Veröffentlicht: 02.02.2024
Ende August habe ich meinen letzten Beitrag gepostet und versprochen, etwas Neues zu schreiben, wenn ich wieder auf Reisen gehe. Etwa solange lebe ich auch schon in Köln, meiner neuen Heimat. Logischerweise verbringe ich hier nicht nur ein paar Tage oder bin auf der Durchreise, aber ich hatte einfach mal wieder Lust, etwas zu schreiben. Und mein Blog - meine Regeln ;). In Köln fühle ich mich sehr wohl. Das FSJ hat definitiv geholfen, schnell selbstständig zu werden und sich an alle möglichen neuen Situationen anzupassen - studieren, feiern, viel Kaffee trinken, neue Leute kennenlernen und die ganzen spaßigen Sachen wie putzen, einkaufen, kochen, Wäsche aufhängen und den Wäscheständer erst freiräumen, wenn die neue Maschine fertig ist. Ich komme sehr gut alleine klar, aber ab und zu kriege ich auch mal Besuch von Freunden und Familie, was auch echt cool ist. Außerdem ist das immer ein super Vorwand, um die komplette Wohnung mal ordentlich aufzuräumen, denn einige Dinge ändern sich nicht - ich bin chaotisch. Besser hätte meine Wohnsituation nicht sein können, ich bin sehr dankbar dafür. Ich wohne in einer schnuckeligen Zweizimmerwohnung in wohl der schönsten Straße Kölns. An Weihnachten war es echt toll überall beleuchtet und einer meiner Nachbarn hatte nicht nur einen Weihnachtsbaum in der Einfahrt stehen, sondern gleich drei mit Lichterketten. Die haben perfekt zu seinen Fake Dobermännern gepasst, die den Eingang flankieren. Die bringen mich jedes Mal zum Schmunzeln, wenn ich daran vorbeijogge. Wären sie echt, hätte ich wahrscheinlich Angst vor ihnen. In meiner Nähe ist auch ein Park inklusive Streichelzoo. Die Esel da sind einfach nur mega niedlich. Leider darf man sie nicht streicheln oder füttern, weil sie schon zu dick sind, was mir die Tierpflegerin dort freundlich erklärt hat, nachdem ich gefragt habe, ob sie schwanger sind.
Was mir an Köln besonders gefällt, ist die Offenheit der Menschen (abgesehen vom Kölsch, dem einzigen Bier, was mir schmeckt). Egal ob im Café oder an der Bahnhaltestelle, du wirst total schnell angequatscht und es entstehen meistens echt nette Gespräche. Na gut, die Haltestelle Neumarkt ist echt nicht die schönste und da bin ich froh, nicht angesprochen zu werden, wenn ich nach der Arbeit im Dunkeln auf die Bahn warte. Apropos Arbeit, nachdem ich erst in Spanien von kleinen Kindern auf Trab gehalten wurde für 5€ am Tag, habe ich einen richtigen Karrieresprung gemacht. Ich studiere nicht nur irgendwas mit Medien, ich arbeite beim WDR. Ich bin studentische Aushilfskraft oder Kabelhilfe, wie man dort zu uns sagt. Aber mit Kabeln hatte ich bisher eher weniger zu tun. Im Lokalzeitstudio muss ich alle Mikros testen, das Studio für die Sendung ready machen und Moderatoren und Gäste verkabeln. Danach darf ich live der Lokalzeit zusehen, näher dran geht es kaum. Eine Moderatorin heißt witzigerweise auch Julia, wie alle übt sie ihren Text vorher und leitet das immer ein mit: Hallo aus Köllefornien. Alle Moderatoren sind total nett und langsam lerne ich alle Tricks des Fernsehens kennen. Ich weiß, wie man dafür sorgen kann, dass man deutlicher spricht und Begriffe wie Japaner, Bauchbinde oder langes Wetter sind für mich keine Fremdwörter mehr.
Ich habe noch andere Aufgaben, ich war jetzt schon zweimal mit auf Liveschalten. Das erste Mal im Schneegestöber an einer Autobahnbrücke und in Bonn an der Rheinaue. Wir waren 6,5 Stunden unterwegs und es war gut, dass ich meine Dr. Martens und Thermostrumpfhose anhatte. Ich habe mir ein bisschen den Arsch abgefroren. Schlimm war das aber nicht, ich hatte ein sehr nettes Team und die Zeit verging schnell. Die Kamerafrau hatte sogar Wärmesohlen für alle dabei und in der WDR Jacke, die ich noch über meine Winterjacke gezogen habe, habe ich mich schon ziemlich cool und warm gefühlt. Man denkt garnicht, das hinter 1,5 Minuten Liveschalte so viel Aufwand steckt, aber tatsächlich tut es das. Ich musste das Licht machen und die Zeitangaben für den Moderator. Mit dem wurde dann sogar noch ein BeReal gemacht im Anschluss. Es war insgesamt sehr lehrreich und cool im wahrsten Sinne des Wortes.
Das bei einer Livesendung auch unvorhergesehene Sachen passieren können, hat sich gestern gezeigt. Eigentlich wollten wir zu einer Chorprobe fahren, aber der Verkehr in Köln ist aus unerklärlichen Gründen komplett zusammengebrochen. Wir sind innerhalb von einer Stunde 500 Meter vom WDR weggekommen und durften die dann wieder zurückfahren, weil dann in der Redaktion beschlossen wurde, dass wir doch über das Verkehrschaos in der Innenstadt berichten. Wir haben das Auto im Halteverbot abgestellt vorm WDR und der Kamera- und Tonmann haben alles blitzschnell für die Sendung ready gemacht. Ich durfte noch Lichtmodel spielen und die Moderatorin kam kurz danach mit ihrem grünen Fahrrad an, ihr Auto musste sie auch stehen lassen. Was folgten waren drei Minuten aufregende Livesendung. Ich musste direkt neben dem Kameramann stehen, um der Moderatoren die Zeit mit einer Stoppuhr zu zeigen. Die Herausforderung dabei war, dass wir uns extrem viel bewegt haben und hätte der Tonmann mich nicht zwischendurch sanft hinter den Kameramann gezogen, wäre ich sicherlich aus Versehen im Bild gelandet. Die Schalte war aber ein voller Erfolg, alles ist gut gegangen und alle waren sehr zufrieden und gut gelaunt. Die positive Energie habe ich mit nach Hause genommen. Die Moderatorin ist echt geboren für ihren Job, sie hat vor Energie nur so gestrahlt und war total nett und kommunikativ. Ich arbeite sehr gerne beim WDR und die Stelle passt wie die Faust aufs Auge. Ich bin gespannt, was ich noch so erlebe. An Karneval arbeite ich an einem Tag und dort fahren wir wahrscheinlich auf dem ersten Karnevalswagen mit – wie cool ist das denn bitte?
Was gerade nicht so cool ist, ist die saure Gurken Lernzeit. Das Klischee, dass Medienwissenschaften lediglich die erweiterte Lizenz zum Taxifahren ist, soll sich ja nicht bestätigen. Einige Dinge ändern sich zwar nie, wie beispielsweise das ich eine absolute Nachteule bin und easy bis 12 schlafen kann, aber die Unibibliothek hat leider andere Pläne mit mir. Ich werde auch morgen früh aufstehen, um erstmal Schlange mit den anderen armen Studenten zu stehen für einen Platz in der Bibliothek. Immerhin ist es da gut beheizt und ich kriege, weil ich so früh da bin, auch immer einen Platz an der Steckdose. Außerdem kann ich mich da bombig konzentrieren, alleine zuhause (wer kennt's nicht??) keine Chance, da mache ich so ziemlich alles außer zu lernen. Unser BWL Professor meinte, dass wir alle Manager unseres eigenen Lebens sind und der Mensch auch mal etwas leisten will. Beides kann ich bestätigen, nur brauche ich etwas Druck und eine andere Atmosphäre, um zu lernen. Aber nichts fühlt sich so gut an, wie produktiv gewesen zu sein und abends dann etwas Leckeres zu essen und YouTube zu schauen. Tatsächlich bin ich gerade viel weniger am Handy und gehe meinen Hobbies sogar mehr nach als normalerweise. Der Spaß kommt aber auch nicht zu kurz, diese Woche war ich beim Poetry Slam, Kaffee trinken, mit Freunden in der Mensa und nächste Woche an Weiberfastnacht wird dann doch ein bisschen gefeiert. Das habe ich mir auch verdient, auch wenn die BWL Klausur am 20.02 wie ein Damoklesschwert über mir hängt. Okay, okay, etwas dramatisch, aber ich habe ja auch etwas mit Theater und Kultur zu tun. Ironischerweise mag ich BWL als Modul am wenigsten, aber den Professor am meisten, er ist einfach witzig und engagiert. Ohne ihn wäre meine Bilanz von BWL wohl ausschließlich negativ. Allgemein sind aber alle meine Profs sehr nett und fair, ich kann nicht meckern. Auf mein erstes Karneval in Köln und alles, was danach noch so kommt, bin ich auch sehr gespannt. Aus Spanien habe ich jetzt aber nicht nur die Musik und die schönen Erinnerungen mitgenommen, sondern auch das Motto: poco a poco (eins nach dem anderen, es wird alles gut in kleinen Schritten, kein Stress, ganz ruhig… sucht euch eine Übersetzung aus ;)) auf Catalan übrigens "poc a poc". Und es kann doch eh nur alles gut werden, denn Köln ist cool!