Wir reisen, also sind wir
Wir reisen, also sind wir
vakantio.de/wirreisenalsosindwir

Nicaragua: Managua

Veröffentlicht: 23.05.2018

Managua ist die Hauptstadt Nicaraguas und gilt als sehr gefährlich. Dies schindete bei uns allerdings nur noch mässig Eindruck, nachdem wir ja bereits alle anderen als sehr gefährlich geltenden Hauptstädte Zentralamerikas besucht hatten. Und tatsächlich waren wir von Managua positiv überrascht. Obwohl man liest, es gäbe überhaupt nichts zu sehen, und es verirrten sich keine Touristen hierher, gibt es doch einige ganz hübsche Ecken und es lässt sich also gut ein oder zwei Tage hier aushalten.

Hauptsächlich waren wir allerdings hierher gekommen, um unser Visum zu verlängern. Mal wieder. Auch so eine dubiose Geschichte. Man muss dazu wissen, dass die Länder Guatemala, El Salvador, Honduras und Nicaragua ein Bündnis eingegangen sind und nun die sogenannten CA4-Staaten bilden. Das wussten wir zwar, allerdings tröpfelte nur nach und nach in unser Bewusstsein, dass unser Visum über 90 Tage für den Aufenthalt in all diesen 4 Ländern gilt. Zuvor waren wir nämlich davon ausgegangen, so wie es auch vielerorts im Internet und im Reiseführer beschrieben ist, dass man als Schweizer bei der Einreise in jedes zentralamerikanische Land ein Visum für 90 Tage erhält. Nun, tut man eben nicht. Man bezahlt zwar an jeder Grenze landesspezifisch eine Ein- oder Ausreisesteuer, unter Umständen sogar beides. In Nicaragua beispielsweise muss man bei der Einreise 12 Dollar an Steuern zahlen und bei der Ausreise nochmals 2 Dollar. Den Sinn und Unsinn dahinter kann man natürlich hinterfragen. Noch unsinniger ist allerdings, dass man, obwohl man ständig zur Kasse gebeten wird, trotzdem kein neues Visum erhält. Wenn man aus einem anderen CA4-Staat einreist, läuft die 90 Tagesfrist seit der ersten Einreise in eines der Länder einfach weiter. Was für ein Schwachsinn.
Nun, wir waren am 08. Februar das erste Mal nach Guatemala eingereist, damals begann die Uhr zu ticken. Als wir das zweite Mal aus El Salvador nach Guate reisten, markierte der Zollbeamte auch tatsächlich von Hand die verbleibende Anzahl Tage im Pass. Ironischerweise wurden bei mir und Jörg jeweils eine unterschiedliche Anzahl Resttage vermerkt, einer der Zollbeamten war wohl nicht gerade die hellste Leuchte unter dem Himmel. Tatsächlich haben wir das damals schon bemerkt, aber das ehrlich gesagt einfach nicht weiter hinterfragt. Wenn man mal am Punkt angekommen ist, wo man kaum noch weiss, welcher Wochentag gerade ist, hat man auch kein Gefühl mehr für die Anzahl an Tagen, die verstreicht.
In Honduras allerdings, als wir in Tela unsere Audienz im Migrationsbüro hatten wegen dem Verlust der Einreisebestätigung, machte uns der freundliche Beamte darauf aufmerksam, dass wir unser Visum verlängern müssten, wenn wir wie geplant 3-4 Wochen in Nicaragua bleiben wollten. Auf unserem honduranischen Einreisestempel stand auch tatsächlich das genaue Datum vermerkt, zu welchem wir die CA4 Zone verlassen müssten. Aha. Das war uns bisher ehrlich gesagt nicht aufgefallen, nein. Er meinte, er könne das Visum zwar schon selber um 30 Tage verlängern, aber das würde dann ab heute gelten und dann wieder nicht reichen bis zu unserem geplanten Ausreisedatum. Es blieb uns also nichts anderes übrig: Wir würden das Visum in Nicaragua verlängern müssen.
Bereits in Leon waren wir bei der Immigrationsbehörde vorstellig geworden, und die gute Frau dort war zwar nach einigen Rückfragen willig, uns zu helfen, allerdings müsse sie unsere Pässe dazu nach Managua senden, um dort gestempelt zu werden, das würde eine Woche dauern. Erstens hatten wir absolut keine Lust, eine Woche in Leon auf unsere Pässe zu warten, und zweitens waren wir schon gar nicht erfreut beim Gedanken, unsere Pässe überhaupt aus der Hand zu geben und kreuz und quer im Land herumzusenden. Also würden wir selber nach Managua reisen und die Visa dort verlängern lassen.
Gesagt getan, und so fanden wir uns bei der Migrationsbehörde von Managua ein. Die Atmosphäre glich beinahe einem Volksfest, ein riesiger Aufmarsch an Menschen, überall gab es Essens- und Getränkestände, und spätestens dadurch wurde uns klar: hier würden wir nicht so schnell wieder wegkommen.
Als dann endlich endlich unsere Nummer aufgerufen wurde, blätterte die Frau eine Weile in unseren Pässen und meinte dann: sie könne unser Visum nicht verlängern, die 90 Tage seien ja noch gar nicht abgelaufen. Wir seien ja zweimal nach Guatemala eingereist, und die Frist habe da ein zweites Mal bei 90 Tagen begonnen. Wir widersprachen, schliesslich wollten wir vermeiden, an der Grenze bei der Ausreise wegen des überzogenen Visums Probleme zu bekommen, insbesondere da wir einen fixen Abflugtermin aus Costa Rica hatten und diesen nicht wegen allfälliger Verzögerungen am Zoll gefährden wollten. Und ausserdem waren wir extra wegen der Verlängerung des Visums hierhergekommen, hatten Stunden im heissen und stickigen Warteraum gewartet, und wir würden ohne die Verlängerung hier nicht wieder weggehen! Wir erklärten der Beamtin, dass wir das zweite Mal aus El Salvador nach Guate gereist waren, und damit die CA4-Zone gar nicht verlassen hatten. Dummerweise hatte es aber bei der Ein- und Ausreise in El Salvador keinen Stempel in den Pass gegeben! Da wurde die Gute dann doch stutzig. Sie trommelte ihr ganzes Team inkl. Chefin zusammen, und so standen sie zu fünft zusammen und berieten sich. Alle anderen Leute mussten halt solange warten. Schlussendlich mussten wir tatsächlich auch noch der Chefin die Visumsbestimmungen in ihrem eigenen Land erklären!
Das ist wirklich typisch Zentralamerika: man beschliesst, ein gemeinsames Grenzgebiet zu gründen. Schön. Aber das ist dann auch grad alles an Harmonisierung und Absprache. Ansonsten ist nämlich absolut gar nichts einheitlich geregelt. Guatemala stempelt den Pass, Honduras und Nicaragua drücken einem einen kleinen Fötzel als Einreisebestätigung in die Hand, Salvador erfasst die Einreise nur elektronisch. Die einen verlangen Einreisesteuern, die anderen Ausreisesteuern, die nächsten sogar beides, und die übrigen verlangen gar nichts. Die linke Hand weiss nicht, was die rechte tut. Ein riesen Chaos. Der Einzige, der einen kompetenten Eindruck gemacht hatte, war der Beamte in Honduras gewesen, und deswegen waren wir auch überzeugt, dass wir die Verlängerung des Visums benötigen. Irgendwann durchschaute auch die Chefin der Nica-Behörde die Situation, sie machte plötzlich grosse Augen, und machte sich eilig mit unseren Pässen davon. Natürlich nicht, ohne dass wir vorher nochmals je 20 Dollar für eine Verlängerung um 30 Tage hatten blechen müssen. Aber immer noch besser, als an der Grenze eine saftige Strafe für das Überziehen des Visums zu zahlen, dachten wir uns. Und wenigstens hatten wir dadurch einen Stempel von Nicaragua in den Pass bekommen. Einen teuren Fleck Farbe. Spannenderweise wurden wir nachdem wir selber der Behörde die Regelungen erklärt hatten, auch nichts mehr gefragt. Die Dame in Leon hatte noch wissen wollen, ob wir ein Rückflugticket vorweisen können und wieviel Geld wir hätten. Hier stellte nun niemand mehr solche Fragen.

Nachdem das endlich erledigt war, machten wir uns auf Richtung Innenstadt, um noch etwas von Managua zu sehen. Am Plaza de la Revolucion sahen wir uns die Antigua Catedral an, die leere Hülle von Managuas im Erdbeben von 1972 zerstörter alter Kathedrale. Gleich neben dem Platz befindet sich ausserdem ein hübscher Park in welchem sich die Gräber von bekannten Sandinistenkommandanten (zb. Carlos Fonseca) und Volkshelden befinden.

Später spazierten wir zur Seepromenade, dem Malecon, wo der Touristenkomplex Puerto Salvador Allende gerade renoviert worden war. Auf der riesigen Anlage gibt es Restaurants und Bars, einen Schiffsanleger, Sitzbänke, Pick-nick-Tische, Spielplätze, eine Go-Kart-Bahn und einen Spazierweg am Ufer entlang. Die Anlage ist für bestimmt tausend Menschen ausgelegt, und sie war fast komplett leer. Wir dachten uns, dass die Leute wohl eher gegen Abend kommen würden, aber wir irrten uns, auch abends waren wir fast die einzigen Leute da, obwohl es wirklich ganz hübsch ist, alles ist sehr farbig gestaltet. Aber nebst der Tatsache, dass man ein kleines Eintrittsgeld zahlen muss, befinden sich auch die Restaurants eher in der oberen Preisklasse, so dass es sich die meisten Nicas wohl gar nicht leisten können, hier zu essen.

Überall im Stadtzentrum Managuas konnten wir entlang der Strassen riesige, farbige Bäume aus Metall bestaunen, die sogenannten Arboles de la Vida (Bäume des Lebens), die nachts auch beleuchtet werden. Das sieht eigentlich wirklich noch hübsch aus, fanden wir. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass wir Tage später in der Zeitung Bilder davon sehen würden, wie die einheimischen Demonstranten diese Bäume niederrissen und zerstörten. Auch in Leon gibt bzw. gab es einen solchen Baum, der aber ebenfalls von einem Mob zerstört wurde. Die unbeliebte Ehefrau des Präsidenten Daniel Ortega hatte diese Bäume aufstellen lassen, um die Stadt zu verschönern und für Touristen attraktiver zu machen. Der Bau der Strukturen hatte sehr viel (Steuer-) Geld gekostet und war daher offenbar vielen Einheimischen ein Dorn im Auge. Irgendwie auch verständlich. Nicaragua gilt als das ärmste Land des amerikanischen Kontinents, und man kann nachvollziehen, dass die Menschen ihr hartverdientes Steuergeld ungern für ein paar farbige Metallbäume verschwendet sehen, von denen sie selber gar nichts haben. Besonders die Leute, die selber nicht im Tourismus arbeiten und nicht direkt von den Ausländern profitieren, müssen dafür wohl am meisten Unverständnis haben. An dieser Stelle fragt man sich auch, wieviel Geld wohl für die Renovation des menschenleeren Touristenzentrums am Malecon drauf gegangen sein muss, wo sich wie gesagt die meisten Einheimischen wohl kaum ein Abendessen leisten können.

Am nächsten Tag würden wir angesichts verrichteter Dinge wieder nach Leon zurückkehren, um von dort nach Esteli weiterzureisen.

Antworten

Nicaragua
Reiseberichte Nicaragua
#nicaragua#managua