tanjas-kleine-mirakel
tanjas-kleine-mirakel
vakantio.de/tanjas-kleines-mirakel

Architektonisches Disneyland: wunderbares Skopje / Nordmazedonien

Veröffentlicht: 12.08.2023

11.08. - 13.08.2023 und 14.08. - 16.08.2023 und 18.08.-19.08

MARKUS:

Das Schönste ist, wenn man sich irrt und positiv überrascht wird.

Eigentlich meiden wir größere Städte mittlerweile und reisen nur nach Skopje, um dort Milan zu treffen, der seinerseits gerade auf Interrail ist. Umso frustrierter sind wir, als wir, noch im Bus und wenige Kilometer vor Skopje, erfahren, dass Milan die Einreise verweigert wurde, da sein Pass nicht mehr über die erforderliche Gültigkeitsdauer verfügt. Eigentlich hatten wir gehofft, uns auf die tiefenentspannte Mentalität des Balkans verlassen zu können. Aber diese gilt wohl nicht für Zöllner... So stehen wir plötzlich in der Hauptstadt von Nordmazedonien und trauern dem 600 Einwohnerdorf Lin in Albanien nach. 

Um so größer und freudiger ist die Überraschung, als sich uns Skopje am nächsten Tag als unheimlich spannende, entspannte, skurrile und in seiner Schrägheit liebenswerte Stadt präsentiert. 

Wie beschreibt man Skopje? Nimm Rom (aber nicht das echte, sondern einen billigen Gipsabguss davon), mische es mit dem Berlin der 1990er Jahre (v a. Ostteil) und übergieße das Ganze mit Sarajewo und ein klein wenig Istanbul. Aber irgendwie reicht das noch nicht. 

Die Stadt ist durchzogen von monumentalen Brunnen und Statuen im Stil der griechischen und römischen Antike oder wahlweise des 19 Jh. Keine Brücke kommt ohne ihre Olympia oder seinen Zeus, keine Säule ohne ihren Löwen oder Alexander den Größen aus. Überall Abbildungen der "großen Söhne" Mazedoniens (wer sind eigentlich die Töchter?). Nur dass fast alles auf die Zeit nach 2010 datiert und auch genauso aussieht. Es scheint, als habe die damalige Regierung krampfhaft versucht, dem jungen Staat ein historisches Narrativ überzustülpen. Eine junge Mazedonierin erzählt uns später, dass es sich dabei auch darum gedreht habe, sich von Albanien identitär abzugrenzen.

Dazwischen die wenigen Reste, die das Erdbeben von 1963 verschont hat, gepaart von sozialistischen Bausünden der Tito-Zeit und architektonischen Skurrilitäten eingeflogener Architekten der 60er, die geholfen haben, die Stadt nach dem Erdbeben wieder aufzubauen (v.a. aus Italien, aber auch Japan). Und mittendrin der verschlungene große Basar, der eigentlich eher einer Altstadt gleicht...

Verwirrend, spannend, überraschend, neu, alt, schmutzig, gechillt, kitschig, eine großartige Stadt, zu der mir einfach die Worte fehlen.

Und auch hier begegnen uns wieder ausschließlich liebenswerte und aufgeschlossene Menschen. Und immer wieder die teils ausgesprochene, teils immanente Sehnsucht, zu Europa zu gehören, in die EU aufgenommen zu werden, als Nation wahrgenommen zu werden...

Ich bin unheimlich gespannt auf die nächsten Tage in Nordmazedonien...

Edit:

Ida, eine in Hamburg lebende Albanierin, gibt uns einen Lift nach Skopje. Unterwegs erzählt sie bei einem Kaffee von ihrer Politikverdrossenheit und dem angespannten Verhältnis von Albanien und Mazedonien. Beide Berichte werden uns immer wieder begegnen. 

So auch als wir im Matka Canyon, eine Stunde außerhalb Skopjes, einen Veteranen der mazedonischen Armee kennenlernen. Er überlässt uns sein Boot für eine Fahrt auf den im Canyon gestauten See und zeigt uns stolz seine Hütte, die er sich im Canyon gebaut hat und die er sich regelmäßig zurückzieht. Der Kosovo-Krieg hat erkennbar Spuren bei ihm hinterlassen. Immer wieder kommt er auf die Ungerechtigkeit der Grenzziehungen nach dem Krieg zu sprechen, stellt ernüchtert fest, dass man eben nichts machen könne, wenn Politiker entscheiden und dass es aber wichtig sei, zu kämpfen, um zu überleben.

Nicht weniger frustriert von der Politik zeigt sich eine junge Frau, die wir am Millenium Kreuz kennenlernen. Sie fragt viel nach dem Stand der Klimapolitik in Deutschland und verweist darauf, wie sehr ihr Land hier noch am Anfang stehe.

Skopje wird mir mit jeder Begegnung sympathischer. So bspw. Martin, den wir ebenfalls im Canyon kennenlernen, der uns 1001 Sachen fragt und uns sogleich zu einem Rainbow Gathering einlädt. Die Menschen hier sind ungemein interessiert, wenngleich ich noch immer Schwierigkeiten mit dem allseits vorhandenen Nationalismus habe.

Damit versöhnt wiederum, dass wir am letzten Abend durch Zufall auf das internationale Folk Dance Festival stoßen, das uns Trachten und Tänze des Balkans näherbringt. Die andere, harmlose Seite des Nationalismus...

Antworten

Mazedonien
Reiseberichte Mazedonien