Veröffentlicht: 24.01.2017
23. Januar 2017
Nach dem Schinken-Käse-Disaster in Argentinien (Ich bin sicher, dass Natalja und Raffi dies in ihrem Gast-Blogeintrag (soon to follow) erwähnen werden..) habe ich mich in Medellin erst einmal mit frischem Gemüse und Früchten eingedeckt. Und für die „Exotic-Fruit-Tour“ habe ich mich auch gleich noch angemeldet. Ich bin in einem herzigen Hostel in einem sehr sicheren Viertel von Medellin gelandet. Die beiden ca. 60-Jährigen Besitzerinnen wirkten etwas wie aus einem britischen Film. Mit der Lesebrille vor dem Laptop bitz überfordert mit dem Buchungssystem, was ab und zu zu einem kleineren Chaos führte, aber super herzlich und immer gut gelaunt. Sie förderten aktiv den Kontakt unter den Gästen, indem sie jeden in ein Gespräch verwickelten und Infos über die geplanten Aktivitäten einholten, um dann die Leute zusammenzubringen, die sowieso am nächsten Tag an den gleichen Ort wollten.
Medellin ist vor allem bekannt durch das Kartell von Pablo Escobar und hatte Anfangs 90er-Jahre mit über 600 Morden pro 100'000 Einwohnern die höchste Mordrate der Welt. Zum Vergleich: die heute gefährlichste Stadt ist Caracas mit einer Mordrate von 120. In den letzten Jahren wurde Medellin mit diversen kulturellen, sozialen und vor allem Immobilienprojekten aufgewertet. Im ehemals schlimmsten Viertel der Stadt – eine Art Favela an einem Berghang – wurden Rolltreppen bis ganz nach oben gebaut. Diese werden bewacht und sind so ein beliebtes Ausflugsziel. Jugendliche aus dieser Comuna 13 verdienen sich mit Graffiti-Touren ein Sackgeld. Auch mehrere Seilbahnen, die Metro und eine schicke Bibliothek sind solche Projekte und die Paisas (so werden die Einwohner Medellins genannt) sind stolz darauf. So stolz, dass es eine Schande wäre, sich in der Metro daneben zu benehmen. So sind die Stationen sowie die Züge blitz-sauber, es ist nicht erlaubt, etwas zu essen und auch die krassesten Kids kommen nicht auf die Idee, eine Scheibe zu verkratzen. Die schlimme Vergangenheit wird aber auch gebührend vermarktet. So gibt es z.B. eine Pablo-Escobar-Paintball-Tour. Und man kann sich auch mit seinem Bruder treffen, der für Geld Fragen beantwortet. Viele Kolumbianer versuchen sich davon zu distanzieren und sind genervt, wenn man sie nach Drogen fragt. Einer sagte mir, er gehe ja auch nicht nach Deutschland und fragt ständig nach, ob er einen Nazi treffen kann. Ich habe viele Traveler gesehen, die begeistert waren von Medellins Partyszene und dem günstigen Kokain. Und so rein, direkt von der Quelle. Gäbe es Bio-Kokain, würde sich das wahrscheinlich auch noch gut verkaufen. Dass dafür Menschen sterben geht irgendwie vergessen. Trotzdem hatte ich in Medellin eine super Zeit und lernte einige gute Leute kennen.
Aber so gut mir Medellin auch gefallen hat, brauchte ich nun wieder etwas ruhigeres und zog weiter nach Salento, einem Kaffeedörfli ca. 7h südlich von Medellin. Ganz in der Nähe gibt es ein Tal mit berühmten Wachspalmen, die bis zu 50m hoch werden. Da die Kolumbianer zur Zeit gerade Ferien haben, habe ich mir eine Unterkunft reserviert. Zum Glück. Ich konnte ja nicht ahnen, dass das halbe Land dort war (die andere Hälfte ist übrigens gerade offenbar auf der Insel San Andres am Strand, wie ich heute festgestellt habe..). Salento feierte nämlich Anfang Januar eine ganze Woche lang sein 175-jähriges Bestehen. Aber ich hatte sowieso vor, eine Mehrtageswanderung in den Nationalpark unternehmen. Zu viert leisteten wir uns einen Guide, um den Parque Nacional Natural de los Nevados zu erkunden. Mit einem „Willy“ wurden wir ins nächste Dorf gefahren wo die Wanderung startete. Die Jeeps sind von der US-Armee für den 2. Weltkrieg entwickelt worden und werden seit den 50er Jahren in kolumbiens Kaffeegebieten eingesetzt.
Meine Wandergruppe aus Vancouver war mindestens ü50 aber topfit und wandererprobt auf der ganzen Welt. Ob ich auch schon die TMB (= Tour de Mont-Blanc, it’s a thing!) gemacht habe, sei ja quasi direkt vor meiner Haustüre. Ich habe das soeben nochmal genauer nachgeschaut. Das wäre mein Vorschlag an Natalja und Raffi für nach dem „O“; 170km rund um den Mont-Blanc mit ca. 10‘000 Höhenmetern.. Ich konnte dann aber zum Glück gut mithalten, denn auf knapp 4500m.ü.m. kamen alle etwas ins Schnaufen. Übernachtet wurde in Fincas in den Bergen, wo wir uns jeweils in der Küche am Feuer aufwärmten. „Very rustic“ fanden nicht nur die Kanadier. Der Wert einer warmen Dusche steigt umgekehrt proportional zur Aussentemperatur. Besonders dann, wenn ausserhalb der Küche nicht geheizt wird. Wir hatten leider nicht so viel Glück mit dem Wetter. Es regnete oder hagelte jeden Tag, was den Abstieg zu einer sehr rutschigen Sache machte. Ich war froh um die Wanderstöcke, die ich im Dorf ausgeliehen habe. Trotz aller Strapazen war es ein super Erlebnis. Zurück im Dorf, voller Schlamm, drei Tage nicht geduscht, freute ich mich auf mein einfaches aber gutes Guesthouse, wo mich Doña Heneriette schon erwartete. Leider hatte das argentinische Model aus meinem Dormitorio (das dachte zumindest er selber von sich), schon das ganze warme Wasser aufgebraucht, weil es hier ja soo kalt sei. Aber eben: umgekehrt proportional… und in Salento waren es immerhin gute 20°C..
Am nächsten Tag ging ich nach Empfehlung von Heneriette auf eine Kaffetour. Ich soll das Dorf über die gelbe Brücke verlassen und nach einiger Zeit Fussmarsch kommen mehrere Fincas, die Touren anbieten. Ich landete in der „Las Acacias Coffee Farm“, wo ich für etwa CHF 2.50 eine Führung durch die ganze Finca erhielt inklusive Kaffee natürlich. Wie schon in jedem einzelnen Land in Zentralamerika genoss ich auch hier wieder einmal el mejor cafe del mundo.
In diesem Kaffeegebiet ist ein Dörfchen schöner als das andere. Deshalb machte ich auf dem Weg in die Karibik noch einen Zwischenstopp in Jardín, was sich selber das schönste Dorf der Zona cafetera nennt. Alleine für die Busfahrt, lohnt es sich schon, hierher zu kommen. Für die Aussicht aus dem Bus wohlgemerkt, nicht für die Fahrt an sich. Die ist nämlich eher unkomfortabel aufgrund der kurvigen Strassen und in unserem Falle auch des Fahrstiles des Chauffeurs. Schon vor Abfahrt wurden Plastiktüten verteilt. Die Investitionen des Busunternehmens konzentrierten sich anscheinend vor allem auf die Ausstattung der Minibusse und so konnten wir auf einem brandneuen TV Fast & Furios 7 (!) schauen. Wahrscheinlich durfte der Chauffeur auswählen.. In Jardín scheint die Zeit irgendwie stehengeblieben. Leider hatte ich keinen Fotoapparat dabei, als ein Bauer mit Cowboyhut versuchte, mit dem Lasso ein entlaufenes Kalb wieder einzufangen. Das in einem Tal gelegene Dorf ist wirklich sehr schön und macht seinem Namen alle Ehre. Auch für Vogelbeobachter ist es ein Paradies, es gibt eine riesige Vielfalt vom Kolibri bis zum Adler. Ok, das waren jetzt schon alle, die ich identifizieren konnte. Das Birdwatching überlasse ich den Amerikanern. Es gibt an beiden Berghängen eine Seilbahen – eine alte und eine neue. Die Neue war leider gerade ausser Betrieb, als ich zu Fuss oben ankam. Und so stolperte ich durch ein Zuckerrohrfeld wieder hinunter ins Dorf, weil ich nicht den selben Weg zurück nehmen wollte. Der Pfad war nicht immer so ganz eindeutig und wahrscheinlich auch nicht sehr offiziell, was man eigentlich schon am Stacheldraht hätte erkennen können (meine Tetanusimpfung ist also noch gültig, habs am Abend nachgeschaut..). Zumindest war meine Wanderung so ein Rundweg und nicht hin und zurück. Auf der anderen Talseite war es etwas einfacher, da der Betrieb der alten Seilbahn weniger aufwändig war. Man setzt sich ins farbige Holzkistli und dann wird man runtergelassen oder raufgezogen. Wahrscheinlich werde ich noch einmal in diese Region zurückkommen. Eine logische Reiseroute in Kolumbien ist nicht so einfach zu finden, aber dafür ist es mit dem Abstecher nach Argentinien ja sowieso schon zu spät. Jetzt ist es definitiv Zeit für Strand, Palmen und Meer. Ein Ort, wo ich mich auf die kalte Dusche am Abend freuen kann..