Veröffentlicht: 04.03.2022
Meine letze Mehrtages-Radtour ist 12 Jahre her, das war mit meinem ältesten Sohn - damals 15 - und mit dem MTB im Karwendel und Übernachtung auf Alpenvereinshütten. Die vielen, schönen, langen und großen Radeltouren habe ich alle vor 1989 gemacht, höchste Zeit also, wieder anzufangen.
DIe Hessen - RLP - Saarland - Radltour ist meine Test-Tour, testen, ob es noch geht, ob die alten Knochen halten - nein, ich habe kein E-Bike- ich trete noch selbst. Und vor allem, ob ich noch Spaß daran habe, oder ob ich inzwischen zu bequem geworden bin, zu komfortzonenorientiert, warmduschend und weicheiessend - zum Frühstück.
Es hat wieder Nachtfrost, weshalb ich nach dem Frühstück noch ein bisschen herumtrödele darauf wartend, dass die Märzsonne mit ihren ersten Strahlen meine schwarze Radlhose wärmen kann. Allzu lange möchte ich allerdings nicht warten, zu groß ist das Tagespensum, zu ungewiss die Kondition. 8:40 Uhr Start mit dicken Handschuhen, Schlauchtuch unter dem Helm und zwei Merino-Schichten unter der Softshelljacke - das Thermometer des Fahrradtachos zeigt 0,3 °C.
Die Strecke bis zur Mainmündung kenne ich noch vom letztem Sommer, damals bin ich sie mit zwei Kollegen geradelt, trotzdem verpasse ich die Main-Brücke in Sindlingen und muss einmal mein Rad und einmal die Packtaschen die Stufen der Mainbrücke in Eddersheim rauftragen. Tja, wer (Karte) lesen kann, ist klar im Vorteil :)
Vom Mainspitz nach Oppenheim fahre ich in einer Art Trance-Zustand, es hat eine Mischung aus nicht-mehr-Nebel und fast-strahlendem-Sonnenschein. Kaum ein Mensch ist unterwegs, ich bin alleine auf der Rad-Autobahn, alleine mit ein paar Raubvögeln und der Stille.
In Oppenheim will die Fähre über den Rhein gerade ablegen, ich schlüpfe gerade noch drauf. 2,50€ zahle ich gerne für dieses Vergnügen. Danach hab ich erstmal Schwierigkeiten, die richtige Route zu finden und mache ein paar unnötige Kilometer, bis ich verstanden habe, dass es zwei Radwege gibt, einen unbefestigten, direkt am Rhein und einen asphaltierten, westliche des Hochwasserschutz-Dammes.
Kaum habe ich die richtige Route (wieder) gefunden, meldet sich mein innerer Schweinehund. Pipi, meint er. Und danach Durst. Es folgen Hunger, ist-das-noch-die-richtige-Route?, zu warm / doch zu windig und am Ende was-soll-das-alles, daheim-ist-es-doch-auch-schön.
Müde und durchgefroren lade ich meinen Schweinehund in einem Wormser Gewerbegebiet bei McDonalds auf einen Cappuccino ein. Dort ist es leer, warm und es gibt sogar Steckdosen, an denen man iPhones mit leistungsschwachen Akkus pimpen kann - der Akku war bei meinem alten Samsung um Größenordnungen besser.
Frisch aufgeladen findet das Handy-Navi dann auch durch die Wirren der Wormser Innenstadt. Den St. Peter Dom spare ich mir ob der fortgeschrittenen Zeit, obwohl er von außen ja schon sehr sehenswert aussieht. Mehr oder weniger zufällig stoße ich mitten in Worms auf ein Schild „Barbarossa Radweg“. Prima, den wollte ich eh nehmen. Erleichtert fahre ich nach Westen, immer der Abendsonne entgegen. Selbige ist schon untergegangen, als ich nach 108 km endlich meine Unterkunft in Grünstadt erreiche und es sofort wieder empfindlich kalt wird.
Die Wollhandschuhe hab ich den ganzen Tag nicht ausgezogen.
https://www.komoot.de/tour/690643992?ref=itd
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