Auszeit - Reise Richtung Osten
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Kyoto: Japans kulturelle Hochburg

Veröffentlicht: 31.07.2019

Die Stadt Kyoto, welche von 794 bis 1868 der Sitz des kaiserlichen Hofes war, ist von hoher kulturhistorischer Bedeutung. Mit seinen 1600 buddhistischen Tempeln, 400 Shinto-Schreinen, Palästen und Gärten ist Kyoto eine der besterhaltenen Städte Japans. Dies vor allem auch, weil die Stadt während des Zweiten Weltkrieges bewusst von Bombenangriffen verschont wurde. Da der damalige US-Kriegsminister um die kulturelle Bedeutung der Stadt wusste, wurde diese von Atombomben-Liste gestrichen. Viele berühmte Bauwerke Japans befinden sich in Kyoto – zahlreiche wurden von der UNESO 1994 zum Weltkulturerbe erklärt.

Unser kleines Zimmerchen befand sich in einem renovierten Altbauhaus nahe am Stadtzentrum. Wir hatten Glück, denn uns wurde das Zimmer inkl. Balkon und einer abschliessbaren Schiebetüre zugeteilt. Alle anderen Bewohner verfügten lediglich über einen Vorhang. Wir deponierten unser Gepäck und machten uns auf den Weg zum Bahnhof, um die Tickets für die Fahrt mit dem Shinkansen von Kyoto nach Tokio zu kaufen.

Bereits von Weitem erblickten wir den Kyoto Tower, einen 131m hohen Aussichtsturm, der sich gegenüber vom Bahnhofsgebäude befindet. Der Bahnhof von Kyoto war eine Überraschung. Wir hatten uns ein wesentlich kleineres Konstrukt vorgestellt – das Gebäude ist 70m hoch und 470m lang. Zudem verteilt sich der Bahnhof auf rund zwölf Stockwerke. Mit unendlich langen Rolltreppen werden die Passagiere nach oben befördert. Dank der guten Ausschilderung findet man sich aber rasch zurecht. Wir kauften unsere teuren Tickets.

Mehr zufällig entdeckten wir auf dem Rückweg zwei riesige buddhistische Tempelanlagen – den Higashi-Honganji und den Nishi-Honganji. Wir erkundeten die beiden Tempel und genossen die Stille. Da es sich nicht um eine Hauptattraktion handelt, hatte es nur sehr wenige Touristen. Die Tempel sahen im Übrigen ähnlich aus, wie der grosse Tempel in Nara. Interessant war das Seil, das die Bauarbeiter für den Aufbau verwendet hatten. Das dicke Tau (Durchmesser von 10cm) bestand aus gespendeten, zusammengeflochtenen Menschenhaaren.

Den Abend liessen wir bei einem leckeren Abendessen ausklingen. Wir setzten uns in ein Sushi-Restaurant mit einem Förderband. Jedoch nahmen wir nichts von diesem, sondern bestellten alles individuell. Die Sushi-Röllchen wurden mit einem Shinkansen-Zug angeliefert. Essensmöglichkeiten gibt es in Kyoto mehr als genug. Die Preiskategorien variieren jedoch sehr stark.

Pünktlich um 9.00 Uhr standen wir am nächsten Tag für die Free Walking Tour am vereinbarten Treffpunkt parat. Unser Stadtführer, ein junger australischer Koch, der seit drei Jahren in Kyoto lebt, führte uns durch Gion, ein bekanntes Quartier. Wir starteten bei der Statue von Izumo-no-Okuni, die als Begründerin des Kabuki Theaters gilt. Beim Kabuki Theater handelt es sich um ein japanisches Tanz-Drama. Die neue Kunstform gewann sehr schnell an Beliebtheit bei der Bevölkerung. Heikle Themen, die in einer alltäglichen Diskussion nicht aufgegriffen werden konnten, wurden hier in einer künstlerischen Art zur Sprache gebracht. Die Frauen verkörperten auf der Bühne alle Hauptcharakteren, auch die Männer. Im Jahr 1629 wurde das weibliche Kabuki Theater von den Behörden verboten, da die Tänze und Schauspiele für zu erotisch erachtet wurden. Die Frauen wurden zuerst durch junge, sehr feminine, Männer ersetzt. Schliesslich wurden auch diese vom Theater verbannt und durch erwachsene Männer ersetzt. Noch heute ist diese Kunstform den erwachsenen Männern vorbehalten.

In Gion befindet sich das wohl bekannteste und exklusivste Hanamachi (Blumen-Viertel) Japans. Der Begriff 'Geisha' bedeutet übersetzt 'Künstler' oder 'Person der Künste'. In Kyoto bezeichnen sie die Geishas selbst als 'geiko' – 'Frau der Künste'. Die Geisha ist eine Unterhaltungskünstlerin, die traditionelle japanische Künste, vornehmlich in Teehäusern oder bei sich zu Hause, darbietet. Wer sich zur Geisha ausbilden lassen möchte, muss eine fünfjährige Ausbildung absolvieren. Die Studentinnen werden Maiko genannt (tanzende Mädchen). Eine Maiko wird in folgenden Fächern unterrichtet: Kalligrafie, traditionelle Musikinstrumente (Handtrommel, Laute, Flöte), Teezeremonie und Konversation. Ihr Äusseres ist zudem sehr auffällig. Ihr Gesicht ist weiss geschminkt und sie tragen einen aufwändige Frisur. Zum Frisör gehen sie nur einmal pro Woche. Damit diese im Schlaf nicht kaputtgeht, legt die Maiko ihren Nacken auf einen kleinen Holzpflock. Dies ist unbequem und schmerzhaft. Zudem lernt die Maiko, sich im Schlaf nicht zu drehen. Weiter tragen die Maiko einen Kimono, der ihnen zu grosse ist und hohe Holzschuhe. Beides Schuhe und Kimono sollen die Maiko unbeholfen, jung und unschuldig aussehen lassen. Die Ausbildung einer Maiko ist sehr kostspielig. Wichtig ist zum Beispiel eine grosse Garderobe. Jeder der rund vierzig Kimonos hat einen Wert von 10'000 Franken. Dazu kommt noch der Schmuck und die Lebenskosten. Das alles wird von der Besitzerin, der Okiya, übernommen und später von der Maiko abbezahlt. Dies kann oft Jahr in Anspruch nehmen. Die Maiko leben zusammen mit der Hausherrin und weiteren Geishas und Maikos in einem Haus. An den Schildern an der Hauswand kann man erkennen, wie viele Frauen und Mädchen im Haus wohnen. Oft werden die Maikos mit den Geishas verwechselt. Je älter eine Geisha wird, desto dezenter schminkt sie sich. Sie gilt als so talentiert, dass sie mit ihrer Kunst Aufmerksamkeit erregen kann und nicht auf ihre Schönheit angewiesen ist. Die Anzahl der Maiko und Geisha ist stark rückläufig. Letztes Jahr haben sich noch gerade vier Mädchen dazu entschlossen, die Ausbildung aufzunehmen. Vielerorts in Japan wird die Tradition aufgelockert. So ist es beispielsweise den Mädchen gestattet, einen Freund zu haben. Nur in Kyoto werden die Traditionen stickt beibehalten. Lieber sterben die Geisha würdevoll aus, als Schande über sich und ihre Kunst zu bringen. Die Künste werden im Übrigen bis ins hohe Alter ausgeführt. Die älteste Geisha in Kyoto ist 91 Jahr alt und immer noch tätig.

Die Geishas sind in Japan hochgeachtete Frauen. Dies gerade auch deshalb, weil sie ihr Geschäft selbstständig und erfolgreich betreiben. Ein Unterhaltungsabend in einem Teehaus ist sehr kostspielig. Im exklusivsten Teehaus der Stadt kostet ein Abendessen inkl. Unterhaltung rund 10'000 Franken pro Person. Der Besuch eines traditionellen Teehauses ist für Touristen fast unmöglich. Nur wer von einem Mitglied eingeladen wird, kommt in den Genuss der Unterhaltung. Aus Angst, dass sich die Gäste nicht korrekt verhalten würden, kommt es praktisch nie zu einer Einladung. So bleibt das Teehaus den Mitgliedern vorbehalten. Eine Mitgliedschaft muss ein Vermögen kosten! Spannend ist, dass in den Teehäusern früher – und vermutlich auch heute noch – wichtige Geschäfte besprochen wurden. Die Häuser sind so konstruiert, dass allfällige Lauscher, nicht in den oberen Stock klettern konnten. Denn hier wurden die ganz wichtigen Geschäfte besprochen.

Nach diesem spannenden Input zur Kultur und Tradition der Geisha betrachteten wir die Schule und das Theater, wo die Maikos zweimal täglich ihre Künste präsentieren. Diese Vorstellungen sind für alle zugänglich und relativ preiswert.

Weiter ging es zum ältesten Zen Tempel Japans – der Kenninji Tempel. Es handelt sich um ein anmutiges, altes Holzgebäude. Hier erhielten wir einen kleinen Input zur Religion. Ein wirklich komplexes Thema. Die wichtigsten religiösen Strömungen sind der Shinto und der Buddhismus. Zudem gibt es verschiedene Einflüsse: Chinesischer Daoismus, Konfuzianismus und das Christentum. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges herrscht in Japan eine hohe religiöse Toleranz. Besonders kurios ist, dass die Japaner als Shintoisten geboren werden, aber als Buddhisten sterben. Festen, wie die Geburt, Taufen oder Hochzeiten werden in Shinto-Schrein abgehalten, aber Beerdigungen finden im buddhistischen Tempel statt. Die wohl, weil der Buddhismus ein Leben nach dem Tod kennt. Die Japaner scheinen von jeder Religion das zu übernehmen, was ihnen gerade als nützlich und praktisch erscheint. So entdeckten wir auf vielen Hausdächern chinesische Schutzpatronen. Diese hatten offenbar in der Vergangenheit mehr Wirkung gezeigt als die japanischen Statuen. Vielleicht kommt es auch daher, dass sie mehrere Millionen Gottheiten haben. Praktisch für alles gibt es einen Schrein: Sonnen-, Wind-, Wasser-, Reis-, Feuer-, Tee-, Stein-, ja gar einen Haargott etc. Das Gebetsritual ist sehr einfach und steht auch Ausländern offen: Hände waschen, zwei Verbeugungen, zweimal in die Hände klatschen, um die Aufmerksamkeit des Gottes zu wecken, Wunsch äussern, noch einmal verbeugen, fertig.

Am Schluss besuchten wir den Yasaka Schrein, der dem Gott des Wassers gewidmet ist. Nebst dem grossen Schrein, gibt es auch noch einige kleine Nebenschreine auf dem Gelände (Gott der Schönheit und Gott der Liebe). Der Yasaka Schrein grenzt an das ältest Quartier von Kyoto. Die alten Häuser gefielen uns sehr gut. Die Tour war extrem spannend, aber auch ermüdend. Wir gönnten uns eine leckere Ramen-Suppe – Tipp des australischen Kochs – und gingen für einige Stunden zurück in die Unterkunft.

Am Abend trafen wir uns mit David, den wir vor knapp einem Monat in Seuol kennengelernt hatten. Der Solothurner, der in Taiwan ein Praktikum absolviert, kam für einen Wochenendausflug nach Kyoto. Wir freuten uns über das Wiedersehen. Wir schlenderten zusammen durch Gion. Unsere Hoffnungen wurden erfüllt und wir sahen eine Maiko durch die Gassen eilen. Auch mehrere Geishas bekamen wir zu Gesicht. Wobei diese wirklich weitaus weniger auffällig sind als die Maikos.

Am Folgetag besuchten wir den goldenen Tempel und den Bambuswald im Westen von Kyoto. Leider erwischten wir einen sehr regnerischen Tag. Beim goldenen Tempel hatte es trotzdem zahlreiche Touristen. Das Konstrukt ist in einen hübschen Park eingebettet. Im Bambuswald trafen wir dafür nur wenige Menschen an. Wir freuten uns darüber und schossen einige Bilder. Mit dem Bus ging es zurück in die Stadt.

Vor der Weiterreise nach Tokio besuchten wir am Morgen noch den bekannten Fushimi Inari Taisha Schrein. Dieser ist für seine tausend Tore bekannt, die durchschritten werden können. Entsprechend seiner Bekanntheit hatte es auch viele Touristen. Die orangen Torbogen sind schön, aber für uns hatte es eindeutig zu viele Touristen.

Kyoto bot uns eine einmalige Gelegenheit in Japans Vergangenheit einzutauchen und zahlreiche Dinge über die Kultur und die Traditionen des Landes zu lernen. Mit dem Shinkansen geht es nach Tokio weiter.

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