2017 VespamerikasuR 2019
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vakantio.de/vespaamerikasur

ab 05.12.: Cuiabà / Matto Grosso

Veröffentlicht: 06.12.2018

05.12.:

es ist trocken und heiss! 33 grad!

ich entscheide, mein outfit anzupassen. die motorrad-regenjacke wird durch meinen anorack ersetzt, die regenhose, durch eine lange hose.  vielleicht lassen sich so die temperaturen besser aushalten.

nach cuiabà sind es knapp 220 km. ich bin sofort auf der BR 070. der verkehr lässt ein zügiges fahren zu. die straßenverhältnisse sind gut! sie sind immer gut, solange asphaltiert ist. erst dann kommen die ansprüche, dass schlaglöcher oder ausgefahrene spurrillen nicht sein müssen. auch hier ist es so. die spurrillen machen das fahren  schwer, weil die vepse dann nicht mir gehorcht, sondern sich eine der ausgefahrenen rinnen aussucht. das hat zur folge, dass wir beide uns nicht einig darüber sind, wer die führung übernimmt. die straße oder doch lieber ich. die folge dieser "diskussion" ist ein leichtes wedeln und schwimmen, aber dann macht sie wieder das, was ich möchte - bis zum nächsten mal.

in der ferne sind 6 bis 700 meter hohe berge zu sehen. ansonsten ist es wieder eine schöne strecke, wälder wechseln sich mit sumpfigen, tiefgrünen wiesen ab. sie erinnern an reisfelder. die neroles-rinder stehen bis zum bauch im wasser durchtränkten grases. wer die farbkombination grün-weiss mag, der könnte sich in diesem landschaftsabschnitt sattsehen. diese rindersorte hat indischen ursprung. sie ist parasitenbeständig und kommt auch gut mit der hitze und der prallen sonne zurecht. sie machen einen zufriedenen eindruck.

damit ich mir beim losfahren nicht den km-stand aufschreiben muss, bilde ich aus den letzten drei ziffern ein jahr und ein monat. heute ist es das jahr 62 im september. sprich 44.629 km. und dann stellt sich die frage, was denn in meinem leben im september 1962 passiert ist. vieles fällt mir ein. ich habe zeit, in den erinnerungen zu graben und vielees fördere ich zutage.

es ist zeit für eine pause. beine vertreten und die zweite vormittagszigarette.
seit meinem start in pto maldonado habe ich bisher keinen überlandbiker gesehen. keine dicken enduromaschinen, die auch vom pazifik zum atlantik wollen. auch heute nicht. stattdessen sehe ich auf der linken spur einen fahrradfahrer entlangstrampeln. nicht übermäßig bepackt. wir sehen uns und grüßen, doch dann dreht er um, weil auch er neurgierig darauf ist, was sich hinter dem ungewöhnlichen outfit dieses alleinreisenden verbirgt.

seine braslilianische bandeira weht im wind. er ist ein youngster, anfang, mitte 20. top fit!! kein schweisstropfen auf der stirn. er spricht englisch und erzählt, dass er mit dem rad nach ALASKA will. auch nach mehrmaligen versuchen gelingt es mir nicht, herauszufinden, wo er gestartet ist. seine route: kolumbien,venezuela (!), panama...

ALASKA! er als einheimischer weiss, dass es hier ersatzmäntel- und schläuche gibt.

noch dieses foto und dann schnell weiter. die sonne gibt alles!

wir machen fotos, und er fährt weiter. auf der linken spur. er hat sicherlich seine erfahrungen mit den lkw-fahrern gemacht und will sie lieber sehen, als sie von hinten nur zu hören und ihrer kraftvollen bugwelle überraschend ausgeliefert zu sein. bei dieser schnurgeraden strraßenführung bietet sich das regelrecht an.

es wird dunkel hinter mir, und es gibt sogar einige regentropfen, die hart auf meinen helm aufschlagen. aber ich bin schneller als das wetter und schon nach wenigen minuten hört es auf.

es ist kurz vor 12. canthina-zeit. an jeder größeren tankstelle gibt es sie. und damit auch die gewissheit, dass es für wenig geld viel zu essen gibt.

ich komme mir vor, wie auf der alm. es ist ein holzhaus, mit holzwänden, offenliegender balkenkonstruktion und dem mit roten ziegeln bedecktem satteldach.
ein üppiges buffet steht bereit. ich konzentriere meinen blick auf die salate und auf geschnittene mangos. da gibt es kein halten. der teller ist unbescheiden überladen. erst zu spät sehe ich, dass auch leckeres gemüse angeboten wird. ich werde noch mehrere male die chance haben.

noch 13 km bis zum ziel. von der ferne sehe ich schon die skyline dieser 500 tsd einwohner großen stadt, der hauptstadt von matto grosso. riesige weisse wolkenkratzer bohren sich in den himmel. ganz wohl ist mir nicht dabei. nicht wegen der wolkenkratzer, sondern wegen des verkehrs.

aber das navi funktioniert. das lesen fällt zwar schwer - die sonne steht nahezu senkrecht am himmel. so kann ich das display meines smarties nur einigermaßen gut entziffern, wenn ich ihm mit meiner hand schatten gebe. autofahrer sind abzuschätzen. zweiradfahrer nicht! sie kommen von beiden seiten in einem recht zügigen tempo herangefahren, arbeiten sich schlangenlinienfahrend durch die autokolonnen durch, um als erste an der kreuzung zu sein. wegen meiner heck-aufbauten verhalte ich mich manierlich und werde immer wieder von rechtsüberholenden motorrädern erschreckt. nach dem malheur in pto maldonado ist das ja auch nicht anders zu erwarten.

das einfädeln klappt. nur noch 30 meter bis zum ziel. ein hotel ist nicht auszumachen. ich fahre die nächste straße rechts rein, um nicht zu weit weg zu kommen und stelle fest, dass ich mich auf einer dreispurigen, gegen mich gerichteten einbahnstraße befinde und: dass auf der gegenüberliegenden seite ein streifenwagen geparkt ist. die dazugehörigen polizisten - noch recht jung an jahren - beobachten mich. sie sind meine chance! sie müssen wissen, wo sich das hotel befindet. erst dann bemerke ich meinen fahrfehler. in deutschland würde es punkte regnen... hier begegnen mir stattdessen drei grinsende gesichter. ich lasse sie nicht erst zu wort kommen, sondern frage sie nach der richtung. verständigung geht mit händen und füßen. sie fragen nicht woher ich komme. sie vermuten -  wie viele hier in südamerika - dass ich eine chilenische zulassung habe. die nummernschilder dort sehen ähnlich aus wie unsere.
und als ob nicht schon längst alle toleranzen ausgereizt sind, schickt mich der eine polizist in die gegenüberliegende einbahnstraße, die für mich gesperrt ist. es ist aber der kürzeste und sicherlich auch der am leichtesten zu beschreibende weg zum hotel.
als ich schon losfahren will, warnt er mich. die straße sei für mich gesperrt - ich solle vorsichtig sein!

so etwas geht nur in südamerika!

ich bin da! noch eine hürde ist zu nehmen, bis ich in mein klimarisiertes zimmer darf: die vepse muss in einer tiefgarage geparkt werden. ich versuche noch einen improvisierten stellplatz direkt hinter dem hotel herauszuhandeln, aber es ist definitiv kein platz vorgesehen.
die dame an der rezeption fragt schon fast abwehrend, ob ich reserviert hätte. ihr lag bei verneinung bestimmt schon auf der zunge, dass sie komplett ausgebucht wären... ich sehe auch nicht unbedingt vertrauenserweckend aus....

mein zimmer ist im sechsten stock mit einem tolllen blick auf cuiabà.

als ich nach einer kurzsiesta durch das hiesige viertel laufe denke ich für mich: ich habe alles richtig gemacht!

viele bäume und kleine parks. so genannte fußgängerzonen, die von zweistöckigen häusern eingerahmt werden. es ist ein kiez-viertel, die es in jeder großstadt gibt, die man nur kennen muss. dank nora bin ich in diesem viertel barrio pupular gelandet.

immer wieder fällt mir das wort morbide ein


eine schrottimmobilie?

die metallläden sind geschlossen. das ist auch ciuàba

die kommunikation klappt trotzdem

der namensgeber meines hotels ist getúlio dornelles vargas, seines zeichens diktator und später gewählter präsident in der zeitspanne 1930 bis 1945 und 1950 bis zu seinem tod 1954.

ihre höhe und klarheit ist beeindruckend. die vorsängerin überzeugt mit einem tollen sopran.


der whatsapp-kontakt mit jacqueline klappt auf anhieb. ob heute abend um 9pm ginge? ob ich lust hätte auf einen "ride"? ich beantworte alles mit ja und frage mich, was mich erwarten wird. wollen wir noch eine fahrradtour durch die brüllend heisse stadt machen? oder in einem der nahegelegenen parks eine runde joggen??? für beides bin ich weniger zu haben.... aber vielleicht meint sie auch nur einen gemütlichen spaziergang durch die grünanlagen.

ich versuche über nora schon im vorfeld etwas herauszubekommen. sie schreibt nur: sag zu allem ja. und später, sie würde mit dem auto - nicht mit dem fahrrad -  fahren.

um halb 10 hält ein kleiner silbergrauer toyota vor dem hotel. die hecktür öffnet sich, und ich werde von drei jungen damen im dreiklang begrüßt. überrascht bin ich eigentlich nicht. vielleicht dachte sich jacqueline, dass der abend zu viert bestimmt lockerer würde, als zu zweit.

wir fahren vielleicht noch zwanzig minuten und parken vor einer straßenbar mit vielen gelben plastikstühlen. die literflaschen bier in styroporbehältern auf den tischen , junge leute an den tischen. dieses ambiente gefällt mir auf anhieb. keine laute musik.

doch da gehen wir nicht hin. die drei damen haben sich etwas besonderes ausgedacht.

wir gehen auf einen in gelb gehaltenes palaisähnliches gebäude zu. in seinem innenhof stehen tische mit tischdecken, etwas weiter entfernt befindet sich die gastronomie. die tische sind großzügig verteilt, kein lautes geplapper von den nebentischen - eine ausgesucht gute atmosphäre.
das war früher ein gebäude, das zum verteidigungsministerium gehört hat, erzählt mir anna (ihren richtigen namen habe ich vergessen). heute sei es eine von der stadt finanzierte und unterhaltende kultureinrichtung. es gäbe openair-kino, theater - ein raum für die öffentlichkeit. lediglich der gastronomiebereich sei in kommerzieller hand.

nur jacqueline kennt nora. wir machen als erstes ein foto und schicken es ihr. ich erzähle, dass sie nachtdienst in einer psychiatrischen klink hat und sich über abwechslung bestimmt freut. wir sprechen englisch. die drei sind hervorragend ausgebildet. jacqueline ist architektin, die beiden anderen juristinnnen. alle um die anfang 30. ehrgeizig, wortreich, jede für sich durchsetzungsstark und charmant.

zum thema bolsonaro meinen alle drei übereinstimmend, dass er nicht "smart" genug sei, um das land in eine diktatur zu führen. er sei ein wortschäumer (meine interpretation), den man nicht ernst nehmen könne. einer, der erst redet und dann denkt und sich wortreich entschuldigt oder einfach leugnet, dass er je so etwas gesagt habe. ich habe den eindruck, sie nehmen ihn nicht ernst. bis jetzt gäbe es keine erfahrung mit ihm, sage ich einschränkend. schließlich begänne erst im januar nächsten jahres seine amtszeit.
und wenn er sich anders verhalte, als sie vermuteten, sagt anna, dann gehen wir auf die straße.

er habe seinen wahlkampf hauptsächlich über das internet geführt. für tv werbung, hätten ihm lediglich 30 sekunden zur verfügung gestanden.

ich wage einzuwerfen, wie leicht das vermeintlich weltweite netz auf kleinstadtniveau zusammenzupressen sei, wenn es denn die regierung so wolle...

schade. die stühle werden schon auf die tische gestellt. um uns herum ist schon gähnende leere. wir müssen gehen.

es war ein schöner, aber auch anstrengender abend.

06.12.:

um 06:00 uhr werde ich wach. ich habe die vorhänge nicht geschlossen und werde so heute morgen von einem etwas verschlafenen sonnenaufgang geweckt. von einem winterlich dunklen nikolaushimmel keine spur.

guten morgen cuiabà

bei uns klingeln die kinder an den haustüren sturm, sagen ein gedicht auf oder singen etwas vor - meistens immer das gleiche und entsprechend abgeleiert - hier bleiben wir davon verschont.


die weihnachtsbäume stehen in den schaufenstern das jingle bells ist auch in verpoppter version zu hören. und es gibt sogar einen kleinen laden, dessen ganzes sortiment auf diesen einen tag eingerichtet ist.
in den beiden kirchen, in denen ich war gibt es einen adventskranz und die grippen sind aufgebaut.

die stadt ist nicht im vorweihnachtlichen konsumrausch. alles geht hier gemächlich seinen gang.

nach meinem blogeintrag treibt mich mein smartie in die stadt zu dem provider claro. draussen ist es schlimmer als in einer sauna. die luft steht. den einheimischen macht das nichts aus, die schattenseiten der straßen sind genauso frequentiert wie die sonnenseiten.

und es bestätigt sich wieder einmal: die brasilianer haben humor. das gespräch bei claro fängt sachlich an. ich erkläre mein problem und vermute, dass ich eine anderre simkarte benötige, die für ganz brasilien gilt. meine cpf-karte kommt zum einsatz und  damit bin ich wieder in der bürokratischen dauerschleife gefangen. wieder die frage nach dem namen meiner mutter... alle daten liegen doch dem rechner vor. schließlich kommt die chefin dazu. sie erzählt viel, ich verstehe wenig. sie grinst vor sich hin und auch ich finde die situation einfach nur komisch. die andere kollegin, die eigentlich wartende kunden bedienen müsste, ist neugierig, was bei uns so passiert und kommentiert. schließlich sind alle kollegen in meinen fall eingebunden. das macht aber den wartenden, die hier eine nummer ziehen mussten, nichts weiter aus.
aus welchen gründen funktioniert das smartphone ohne neue simkarte etc wieder. das zu ergründen wäre zwar interessant, aber dazu fehlen mir die vokabeln.

danach finde ich noch zwei langärmlige t-shirts, die mir auf der vespa den viel zu warmen anorack ersparen werden.

ich schaue mir noch die kirche an, die entfernte ähnlichkeit mit notre dame hat, genieße die kühle und die ruhe, werde aber nicht von ihr gefangen genommen. zu kitschig mutet das um mich herum alles an.

ich trinke noch ein bier auf einem der vielen plätze und erwecke interesse bei damen des horizontalen gewerbes. so ein gringo, der allein sein bier trinkt, den kann man ja mal fragen...

gegen halb 8 bin ich wieder im hotel. mehr cuiabà geht wirklich nicht.





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