Adios Komfort! / ¡Holla Santiago
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Bald zu Hause

Veröffentlicht: 12.10.2018

Mein Camino war nach dem ich  Santiago erreicht habe, noch nicht vorbei. Gleich nach dem ich meine Compostela abgeholt hatte, habe ich mich auf dem Weg zum Hauptbahnhof  begeben. Doch eine Fahrkarte habe ich nicht bekommen, da der Zug voll war. Am nächsten Tag ist ein Feiertag (Entdeckung Amerikas) und alle Spanier verreisen. 

Okay, dann muss ich halt in die nächste Großstadt. Auch mit Blablacar komme ich ab Madrid weiter, dachte ich. So war ich nach ein paar Stunden im Auto mit einem spanischen Pärchen und einer weiteren holländischen Pilgerin. Super nette und lustige Fahrt. Im Auto wollte ich evtl. eine weitere Mitfahrgelegenheit nutzen, ihr war aber Fiona zu groß. Dann nehmen ich halt den Zug.

Spät Abends in der farbenfrohen und lebendigen Stadt Madrid bin ich wieder zum Bahnhof. Die Fahrkarten gibt es aber wieder erst ab morgen früh. Die Security hat mich mit Fiona bis 1 Uhr Nachts im warmen Bahnhof in Ruhe gelassen. Eine Wartehalle für die Nacht-Wartenden kennen die Spanier nicht. Einer dieser Security-Männer erklärte mir freundlich, dass um 5 Uhr der Informationsschalter öffnet und dass ich die 4 Stunden im Bürger-King neben an warten könnte. Der Bürger-King hatte aber doch zu und wir haben uns mit Fiona in eine ruhigere Straße, neben dem Stadtpark einfach auf den Boden ausgebreitet, gegessen und sogar etwas geschlafen. Mitten in der Nacht düsen Inline-Fahrer durch die Stadt, Wächter verriegeln den ganzen Stadtpark und laufen die ganze Nacht mit Taschenlampen durch den Park. So fühlten wir uns sicher. Keiner hat uns belästigt. 

Rechtzeitig um 5 warteten wir bis der Informationsschalter aufmacht. Der öffnete aber doch erst um 5:30 Uhr. Ich kaufte ein Ticket bis nach Barcelona. Denn von da, hätte ich bis Berlin mit einer Mitfahrgelegenheit fahren können. Um rechtzeitig in Barcelona zu sein, musste ich den ersten Schnellzug nehmen und bezahlte dafür etwas über 70 Euro. Schnell zum Gleis gelaufen, mein Ticket wurde gescannt und ich ging durch. Die gleiche Frau rief mich aber zurück und sagte mir, dass der Hund aber nicht mitfahren kann. Sie ist viel zu groß. Jetzt weiß ich, dass ein Hund in Spanien im Zug nur mitfahren darf, wenn er unter 8kg wiegt und in einer Box steckt. So ist meine Mitfahrgelegenheit aus Barcelona verflogen und auch mein teures Ticket. Wieder an dem Informationsschalter versuchte ich das Ticketgeld erstattet zu bekommen, doch auch diese Frau sagte, dass es vergebene Mühe ist. 

Müde, verzweifelt, ungeduscht und ohne Plan B sind wir frühstücken. Fiona streikte und wollte auch nichts mehr. 

Mir viel nichts besseres ein, als dass was ich den letzten lieben Monat gemacht habe. Ich pilgerte raus aus der Stadt. Ich habe mich an eine Tankstelle gestellt und fragte die Autofahrer, ob die in den Norden von Spanien fahren. 

Ein lieber langhaarige Spanier Hosse, sagte mir dass ich hier schlechte Karten habe. Ich muss ganz aus der Stadt raus und an einer Tankstelle fragen, die an einer Autobahn Richtung Norden geht.

Er nahm mich mit, sein 9 Jahre alter Sohn wurde erst zur Schule gefahren. Dieser schüchterner Junge konnte 3 Sprachen. Er geht auf eine englische Schule, sprach mit mir in einem besseren Englisch als ich es kann und seine Mama ist Jüdin, so spricht er auch spanisch und jiddisch. Hosse musste sich kurz noch auf der Arbeit (Universität) sehen lassen. Er leitet Theatergruppen mit etwa 60 Vorstellungen pro Jahr. Er nahm mich mit, er brachte eine Torte mit, da er einen Tag vorher seinen 49ten Geburtstag feierte. So fand ich mich auf einmal am Tisch mit einer Bibliothekarin, Phylosephen und Grafikdesigner am Tisch. Jeder wollte alles Wissen über meinen Camino, einer war so fasziniert und religiös, er wollte Fotos sehen und fühlte sich inspiriert. So bedankte er sich sehr bei mir, umarmte meinen stinkenden Körper und versprach mir, an mich zu denken wenn er nächsten Frühjahr seinen Camino macht. Ich gab ihm ein Kreuz, der schon gefühlt ewig in meiner Hosentasche lag. Eine Pilgerin schenkte mir diese kleinen Holzkreuz als es Fiona nicht gut ging und ich geheult habe. Dieser ist bei ihm bestimmt besser aufgehoben. 

Genau dieser Augenblick gab mir eine meiner größten Lehren. Einige Minuten davor, an der Tankstelle, schauten mich Menschen an mit einem herabwürdigen Blick. Wer nach Hilfe fragt ist schwach und / oder arm, wird wie eine schlechte Nebenwirkung abgewimmelt. Nur Momente später siehst du dich wieder in den Augen eines Fremden als unbezwingbare Heldin, als Vorbild und spürst aufrichtige Dankbarkeit. An diesem Kontrast erkenne ich nun, dass es unwichtig ist, wie die Leute dich sehen. Es ist viel wichtiger für sich selbst zu wissen, wer man ist und wie sehr du dich selber wertschätzen kannst. Eigene Wertschätzung steigt mit eigenen guten Taten an diese Welt und den bekannten oder fremden Mitmenschen.

Ein Plan musste nun her. Mit Fiona geht in Spanien kein Bus und Zug. Nur Auto als Transportmittel ist machbar. So musste ich trempen oder eine Mitfahrgelegenheit mit Blablacar organisieren. 

So fand ich durch Blablacar eine Jan-Philip der von der südlichsten Grenze bis ganz nach Hamburg fährt und nichts dagegen hat Fiona mitzunehmen. Nur muss ich irgendwie zum Startort rechtzeitig kommen. Also zusammenreißen und alles versuchen was geht.

Wir fuhren ziemlich lange und Hosse muss gesamt um die 2 Stunden seiner Lebenszeit auf mich vergoldet haben. Vielen Dank!

Schon 15 Minuten später saß ich im Auto mit einem älteren Geschwisterpaar Anna und Roberto, Richtung Burgos. Die schöne Großstadt in der ich einst vorbei gepilgert bin. Danke auch euch!

Wieder an einer Tankstelle nahm mich ein junges Paar, Barbara und André, mit in die kleinere Stadt Vitoria-Gasteiz. Vielen lieben Dank!

Von dort geht mit Blablacar eine Fahrt nach San Sebastian. Die Fahrt habe ich gebucht aber da die Fahrerin nicht antwortete, wurde diese storniert. Im Cafe habe ich nun umsonst 2 Stunden gewartet.

Wieder zu Fuß aus der Stadt marschiert zu einer Tankstelle. Dort war ich aber falsch, so brachte mich ein Spanier (Familie Knöll, da sein Urgroßvater deutscher war) 3 km weiter zur anderen Tankstelle, die aus der Stadt fuhrt. Dankeschön!

Die Tankwärtin verstand mich, sprach aber kein englisch. Sie schnackte viel mit den Kunden und hat diese nun im vorraus immer gefragt in welche Richtung die Leute fahren. Mit ihrem Finger sagte sie mir dann, das sie nicht in meine Richtung fahren.

Ein Van hielt an, die 4 bulgarischen Arbeiter fuhren Richtung Pamplona und nahmen mich nur ein kurzes Stück mit. Die Tankwärtin armte ich als Dank.

Im Auto fühlte ich mich etwas sicherer als wir uns auf russisch unterhalten konnten. Die Jungs brachten mich leider an eine Trucker-Tankstelle. Trotzdem danke.

Ich wollte nicht mit einem LKW mitfahren und hatte nur weibliche Fahrerinnen angesprochen. Alle fuhren aber entweder Richtung Portugal oder waren gemeinsam mit ihrem Mann unterwegs und hatten keinen Platz für uns. So habe ich wieder über 2 oder 3 Stunden verplämpert. Ein Kleinbus hielt an und ich fragte ihn, mich einfach von hier wegzufahren. Er brachte mich zu einer normalen Tankstelle. Muchos Gracias! Doch mittlerweile wurde es dunkel, es regnete und kaum einer hielt an. 

Ein Sohn (Gon) und Papa wollten meinen Gründe wissen. Die beiden fuhren aber nur ins nächste Hostel. 

Ich setzte meine Kopflampe auf, stellte mich auf die Ausfahrt der Autobahn und setze den Daumen raus. Eine junge Mutter (leider habe ich sie nach dem Namen gefragt) sammelte mich ein und brachte mich an einen weniger gefährlichen Ort zum trempen. Zum Glück hat es mittlerweile nur genieselt. 

Nach einer halben Stunde hielt ein Auto an und es war der eine Sohn Gon, mit dem ich an der letzten Tankstelle gesprochen hatte. Keine Ahnung wie er mich nun, einige Kilometer weiter, gefunden hatte. Sein englisch war ausbaufähig aber er fuhr weit und sehr, sehr schnell. Er brachte mich etwa 40 km weiter. Einfach so, weil er sich Sorgen gemacht hatte. Er erzählte mir ein Familien Restaurant in Logrono zu haben. Die Stadt, in der das Weinfest statt gefunden hatte. Die Riesenkloake an der wir eines frühen morgens vorbei gepilgert sind. Und er bestätigte mir, dass an den Festen die Spanier extra viel Müll an den Restaurants lassen, an denen das Essen und der Wein besonders gut schmeckt. Deswegen sah die Stadt wie Sau aus. 

In San Sebastian wurde ich in der schönen lebhaften Innenstadt rausgelassen. Danke Gon!

Einen Blablacar Fahrer habe ich leider verpasst. Einen Döner haben wir uns mit Fiona geteilt und gingen Richtung nächster Stadt. So eine hübsche Stadt. Sehenswert! Hier möchte ich nochmal hinkommen. 

An die Ausfahrt gestellt, um 1:30 Uhr und es fuhren wieder nur wenige Autos. Ein weiterer Autofahrer sammelte mich ein und brachte mich nach Irun. Viel zu späte Uhrzeit, um sich den Namen zu merken. Er überredete mich in ein Hostel zu gehen. Er klingelte an einer unscheinbaren Tür. Ein alter Mann erlaubte für 20 Euro mit Fiona zu bleiben. So duschte ich endlich und schlief 4 Stunden. Das war super!

Morgens bemerkte ich erst wie schön Irun ist. Der Fluss mit seinen kleinen Booten ist die Grenze zu Frankreich. Nächste Tankstelle und schnellstens weiterkommen, denn 2 Stunden später und immer noch 60 km entfernt - aus Hossegor, fährt Jan-Philip nach Hamburg. 

Ein junger Papa (ich hab auch seinen Namen vergessen) nahm mich für eine Schachtel Zigaretten mit über die Grenze und setze mich nach 30 km aus. Lieben Dank.

Jan-Philip fragte mich zwischendurch, ob ich weiter gekommen bin und machte sich Sorgen um mich. Da ich immer nur kurze Strecken mitfahren konnte und immer noch nicht in Hossegor war, hat J-P vorgeschlagen früher loszufahren um mich abzuholen. Wir konnten nun in Ruhe frühstücken und warten.

Jan-Philip ist ein Pinneberger und ein cooler junger Surfer. An der franz. Küste war er wegen einer Surfer-Competition. Er hat einen großen VW T5 mit Bett und viel Raum. Luxus! Wir haben uns abgesprochen keine großen Pausen zu machen und uns beim Fahren abzuwechseln. So kann Einer schlafen und der Andere fahren. 

Mit uns fuhr bis Paris ein australisches Paar mit, die eine Europa Rundreise machen. Nun fahren zwei weitere Personen mit nach Köln und bis nach Hamburg. 

Auf dieser Reise, war es erstaunlich zu sehen, dass die schicken und teuren Autos mit einem ausdruckslosem Gesicht weiter gefahren sind. Die einfachen Menschen, mit durchschnittlich guten Autos mehr Verständnis für mich hatten. Ich bin all diesen vielen Menschen, die mich bei meinem letzten Caminoweg unterstützt hatten, so unglaublich dankbar. Ich werde nie mehr an einem Tremper einfach vorbei fahren. Und ich werde mich innerlich nicht ausreden,  dass ich grad dafür keine Zeit habe oder dass ich als Frau keinen Mann mitnehmen kann, oder dass er bestimmt nicht in die gleiche Richtung will wie ich. All das Gute was mir auf diesen Weg, einfach aus Freundlichkeit gegeben wurde, versprach ich jedem einzelnen von ihnen, an andere Menschen wieder zurück zu geben! Also schulde ich der Welt viele gute Taten. :)

Ich schlafe eine Runde und morgen früh bin ich zu Hause, wenn alles klappt :)

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