Capo Rosso

Logbuch-Eintrag Captain Wim:

"Einen Steuermann sucht man sich nicht aus, man nimmt ihn zum Schiff dazu! Machte er anfangs einen durchaus geeigneten Eindruck, frag ich mich heute, wie wir es bis hier geschafft haben. Als Trossbarde würde ich ihn jederzeit weiterempfehlen; doch es beschleicht mich immer wieder der Eindruck, dass der Hobbymatrose die Sache nicht Ernst genug nimmt. Geistig wirkt er mitunter verwirrt! Körperliche Leistungsfähigkeit lässt er vermissen. Seine navigatorischen Fähigkeiten - naja. Ein Wunder, dass unser Schiff noch nicht gesunken ist...

So lag es für mich nahe, dem Hafenbarden mal eine Lektion zu erteilen und das Capo Rosso, vor dem wir vor Anker lagen schien dazu bestens geeignet. 520Höhenmeter bis zum Turm hoch oben auf dem Berg..."

Der Captain überraschte uns heute Morgen mit der Idee einer Teambildungsmaßnahme. Ziel unseres Tages war die Besteigung des Capo Rosso, ein Aussichtspunkt hoch oben an der Wetsspitze einer kleinen Landzunge unterhalb von Piana. Da ein richtiger Seebär keinen Fuß an Land setzt, wählte er den Bondolino als sein Transportmittel. Mir wurde die Ehre zu Teil, ihn brustwärts den Berg hoch zu tragen. Zunächst lief alles gut an, kurz vordem Einstieg in die Route erhielten wir von entgegenkommenden Landkrabben den Tipp, dass die Wahl unseres Schuhwerks -wir trugen Trekkingsandalen- doch ruhig etwas fester ausfallen könnte. Dankend kehrten wir kurz zum Schiff zurück und wähnten uns anschließend bestens vorbereitet. Der Admiral hatte im Handbuch für Seebären eine geeignete Route erkundet. Hier stand, dass die Route "sehr leicht" wäre und in einer Stunde zu schaffen sei. Nach einer Stunde hatten wir 2/3 der Strecke geschafft. Es war ein erhabenes Gefühl den Captain Brust an Brust Richtung Capo zu tragen. Allerdings forderte die Mittagssonne ihren Tribut. Zwischen der vom Seewind glatt gebürsteten Captainbrust und meiner entstand mehr "Kultur" als in jedem Biojoghurt. Verdammt! So eisern mein Wille war, den Captain zu beeindrucken, so sehr spürten meine Oberschenkel und Waden, warum ich mich am liebsten auf NN aufhalte. Der Admiral, der unser Marschgepäck trug, hatte auch schon mal bessere Tage gesehen. Am Fuße der letzten Etappe hatte der Captain erbarmen und schickte mich alleine hoch. Doch sollte ich binnen einer Stunde nicht wieder da sein, könne ich auch direkt oben bleiben. Er würde in der Zwischenzeit mit Admiral Curby (von deren Leistungsfähigkeit er offensichtlich mehr überzeugt war) am Fuße warten und eine Milchmahlzeit zu sich nehmen.

Was soll ich sagen: Der Typ, der geschrieben hat, die Route sei leicht, gehört ans Kreuz des Südens genagelt oder rückwärts die Eigernordwand hochgeschickt. Von Wanderweg war auf der letzten Etappe nichts zu sehen, vielmehr galt es eine Geröllwüste zu erklimmen, an deren Ende schließlich der Turm und ein phänomenaler Ausblick auf die Westseite der Insel wartete. Mein Herz pumpte wie ein Dieselmotor der Titanik und mein T-Shirt war nasser als die See bei Sturm. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum der Captain -ob meiner schlechten Zeit- ein Nachsehen mit mir hatte. Vielleicht waren es aber auch die zahlreichen Fotos, die ihm beliebten, die ich oben am Turm von der Umgebung machen konnte. Nun nur noch ne Stunde Brust-an-Brust zurück und die Teambildungsmaßnahme konnte als Erfolg verbucht werden.

Zum Glück fanden wir anschließend noch einen schönen Ankerplatz vor einem paradiesischen Strand. Der Admiral und ich stürzten uns ins Meer und auch der Captain kann mittlerweile mit Fug und Recht behaupten, seine speckigen Laufflossen ins zweite Meer seines doch noch kurzen Lebens gehalten zu haben.