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Abschied vom Gestern

Veröffentlicht: 01.10.2017

Unser Hamburgbesuch endet traurig und wehmütig. Am Tag unserer Abreise wird Schnuppi von einem nicht angeleinten Schäfterhund gejagt, bis sie tot umfällt. Schnupppi ist zwar eine alte Katzendame, hätte aber noch einige ruhige Jahre haben können. Der kläffende, schnappende, riesige Köter und die wilde Jagd über 20 Meter ist aber offensichtlich zu viel für sie.

Seit knapp 20 Jahren wohnt Schnuppi in der Umgebung von Lotti Thiele im Kleingartenverein Diekmoor II in Hamburg Langenhorn. Es bleibt die meiste Zeit über ein eher distanziertes Verhältnis. Der graue Tiger taucht täglich im Garten 109 auf und verschwindet sofort, sobald sich jemand hören oder blicken lässt. Irgendwann stellt Lotti Wasser und Katzenfutter raus, irgendwann wird es akzeptiert. Sobald aber Besuch kommt, ist die Katze weg.

Man kommt sich über die Jahre näher, sogar die riesige schwarze Hündin Merlin, die zeitweise hier lebt, wir akzeptiert, aber eine richtige Hauskatze wird Schnuppi nie. Ihr Lebensraum bleibt der Garten und ihre warmen Ecken nahe am Haus. Wahrscheinlich hatte sie früher noch andere Dosenöffner auf dem Gelände, aber seit fünf Jahren sind Lotti und ihr Mann Martin Dehnert noch die einzigen, die dauerhaft hier wohnen.

Nachdem Martin, mein Vater,  2014 stirbt kommt, Schnuppi des öfteren ins Haus. In den letzten Monaten schläft sie auf den Füssen von Lotti.

Als wir zum Abschiedsbesuch in den Garten kommen, hat die Hundehalterin grade die Katze im Garten vergraben und sich davon gemacht. Lotti ist untröstlich und reiht das Drama in den Zerfall um sie herum ein. Es wird Zeit, dass sie auszieht, meint sie.

Das heißt für uns auch, dass wir Lotti zum letzten Mal hier besuchen. Der Kleingartenverein Diekmoor II war ihre Heimat seit 6o Jahren. Martin Dehnert, mein Vater hat hier seit 1992 mit ihr zusammen gelebt. Für uns alle ist das ein Ort mit vielen Erinnerungen.

Die Familie Dehnert, Martin, Eva-Marie und Jürgen hat hier von 1959 bis 1964 vier Grundstücke weiter gewohnt. Ihre Hütte von damals steht noch, nur war sie damals blau und weiß. Anfang der 60er Jahre  lebten auf der "Koppel" ca. 300 Menschen dauerhaft und versuchten ohne fließendes Wasser und ohne Kanalisation ein möglichst bürgerliches Leben zu führen. Mein Vater hatte einen guten Job bei der Lufthansa und leitete das Lager für Boing-Ersatzteile. Trotzdem war an eine "richtige" Wohnung nicht zu denken. Die hätte 8000 DM Baukostenzuschuss und 300 DM Miete gekostet. Bei knapp 600 DM netto im Monat undenkbar. So ging es vielen im Kleingartenverein. Trotzdem, versuchten  alle so schnell wie möglich hier wegzukommen.

Lotti und meine Mutter wurden Freundinnen und die beiden Familien halfen sich gegenseitig. Mein Vater fand nach fünf Jahren eine Job in Koblenz und wir zogen fort. Meine Mutter starb 1989 und mein Vater zog 1992 wieder auf die Koppel und lebte seitdem mit Lotti zusammen, wie es sich meine Mutter gewünscht hatte.

Auch meine Großeltern, Georg und Gertrud Neumann wohnten im Kleingartenverein. Opa Neumann arbeitete als Anstreicher in einem kleinen Hamburger Handwerkerbetrieb. Irgendwann im Jahr 1966 hatte er grade die Halle des U-Bahnhofes Langenhorn-Nord betreten, als er die Bahn Richtiung Innenstadt hörte. Er hastete die lange Treppe hoch, um den Zug noch zu bekommen. Er schaffte es. In der Bahn wurde ihm schlecht und er wurde in das Krankenhaus Eppendorf gebracht. Dort starb er kurze Zeit später. Irgendwie nahm er die Situation nicht so dramatisch. Sein letzter Gedanke war, dass man doch die Schlüssel in die Firma bringt, sonst kämen die Lehrlinge nicht rein.

So verlassen wir einen Ort mit vielen Erinnerungen und wünschen uns, dass es Lotti in ihrer neuen Wohnung gut geht. Wir wollen dich noch of besuchen.



Antworten (2)

Bir
Wie immer schön geschrieben, auch wenn der Alass eher traurig ist. Jedem Abschied wohnt ein neuer Anfang inne - ich wünsche Frau Lotti alles Gute für ihren Umzug.

Manfred
Oh Mann, Jürgen, hab beim Lesen feuchte Augen bekommen.