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Aufgesattelt 17

Veröffentlicht: 20.09.2019

Liebe Familie, liebe Freunde und Bekannte,

am Sonntag, 8 September, sind wir nach einer langen Zugfahrt gut in Moskau angekommen.

Nur 4 km vom Bahnhof entfernt war unser nettes Hostel, klein aber fein, das Zimmer kaum größer als unser Zelt aber zum Glück mit einem eigenen Bad. Für ein Hostel mit sehr vielen vier- bis sechs Bett Zimmern zu wenig Sanitärräume und eine zu kleine Küche.

Wir richteten uns schnell ein, und schon ging es zum Ballett `Schwanensee´. Wir hatten schon in Wolgograd Karten gekauft für die letzte Veranstaltung im Rahmen eines Ballettfestivals. Es war ein besonderes Ereignis, denn Moskau verbindet man ja mit Ballett und Oper. Es hat uns gut gefallen, es war eine wunderschöne Inszenierung, vor allem aber für uns etwas Besonderes; über den Inhalt kann man sich streiten.

Spät und müde kamen wir zurück, tranken noch ein Glas Wein und schliefen bald ein.

Den Montag verbrachten wir bei wunderbarem Wetter, leider am Bahnhof, um einen Zug nach Berlin zu buchen; bei der Weißrussischen Botschaft, um ein Transitvisum für den Zug zu bekommen. Dafür verlangen sie pro Person 60 € nur für das Durchfahren. Die Busgesellschaft Ecolines, die ab und an auch Fahrräder mitnimmt, fährt als einzige Gesellschaft nach Riga. Ziemlich gefrustet kamen wir abends kaputt und müde – mehr als 30 km durch die volle Stadt geradelt - im Hostel an. Zwischen- durch machten wir Pause in einer österreichischen Brezelstube, und am Abend gönnten wir uns in einem Weinrestaurant einen leckereren russischen Wein.

Der Verkehr in Moskau ist schon ganz speziell. Alle Hauptstraßen, und davon gibt es viele, sind wie Autobahnen. Die Autos können rasen (teilweise über 100 km/h) durch die Stadt, es gibt keine Ampeln, die Straßen sind teilweise sechsspurig und Kontrollen gibt es kaum. Am Anfang fuhren wir noch auf der Straße, doch die Gehwege sind so breit und werden von russischen Radlern genutzt, und das taten wir dann auch.

Am Dienstag waren wir mit Mary, die wir in Astrachan kennengelernt hatten, verabredet, und gemeinsam mit ihr versuchten wir unser Glück, um nach Deutschland zu kommen. Mit ihr fanden wir die Busgesellschaft, und dort bekamen wir 100 Auflagen, um mit den Rädern und unserem Gepäck reisen zu dürfen. Doch überlegten wir nicht lange und buchten. Der Zug wäre mit dem Visum um das Vierfache teurer geworden und es wäre genauso unsicher gewesen wie beim Bus, ob sie uns mitnehmen. Klappräder wären bei beiden kein Problem gewesen.

Nachdem wir das endlich geklärt hatten, verabredeten wir uns mit Mary für den Freitag zu einer Bootsfahrt auf der Moskwa, und danach machten wir einen sehr schönen Ausflug mit den Rädern durch den Gorki Park. Ein außerordentlich schöner, großer Park, mit vielen kreativ angelegten Blumenbeeten, Springbrunnen und Attraktionen für Jung und Alt. So zum Beispiel ein Schauspielkurs, Artistenschule, Malkurse und das Erlernen verschiedener Musikinstrumente. Um das Erlernte dann zu zeigen, stehen Bühnen zur Verfügung. Eigentlich ist alles umsonst und für alle zugänglich, doch für die speziellen Kurse muss man sich anmelden. Umsonst sind viele Sportarten, Slackline, Skaterbahnen, Spielplätze und verschiedene Ballspiele. Natürlich dürfen auch hier Achterbahn und andere Kirmesattraktionen nicht fehlen. Auf fast allen Wiesen waren Bänke, Liegen und verstellbare bequeme Sessel aufgestellt, und so gab es die Möglichkeit, die herrlichen Blumen und Bäume in den Ruhezonen zu genießen. Das Einzige, was wirklich teuer war, waren Getränke, Eis und Essen. So verkniffen wir uns – trotz Sonnenschein – unser tägliches Eis.

Zufrieden fuhren wir noch einkaufen und in unser Hostel zurück. Am Abend kochten wir, ohne Mikrowelle, mal wieder mit Kochplatten und aßen gemütlich in unserem kleinen Zimmer. Da es dort keinen Tisch und keine Stühle gab, packten wir unsere Campingutensilien aus, und schon war unser Zimmer richtig bewohnbar.

Am nächsten Tag war Stephan noch den ganzen Vormittag mit Onlinebuchen unserer Tickets beschäftigt, diesmal half ihm jemand vom Hostel. Es ist wirklich nicht einfach, ohne Russischkenntnisse, bei diesen vielen Bestimmungen durchzukommen. Stephan gibt sich alle Mühe, aber so richtig klappt es mit der Verständigung nicht, meistens liegt es an der Aussprache. Er tut mir richtig leid, da ich gar keine Hilfe in dieser Richtung bin, und er sich ganz schön rumquälen muss. Erstaunlich ist es, wie wenig Menschen englisch sprechen, und so bleibt oft nur der Übersetzer im Handy. Jedenfalls bin ich sehr froh, mit welcher Geduld Stephan das alles meistert.

Nun war wirklich unsere Weiterreise bis Riga klar. Und wir machten uns endlich auf, die Stadt zu besichtigen. Zuerst ging es per Rad an der Moskwa entlang, ein breiter Fluss, der sich durch die Stadt schlängelt, schöne Promenaden mit tollen Radwegen, vielen Parks und Sportanlagen. Und da die Sonne lachte, ging uns das Herz auf, und wir hatten so viel Spaß am Radeln – natürlich mit Gegenwind. Zum Schluss machten wir noch einen kleinen Abstecher zum Kreml und Roten Platz und stellten fest, dass es dort im Februar schon beeindruckend war. Aber bei Sonnenschein ist der Rote Platz und überhaupt die ganze Stadt noch faszinierender, die goldenen Dächer der Kathedralen leuchten, die Menschen lächeln und alles wirkt viel, viel freundlicher.

Eigentlich darf keine Bootsfahrt bei Stephan fehlen, wenn eine Stadt am Fluß liegt, und so war es auch hier. Gemeinsam mit Mary ließen wir uns 2,5 Std. auf einem gemütlichen Boot auf der Moskwa rumschippern und betrachteten alles, was wir schon vom Ufer her kannten, aus der Perspektive des Schiffes. Da wir Glück mit dem Wetter hatten, machte es uns allen dreien richtig Spaß.

Mary und ihren Freund Artur luden wir noch zu einem Essen ein am Samstag, damit wollten wir uns für die Hilfe, die Freundlichkeit und vieles mehr bedanken. Wir trafen uns in einem georgischen Restaurant und aßen sehr, sehr lecker.

Ein besonderes Ereignis war am Sonntag unsere Tour durch 11 Metrostationen. Mit einem Ticket für 55 Cent konnten wir kreuz und quer unterirdisch die schönsten Stationen besichtigen. Ihr könnt sie auf den Bildern bewundern.

Zwischendurch machten wir eine kleine Erholungspause und gingen, wie schon im Februar, in das gemütliche Café Puschkin. Im Restaurant wollte Stephan zu Abend speisen; das redete ich ihm aber aus, denn das ist doch nichts für unseren Geldbeutel.

Auch erlebten wir auf dem Weg zur Metrorundfahrt eine riesige Fahrrad-veranstaltung, mindestens 20.000 Radler kamen uns entgegen. Die Straße entlang der Moskwa war gesperrt, und es schien kein Ende zu nehmen. Eigentlich hätten keine Autos mehr unterwegs sein dürfen, denn es schien, als ob ganz Moskau mit dem Rad fahren würde. Stimmte leider nicht, denn der Autoverkehr war genauso stark wie sonst.

Wenn der wahnsinnige Verkehr nicht wäre, wäre Moskau perfekt. Die meisten Autos in der Stadt sind westlich, neu, schnell und laut, doch fährt mit einem Affenzahn mal ein Ferrari an einem vorbei, und häufig machen Motorradfahrer Wettrennen.

Die Menschen sind freundlich, es gibt viel zu erleben, und mit dem Rad eine Stadt zu erobern ist gigantisch. Mittlerweile fahren wir nicht mehr auf den Straßen, sondern auf den Gehwegen, wie fast alle Fahrradfahrer, und von denen gibt es nicht wenig in dieser Stadt.

Moskau hat viele Gesichter. Es gibt ganz unterschiedliche Wohngegenden, von kleinen gemütlichen Häusern, alten, schön verzierten Wohnblöcken, gigantischen Wohnsilos. Doch überall gibt es viel Grün, viele Spiel- und kleine Sportplätze.

Nicht nur dort wird für Kinder gut gesorgt, viele Restaurants und Cafés halten Spielecken,Tischspiele und Buntstifte für Kinder bereit.

Neben aufgestylten Frauen mit gespritzten Lippen und künstlichen, superlangen Wimpern, schlank und schön, top angezogen, alles nach russischem Geschmack, gibt es auch viele alte, kranke, arme und bettelnde Menschen, die ihr letztes Hab und Gut auf der Straße anbieten. An manchen Stellen, vor allem auf Brücken, sitzen meist Frauen mit Blumen und Bildern in den Händen, auf denen Menschen abgebildet sind. Ich denke, sie sitzen da, um auf ein Unglück, einen Vermissten oder einen politisch Verfolgten aufmerksam zu machen.

So ist Reich (sehr reich) und Arm sehr dicht neben einander und sie geben somit leider ein klassisches Bild einer Großstadt wieder.

Der Busbahnhof liegt 25 km vom Zentrum entfernt, und so kamen wir nochmals in den Genuss, mit dem Rad und unserem Gepäck zu radeln. Machte trotz Verkehr und natürlich Gegenwind richtig Spaß.

Mit Tränen in den Augen, verkrampftem Magen und schwerem Herzen nahmen wir Abschied von Moskau, von Russland und von unserer Reise.

Noch ist es für mich gar nicht vorstellbar, wieder zu Hause zu sein. So vieles haben wir erlebt, gesehen, tolle Menschen kennengelernt, immer wieder unsere Taschen gepackt, unser Zelt und die gemütlichen Stühle, den Tisch und das Zelt aufgebaut. Jetzt heißt es erstmal, wieder sesshaft zu werden, sich an Zuhause wieder zu gewöhnen. Ein komisches Gefühl, doch wird natürlich alles gut.

Jetzt sind wir in Riga (Lettland), wo wir eigentlich gar nicht hinwollten. Leider ist das Wetter so schlecht, kalt und fast ständiger am Regnen, dass eine Stadtbesichtigung nicht so richtig Spaß macht. Natürlich schlendern wir durch die traumhafte Altstadt, durch die Markthallen und werden am Samstag eine geführte Fahrradtour unternehmen. Doch ist es so ganz anders als in den zentralasiatischen Länder, wie zB Russland. Und wir müssen uns erstmal wieder an das doch sehr europäische Leben gewöhnen.

Am Montag geht es mit der Fähre nach Travemünde, dann nach Lübeck, Hamburg und am 30.9. werden wir Zuhause sein, wenn alles so funktioniert, wie wir es uns vorstellen.

Dies ist der letzte Bericht unserer Reise, den Rest werden wir mündlich erzählen.

Ganz liebe Grüße von

Stephan und Corrina

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