wanderlaus
wanderlaus
vakantio.de/wanderlaus

Seoul - Hanok und Demofieber

Veröffentlicht: 15.04.2019

Nach einem späten Frühstück (klingt widersprüchlich) machen wir einen Spaziergang durch die hanoks (traditionelle Stadtwohnhäuser Koreas) im Quartier Bukchon. Durch verwinkelte, enge Gassen führt der Weg vorbei an hippen Läden und ganzen Wohnkomplexen, wo Kurse in traditionellen Künsten Koreas angeboten werden. Das kann von Taschentuchfärben bis Knotenknüpfen zu Zitherspiel gehen.

 Die Wohnhäuser sind wunderbar restauriert und immer wieder erhält man eindrückliche Blicke auf das moderne Seoul - sehr interessante Gegensätze. Bei den Touristen scheint es beliebt zu sein, die traditionellen koreanischen Gewänder (hanbok) zu tragen. Ich kann nicht ganz verstehen, was jemanden dazu bringt, die billigen Polyester-Nachahmungen bei der starken Sonnenstrahlung zu tragen - man schwitzt darin ja nur und vor allem sieht man sofort den Unterschied zu den RICHTIGEN Trachten, welche aus schönster Seide und Ramie gemacht sind. Naja, die Leute haben aber offensichtlich sehr viel Spass dabei. Überall werden Fotos gemacht, die hanoks und hanboks sind aber auch sehr fotogen. Vor allem in Kombination. :)

Danach gehen wir ins Insadong-Quartier zum Bummeln und Mittagessen. Wir essen köstliche gegrillte Makrele und erhalten wieder mal gefühlte tausend Tellerchen mit anderen Köstlichkeiten dazu. Mir rutscht das Herz in die Hose als ich von der Suppe koste und eine Muschel an die Oberfläche schwimmt. Auf Miesmuscheln bin ich allergisch und andere Muscheln habe ich danach nie gewagt zu probieren. Hier starrt mich eine Muschel unbekannter Art an. Uhoh, nun heisst es das Beste hoffen! Wir entscheiden uns also für ein Programm, das man jederzeit abbrechen kann und gehen ins National Museum of Korea - gratis Eintritt! Dabei gehen wir am Jogyesa-Tempel vorbei, der grösste aktive Zen-buddhistische Tempel in Korea. Was für ein Treiben: zuerst müssen wir durch eine Demo einer Gewerkschaft durchlaufen, welche ohrenbetäubende Parolen und Musik laufen lässt. Beim Tempel fängt gerade das Gebet an, das per Lautsprecher auch ausserhalb des Gebetsraumes übertragen wird. Der monotone Sprechgesang des Mönches vermischt sich mit den sozialistischen Parolen der Demo nebenan. Zusätzlich übt eine Gruppe von Menschen eine Choreographie für die grosse Parade vor Buddhas Geburtstag am 5. Mai - natürlich mit eigener Musik. 

Was für ein Lärm! Wer sich eine andächtige Besichtigung des Tempels erhofft hat, lag jedenfalls komplett falsch. Flucht nach vorne und ins Museum!

Wirklich unglaubliche Schätze eröffnen sich uns dort. Hin uns wieder können wir uns den Vergleich mit den chinesischen Errungenschaften nicht verkneifen („Wer hat‘s erfunden?“), aber klar ist, dass die Koreaner einen ebenso ausgereiften Sinn für Ästethik, Philosophie und  nicht zuletzt - Machtansprüchen gehabt haben. Allerdings wird während der Ausstellung und auch bei anderen Gelegenheiten klar, dass der Vergleich mit China oder Japan nicht geschätzt wird. Die mehrfache Eroberung Koreas von Japan über die letzten Jahrhunderte und vor allem zuletzt von 1910 bis 1945 hat die koreanische Seele schwer verwundet. Japan ist zwar omnipräsent in Seoul, aber besser nicht zu erwähnen. Ausser es geht um Essen, da sind die Koreaner sehr offen für alle Einflüsse. 

Wir wagen uns abends (und nachdem ich vor einem Angriff der Muscheln in Sicherheit war) nur noch in einen Imbiss bei uns um die Ecke. Bibimbap mit Rindfleisch - mhmmm. Zwar nicht mit einem Lächeln serviert aber trotzdem wärmend. 

Antworten

#hanok#seoul#korea#jogyesa#buddhismus#demo