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Unruhen in Chile

Veröffentlicht: 23.10.2019

Seit letztem Wochenende demonstrieren viele Chilenen auf den Straßen von Santiago, Valparaiso, Antofagasta und vielen weiteren Städten...ja auch hier in Valdivia. Und warum? Die Metro wird vier Cent teurer. Das ist aber nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Chile sei eines der stabilsten Länder Südamerikas mit dem höchsten pro Kopf- Einkommen. Das stimmt, aber die Schere zwischen Arm und Reich ist einfach zu groß. Ich merke das hier an sehr vielen kleinen Dingen. Es ist vollkommen normal, dass wenn man sich in einem Lokal trifft einige Chilenen nichts bestellen. Sie dürfen trotzdem bleiben. Die meisten Studenten fahren über das Wochenende zu ihren Eltern nach Hause, weil sie dort „billiger“ leben können. Am Anfang des Montats benötigt man 4h bei der Bank, um Geld abheben zu können. Wenn man etwas im Internet bestellt, sei es auch nur für 10 Euro, kann man das in Monatsraten verrechnen lassen.

Das Paradoxe ist, man merkt es den Menschen nicht an. Zeit für ein nettes Gespräch, einen Kaffee ist immer. Alles mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie versuchen immer zu helfen, für einen da zu sein und laden dich auch zum Essen ein.

Andererseits hat Chile die zweithöchste Selbstmordrate unter jungen Leuten. Das gesamte Bildungs- Arbeits- und Gesundheitssystem übt einen immensen Druck auf die Bevölkerung aus. Zum Beispiel, Bildung ist hier nicht kostenlos, aber es gibt Stipendien vom Staat. Aber nur, wenn man alle rechtlichen Auflagen erfüllt. Eine nicht bestandene Prüfung, welche dazu führt, das man ein Jahr länger studieren muss bedeutet in Fakt: 20 Jahre Kredit an den Staat abbezahlen. Aber die Familie benötigt das Geld, denn im Durchschnitt bekommt man eine Rente von 200 Euro. Dennoch sind die Lebenshaltungskosten in Chile sogar höher als in Deutschland! Grob geschätzt würde ich behaupten, hier im Supermarkt bezahle ich 20 Prozent mehr. Mir fällt es hier sehr schwer die Relationen zu begreifen und ich war schon vor den Protesten geschockt über die Gesamtsituation.

Nun sind 30 Jahre stumme Unzufriedenheit über Politiker, die diese Probleme nicht sehen, hochgekocht. Der Präsident sah sich nicht anders zu helfen, als das Militär einzusetzen, was zu weiteren Unruhen führte. Die ältere Bevölkerung fürchtet sich, sie hat die Militärdiktatur vor 1990 in Chile erlebt.

Es ist ein seltsames Gefühl das hier alles vor Ort mitzuerleben. Die Proteste in Valdivia fingen Samstagabend an. Ich habe das kaum mitbekommen, denn ich war den ganzen Tag in einem Nationalpark, welcher etwas außerhalb liegt. Als ich im Bus zurückfuhr, sah ich nur Menschenmassen auf dem Marktplatz. Zu Hause explodierte mein Whats-App von Bildern mit Barrikaden, Militärfahrzeugen und Feuern auf der Straße. Der MC- Donalds wurde abgebrannt und einige Bankgebäude zerstört. Ich war an diesem Abend aber viel zu müde, um das alles richtig zu realisieren. Am nächsten Tag war ich bei einer chilenischen Familie eingeladen, sie klärten mich über die ganze Situation auf. Die großen Supermärkte waren zu, die Banken auch. Jeder stürmte in einen lokalen Markt und versuchte noch so viel wie möglich einzukaufen, bevor das Chaos ausbricht. Ellenlange Schlangen an den Tankstellen. Das Verhalten der Leute beängstigte mich. Es war, als wenn sie sich auf einen „Weltuntergang“ vorbereiteten. Im Laufe das Nachmittags erhielten wir die Nachricht von der Ausgangssperre in Valdivia. Die Mutter meines Freundes bat mich, meinen Freund bei mir aufzunehmen, dass er nicht allein in der Wohnung ist. Für den morgigen Tag waren weitere Demonstrationen angesagt und die Supermärkte hatten weiterhin geschlossen. Auch die Uni war Montag und Dienstag geschlossen und es gab weitere Ausgangssperren.

Diese Beschreibung der Situation stimmt, aber die Proteste in Valdivia verliefen ganz friedlich und ohne weitere Ausschreitungen. Ich fühle mich am Tag auf den Straßen sehr sicher, so sicher, dass ich mir ein paar Dinge in und um die Stadt anschaue, denn man hat ja nicht immer so viel Freizeit. Ich denke es wird die gesamte Woche hier friedliche Proteste geben. Ich hoffe die Lage in Gesamtchile beruhigt sich in der folgenden Zeit, aber dennoch hoffe ich dass die Chilenen in dem Protest etwas erreichen!

Frieda, mir gehts gut keine Sorge :), 23.10 2019

Antworten (1)

Nanette
Hallo Frieda unsere Tochter Julia, 15 Jahre, ist auch in Valdivia und wohnt gleich neben der Robbenstation. Sie verbringt ein Austauschjahr bei einer Gastfamilie. Ich habe ihr deinen Blog empfohlen und vielleicht kann sie dich besuchen. Die Schule war gesperrt und ist jetzt ein Ort des Protestes, sie stirbt vor Langeweile und die Brücke zur Stadt ist oft gesperrt. Wir hoffen der Alltag kehrt bald zurück und ihr seid sicher! LG Nanette

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