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3. Meine erste "Arbeits"woche

Veröffentlicht: 24.03.2018

Buenos chicooos! Habe meine erste „Arbeits“woche hinter mir. Um 6 Uhr klingelte am Montag der Wecker. Das hört sich schlimmer an, als es ist. Ich habe immer noch die europäische Zeit verinnerlicht, weshalb ich tendenziell eher früher schlafe und früher aufstehe. Jetlag in diese Richtung hat eigentlich was Gutes.

Also, aufgestanden, ein Brötchen mit dulce de leche gefrühstückt (das ist so ein caramelartiger Brotaufstrich, in den ich mich voll verknallt habe) und zusammen mit Rocío den weiten Schulweg, einmal ums Eck, angetreten.

Angekommen habe ich dann sofort Marylin getroffen. Sie ist eigentlich die Deutschlehrerin aus Puerto Rico, doch hilft, seit dem Alta in Rente ist, 2 Mal die Woche in Capioví aus.

Als wir uns auf dem Weg zum Deutschraum (für den wurde ein einzelnes Zimmer eingerichtet) machen wollten, waren die Gänge versperrt durch Schlangen von Schüler*innen, die sich alle in Reih und Glied zum offenen Innenhof gewendet hatten, Fahnenappell! „Das ist hier ein bisschen anders als bei euch“ hat sie mir zugeflüstert. Da sie ein Jahr in Hamburg gelebt hat, konnte sie sehr gut erahnen, was für mich vielleicht merkwürdig erscheinen mag. So meinte sie später, als ich ein Werbeplakat für einen 6-wöchigen Deutschlandaufenthalt basteln sollte, zu mir: „Mach ruhig viele Deutschlandflaggen drauf! Für die Schüler ist das was Positives“.

Auch die Beziehung von den Guaraní zum Rest der Bevölkerung war diese Woche immer wieder Thema. So habe ich zum Beispiel, wenn ich eine neue Klasse kennengelernt habe immer direkt gesagt bekommen, wer von den Schüler*innen zu den Guaranís gehört. „Sie sind hier bei uns sehr geschützt, man darf hier bestimmte Sachen nicht sagen und sie haben besondere Rechte“, meint Marylin und schaut mich erwartungsvoll an. Das mag rechtlich so sein, die Realität scheint mir allerdings sehr kontrovers. Auf der Schultoilette habe ich eine Klopapierpackung gefunden, die den Markennamen „Guaraní“ trägt. Im Logo sitzt, anstatt des Strichs, ein lachender Smiley mit Stirnband und Feder über dem „i“. Da ich meinen Augen nicht trauen wollte, ein Beweisfoto. Wie muss es für die Kinder sein, auf Toilette zu gehen und so was zu sehen? Dieser unterschwellige Rassismus ist unglaublich tief verwurzelt. Aber wie sollte es auch anders sein, wenn solche klischeehaften Bilder schon in der Schule über das Klopapier vermittelt werden?

Das beste Beispiel war dann am Freitagnachmittag Marylin. Als eine Klasse das Zimmer verließ, in der, wie ich natürlich schon aufgeklärt wurde, sehr viele Guaraní-Schüler*innen saßen (die Hälfte vielleicht), hat sie Raumspray rausgeholt und damit wie wild in der Luft rumgesprüht. „Das sind natürlich die Hormone, aber sie riechen auch anders, weißt du? Sie leben ja im Wald und entwickeln deshalb einen Geruch, mit dem sie die Tiere abwehren.“ Wer mit „sie“ gemeint ist, ist denke ich klar. Die Aussage hat mich wirklich sprachlos gemacht und auch im Nachhinein ziemlich beschäftigt. Marylin ist mir in dieser Woche wirklich sehr sympathisch geworden und hat auch schon mit vielen Dingen geholfen, die ich alleine wahrscheinlich nicht so gut hinbekommen hätte. Wie reagiert man da auf so was? Ich war überfordert.

Schuluniform trägt man hier auch. Mir erklärte man, dass sie dazu dienen soll, soziale Ungleichheiten zwischen den Schüler*innen in den Hintergrund zu stellen. Die Frage ist, wie viel eine Uniform leisten kann, wenn im Deutschunterricht nach dem Beruf des Vaters gefragt wird und ein Kind vor der gesamten Klasse die Antwort verweigert oder Dinge wie oben beschreiben zum Alltag gehören.

Widmen wir uns aber nun der argentinischen Kultur und ihrem wahrscheinlich wichtigsten Bestandteil: FLEISCH!!! Für mich natürlich etwas kritisch, aber immerhin bleibe ich den Leuten im Gedächtnis, wenn ich erzähle, dass ich Vegetarierin bin. Um kurz das Ausmaß der Fleischliebe hier zu verdeutlichen: Nach „Wie heißt du?“ und „Wie alt bist du?“, war die dritte Frage, die im Deutschunterricht an die Tafel geschrieben wurde: „Wie viel kostet ein Kilo Fleisch?“ Es ist hier mit Abstand das günstigste Lebensmittel. Aber, um das Ganze etwas aufzuwerten, nicht wie bei uns aufgrund von billiger Produktion, sondern weil das Tier direkt um die Ecke um die Ecke gebracht wird (witziger Wortwitz).

Asado (man trifft sich zum Grillen, Unmengen von Fleisch werden aufgespießt, mariniert und übers Feuer gelegt) ist hier das Event überhaupt! Jede Familie hat ihr eigenes Rezept für die perfekte Marinade und am Ende gibt es Applaus für den Asado-Grillmeister. Ich glaube, das würde sich Papa zu Hause auch mal wünschen! Am Freitagabend war ich dann selbst das erste Mal eingeladen. Da mir die anderen Freiwilligen vorher so von dem argentinischen Fleisch vorgeschwärmt haben und es mit dem, was man in Deutschland kaufen könne absolut nicht vergleichbar sei, habe ich mich entschlossen das ganze einfach mal wieder zu probieren. Wenn nicht hier, wo dann. Meine marinierten verduras (Grillgemüse) hatte ich trotzdem dabei. Da das Hühnchen an dem Abend wohl mit Abstand am Leckersten gewesen sein soll, habe ich davon ne Gabel gekostet. Nein, es hat mir nicht geschmeckt und war eine sehr merkwürdige Erfahrung. Aber immerhin weiß ich jetzt, dass ich (aus meiner Sicht) nichts verpasse. Von daher bin ich froh, dass ich es einfach mal wieder probiert habe!

Ein weiteres Highlight diese Woche war der Besuch von den Saltos de Capioví (Wasserfällen). Wasserfälle gibt es hier viele, letzte Woche war ich zum Beispiel mit meiner Gastfamilie an der Gruta India. Was an den Saltos de Capioví aber so praktisch ist, ist, dass sie direkt am Ort liegen und man nicht erst 10 km mit dem Auto durchs Grün fahren muss, obwohl das natürlich auch was hat. Ich war mit Pauline und Jakob (einem ehemaligen Freiwilligen der gerade zum Urlaub machen wieder hier ist) dort. Als Anwohnerin habe ich nur 15 Pesos gezahlt, das ist bei dem schrecklichen Kurs im Moment nicht mal ein Euro. Da es unter der Woche war, hatten wir alles für uns und es war einfach traumhaft. Ich habe einen riesigen schwarz-blauen Schmetterling gesehen, wie man ihn sonst nur von Bildern kennt. Kolibris gibt es hier übrigens auch! Das ist alles super beeindruckend.

Nächste Woche fängt dann auch der Deutschunterricht in Puerto Rico an, dann hab ich bestimmt ein bisschen mehr zu tun. Am nächsten Freitag sind dann aber schon wieder 5 Tage frei. Mal sehen, was sich da so anstellen lässt. Ich berichte!

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