das einzige was dann anders ist, sind die hohen Zäune und Mauern, der Stacheldraht, die gesicherten Eingangstore. Man könnte in dieser Umgebung auch schnell die eigene Vorsicht vergessen, wenn nicht beinahe jeder, mit dem man spricht, einen zur Vorsicht rät. "Be careful around here. It's not safe", ist etwas, das man gefühlt von jedem zweiten Einheimischen hört. Sei es die Kommilitonin, der Uber Fahrer, die Bedienung im Café. Central PE sollten wir so weit es geht meiden, erst wenn das Uber vor unserem Wohnheim hält, sollen wir die schützenden Mauern verlassen. Alleine von der Uni nach Hause laufen? Bloß nicht! Das kann einem auch schnell übertrieben vorkommen, denn wirklich passiert, ist hier in den sieben Wochen noch niemandem etwas sehr Schlimmes. Vor dem Club das Handy geklaut bekommen - ist schon vorgekommen. Ausgeraubt oder gar verletzt worden, ist aber noch niemand. Doch auf das trügerische Sicherheitsgefühl sollte man sich nicht vollkommen verlassen. Denn es passieren Dinge. Vor einigen Wochen haben wir plötzlich von einem Vorfall erfahren, ein Mädchen soll in ihrem Wohnheim auf dem Campus vergewaltigt worden sein. Am Montag dann die Nachricht, alle Kurse sind abgesagt für den Tag, es gibt Proteste auf dem Campus. Gegen Gender Related Violence. Gegen die Gewalt an Frauen. Denn etwas wirklich Krasses ist das hier für die Locals nicht. Eine Vergewaltigung, das ist nicht viel mehr als eine kurze Randnotiz in der Tageszeitung, Normalität beinahe schon. Uns Internationals wurde im Zuge der Proteste mehrfach gesagt, wir sollen zu Hause bleiben, uns rauszuhalten, zu gefährlich. Autoreifen wurden angezündet, Studenten verhaftet. Dann die Nachricht: das Mädchen hat ihre Anzeige zurückgezogen, der vermeintliche Vergewaltiger war ihr Freund. Vergewaltigung in einer Beziehung - natürlich möglich. Aber was wirklich passiert ist, kann jetzt keiner mehr sagen.



Der Vorfall ist aber Anlass für eine Unruhe, die sich auch in den Tagen und Wochen danach auf dem Campus hält. Auf dem Weg zu einem meiner Hörsäle habe ich das entdeckt: 


Ich war mir zu Anfang sehr unsicher, was ich davon halten soll. In Deutschland wäre das Satire. Aber ist es das hier? Ich bin zu dem traurigen Schluss gekommen, dass es wohl ernst gemeint ist. Das Bewusstsein ist hier einfach anders. Die Aufklärung ist anders. Die Erziehung von Mädchen und Jungen ist anders. Natürlich kann man das auch nicht auf das ganze Land und alle Menschen hier übertragen, aber oft ist es so. Ein wenig habe auch ich das hier schon zu spüren bekommen. Erst gestern habe ich mit zwei anderen deutschen Mädels ein Picknick im St. Georges Park gemacht. Generell war der Park sehr leer, bis auf mehrere Hochzeitsgesellschaften, die für Fotos dort unterwegs waren. Drei mal kamen Männer auf uns zu, zwei kleinere Gruppen von jungen Männern und ein älterer Mann, der alleine unterwegs war. Alle haben uns angequatscht, wollten sich zu uns setzen, wollten Fotos von uns machen. Man fühlt sich einfach unwohl, wenn man angeschaut wird wie von diesen Männern. Der einzelne Mann hat sich auch plötzlich ganz dicht neben mich gesetzt, kam mir viel zu nahe. Und zu oft wird man sehr lange und sehr komisch von oben bis unten gemustert hier. Und dabei kann das hier noch nicht mal so sehr an der Hautfarbe liegen. Nein, ich denke, es liegt wirklich einfach am Geschlecht.
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