Reisefieber - Alltag ade
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Zweiter Tag Havanna: Familienbesuche / Zurück zu den Wurzeln

Veröffentlicht: 30.03.2019

Die erste Überraschung am Morgen: es gab kein Wasser. Nachdem wir am vorherigen Tag kalt geduscht hatten, gab es also heute nur Katzenwäsche mit Wasser aus den Flaschen und einem Rest aus dem Duschtank. Nachdem wir den Vermieter gesprochen hatten, stellte dieser auf einen anderen Tank um und meinte, dass Café im Erdgeschoss verbrauche manchmal so viel, dass der normale Tank nicht reicht. Uns wurde auch noch einmal erklärt, mit welcher Technik man warmes Wasser bekommt. So oder so haben wir uns vorgenommen, jetzt immer schon abends zu duschen.

Da wir nach dem Frühstück (Pan con Lechón und Jugo de Tamarindo) noch bis zum nächsten Programmpunkt etwas Zeit hatten, haben wir einen kleinen Abstecher zu einem schönen Park am Almendares Fluss gemacht. Früher war das hier ein lauschiges Plätzchen und fast ein Geheimtipp bei einem Besuch in Havanna. Vor Ort stellten wir dann fest, dass der Park von Touristen entdeckt wurde und dort unheimlich viele Oldtimer mit Touristen auf ihrer Sightseeing-Rundtour einen Stop einlegen. Trotzdem sind wir ein kleines Stück an den mächtigen und mit Rankpflanzen überwucherten Bäumen entlanggelaufen und konnten am anderen Flussufer sogar eine Santeria-Zeremonie mit Trommeln und Gesängen beobachten. Santeria ist eine afrikanische Religion bzw. ein Kult der zu Sklavenzeiten nach Kuba gebracht wurde und auch heute noch praktiziert wird. Am Ausgangspunkt schauten wir noch kurz bei einem Baseball-Spiel zu (Kubas Nationalsport), welches gerade auf einem Baseballfeld lief.

Danach brachen wir zum ersten Familienbesuch auf. Wir fuhren zu dem Bruder meiner Oma, den auch mein Vati sehr lange nicht gesehen hatte. In dem Haus wohnten früher die Großeltern meines Vatis mütterlicherseits, daher ruft das Haus bei ihm viele Kindheitserinnerungen hervor, von denen er uns immer erzählt. Da wir keine Telefonnummer hatten, konnten wir uns nicht vorher ankündigen und so wurde es ein kleiner Überraschungsbesuch. Mein Onkel und seine Frau freuten sich sehr und es gab den ersten von vielen kubanischen Kaffes an diesem und den nächsten Tagen, als Zeichen der Gastfreundschaft. Diese sind klein, stark und mit viel Zucker. Und da Chris immer meinen mittrinken musste, war er an diesem Tag mit Sicherheit doppelt hellwach. Wir tauschten ein wenig Neuigkeiten aus, schauten uns Bilder an und versuchten unseren Familienstammbaum mit Namen, Geburts- und Sterbedatum zu vervollständigen. Dies war auch eine kleine Mission dieses Kubabesuches, eben auf der Suche nach den eigenen Wurzeln.

Anschließend fuhren wir zum Haus meines Opas in Páraga, in dem mein Vater aufgewachsen ist und meine Eltern in den 80ern noch vier Jahre mit meinem Bruder und fünf weiteren Familienmitgliedern gewohnt haben. Jetzt wohnt in dem Haus der Mann meiner Tante (welche in Miami ist) mit seiner Mutter. Es war etwas eigenartig, das Haus zu besuchen, ohne dass mein Opa da war und irgendwie kam es mir auch viel kleiner vor, als ich es aus meiner Kindheit in Erinnerung hatte. Wir schlenderten durch die Zimmer und den Hof und ich sah förmlich meinen Opa im Schaukelstuhl sitzen und Zeitung lesen. Vom Dach aus hat man einen guten Blick auf ganz Páraga und bis zum Zentrum von Havanna, da das Viertel auf einem Hügel liegt. Leider gab es viele Bäume, die wir von früher kannten, nicht mehr, da sie von diversen schweren Stürmen beschädigt wurden.

Im Anschluss fuhren wir mit meinem Onkel weiter zum Cousin meines Vatis und seiner Frau, bei denen wir zum Mittagessen eingeladen waren. Der Empfang war sehr herzlich und es stand auch gleich eine Flasche Guarapo (Saft aus gepresstem Zuckerrohr) für uns bereit, worüber ich ganz begeistert war, da ich schon befürchtete, dass es die falsche Zeit dafür wäre. Außerdem wurden wir mit frischem Guayaba-Saft verwöhnt, der so süß und lecker war, dass Chris und Vati davon gar nicht genug bekommen konnten. Vor dem Essen haben wir meinem Onkel dann noch als kleines Geschenk ein Set mit Drechselwerkzeug überreicht, das mein Bruder besorgt hatte, weil wir wussten, dass er viele Holzarbeiten macht. Darüber hat er sich riesig gefreut und immer wieder betont, wie toll das Geschenk ist. Er zeigte uns seine kleine Werkstadt. Wir sahen Not macht erfinderisch, da er viele Werkzeuge und sogar eine ganze Werkbank mit Kreissäge selbst gebaut hat. Dann wurde das Essen aufgetischt: Schweinefleisch mit Congrí und frittiertem Boniato (Süßkartoffel) und zum Nachtisch Flan (eine Art Karamell-Pudding). Meine beiden Onkel haben alles getan, um uns zu helfen und es uns so angenehm wie möglich zu machen. Sie haben uns sogar eine Sim-Karte fürs Handy geholt, sodass wir hier telefonieren können und tatsächlich sogar (meistens) Internet haben. Als wir erwähnten, dass wir ganz am Ende noch keine Übernachtung haben, weil aus dem eigentlichen Nachtbus zurück nach Havanna doch eine Tagesfahrt geworden ist, boten sie uns gleich an, dass wir bei Ihnen übernachten können. Wir saßen noch eine ganze Weile gemütlich auf der wunderschönen Veranda mit vielen blühenden exotischen Pflanzen, bevor wir dann weiter zu einer Cousine meines Vatis gefahren sind, mit üblichem Ablauf: Kaffeetrinkern, Fotos anschauen, Neuigkeiten austauschen, Stammbaum vervollständigen. Chris fällt immer als der große Deutsche auf und wenn wir sagen, dass wir ein bisschen Spanisch sprechen, wird gleich im Affenzahn auf uns eingeredet, aber das ist wohl die beste Übung.

Nach den ganzen Familienbesuchen wollten wir gegen frühen Abend aber doch noch ein bisschen was von Havanna sehen und sind deshalb zu el Morro gefahren: eine Festung mit Wehranlage und Leuchtturm an der Küste. Da die Sonne schon am untergehen war, gab es ein besonderes Licht und man konnte einen schönen Ausblick auf Havanna und den Malecon genießen.

Da wir aber nicht nur altbekannte Orte aufsuchen wollten, sondern auch mein Vati eine neue Seite von Havanna kennenlernen sollte, sind wir dann noch ein Stückchen weiter die Bucht entlang zur älteren Festung la Cabaña gefahren. Davor steht eine große Christusstatue ähnlich der in Rio. Auch hier hatte man wieder einen schönen Blick auf das nun schon beleuchtetet Havanna. Ich hörte, wie der Guide einer Führung den Touristen erzählte, dass das ein sehr kubanischer Christus sei, da es aussieht, als ob er in der einen Hand eine Zigarre und in der anderen ein Mojito-Glas hält. Zum Abschluss haben wir uns dann die Cañonazo de las nueve angeschaut, eine Zeremonie, die jeden Abend um neun Uhr in der Festung abgehalten wird. Diese sollte früher signalisieren, dass alle Tore von Havanna geschlossen werden sollten, damit niemand rein oder raus kann. Die Männer tragen dazu spanische Uniformen aus der Kolonialzeit und am Ende wird eine Kanone angezündet und abgefeuert. Dieser Kanonenschuss ist uns schon bekannt, da man ihn jeden Abend um neun in Havanna hören kann, jetzt hat mein Vati auch zum ersten Mal den ganzen Ablauf dazu sehen können.

Antworten (2)

Juliane
Das sind viele Familienbesuche, die ihr gemacht und viele Kaffees, die Chris getrunken hat. Bald sprecht ihr perfekt Spanisch. :)

Karin
Desde Parraga hasta el canonazo, das war ja ein Tag randvoll mit schönen Eindrücken. Genießt es!

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