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9.2.2018: Geschichtsstunde im Otago Distrikt

Veröffentlicht: 10.02.2018

Nach dem Aufwachen fällt es mir urplötzlich wie Schuppen von den Augen. Super, dass ich gestern die Route über Cardrona gewählt habe, um nach Wanaka zu fahren und Fotos vom Hotel gemacht, aber den eigentlichen Grund, warum Cardrona es auf die Liste geschafft hat, völlig vergessen habe. Hier befindet sich nämlich seit fast 10 Jahren der umstrittene Bra Fence, sprich ein mit hunderten BHs vollbehängter Zaun. An jedem anderen Tag wusste ich mit meiner Notiz "Cardrona" sofort was gemeint ist und ausgerechnet an DEM Tag assoziiere ich es lediglich mit einer mir noch unbekannten Strecke und dem Cardrona Hotel. Wo habe ich nur meinen Kopf gelassen?! Einst säumten die BHs einen Zaun direkt am Highway, doch aufgrund der zu hohen Ablenkungsgefahr der Autofahrer, wurde er 2006 in eine Nebenstraße verbannt. Hätte ich mir gestern nicht in Queenstown hart den Kopf an der nur halb geöffneten Kofferraumklappe gestoßen, was heute ziemlich weh tut, hätte ich mir am liebsten mit der flachen Handy gegen die Stirn geschlagen. Doch ein mit Büstenhaltern behängter Zaun rechtfertigt leider nicht den knapp 30 km langen Umweg (one way wohlgemerkt), um meinen Patzer auszumerzen. Herrgott, wie ärgerlich.

70 km sind es vom Lake Hawea nach Stewart Town, einer ehemaligen Goldgräbersiedlung (ja, Neuseeland hat reichlich davon). Die Klimaanlage läuft auf Hochtouren als ich das sehr passende Schild "Willkommen in Bannockburn - dem Herzen der Wüste" passiere. Vom Parkplatz aus führt ein 3,5 km langer Rundweg an den Überresten von Stewart Town, bestehend aus Dämmen, Tunneln, Hausmauern aus Stein und Lehm sowie Wasserschleusen und sogar diversen Obstbäumen vorbei. Die karge Landschaft und der aufgerissene, trockene Boden erinnern tatsächlich an Vorboten einer Wüste. Auch das Wetter passt dazu. Das einzige satte Grün repräsentieren die Weinberge, das neue "Gold" der Region, über die man bis nach Cromwell und zum Lake Dunstan schauen kann. Die hohen Felswände zwischen denen sich der Track entlang windet, zeugen von der enormen Veränderung im Landschaftsbild. Auf den Bergrücken befand sich nämlich die ursprüngliche Erdoberfläche; diese wurde jedoch von Menschenhand auf der Suche nach Gold abgetragen. Fazit des Rundgangs: Wer Stewart Town nicht gesehen hat, verpasst nicht sonderlich viel. Das ist mehr ein Ziel für Einheimische oder Langzeiturlauber wie mich.

Bevor ich weiterfahre, muss ich mich zunächst um eine Unterkunft kümmern. Aufgrund einer überschwänglich positiven Google-Bewertung fällt meine Wahl auf Ranfurly. Der Ort profitiert von den Radlern, die auf dem Otago Rail Trail unterwegs sind. Ansonsten machen nur wenige Touristen den Schlenker durchs Inland. Ranfurly liegt einfach zu weit weg von der Hauptroute entlang der Küste. Umso besser für mich.

Nach einem kurzen Tankstopp in Cromwell geht's weiter nach Ophir, was man mit St. Bathans vergleichen kann. Einst Heimat von 1.000 Menschen, diversen Geschäften, Hotels, Banken, Kirchen, einem Krankenhaus, einer Polizeistation sowie einer Schule, nennen es heute nur noch 50 Personen ihr Zuhause. Zudem beherbergt der geschichtsträchtige Ort das älteste Postamt Neuseelands. Viele der alten fotogenen Stein- und Lehmziegelgebäude, wie zum Beispiel die Kirche, befinden sich mittlerweile in Privatbesitz und können daher nicht besichtigt werden, andere werden als Unterkunft vermietet. Die neuen Eigentümer haben Original mit Moderne verbunden und beispielsweise einen Wintergarten angebaut, dafür aber die alte Scheune von damals unverändert gelassen. Eine Stunde brauche ich, um die Hauptstraße einmal nach oben und wieder zurück zu laufen.

Da ich bis 18:00 Uhr im Hostel in Ranfurly eingecheckt haben muss, weil die Betreiber heute Abend ausgehen und ich nicht hetzen möchte, verschiebe ich meinen Besuch in Naseby auf morgen früh und fahre die knapp 60 km von Ophir ohne Zwischenstopp durch. Das Hostel befindet sich in einem alten Posthaus, ist pieksauber, geräumig, bestens ausgestattet und ich habe es komplett für mich alleine. Abends ist es zwar etwas einsam, aber ich kann uneingeschränkt Bad und Küche nutzen und muss weder WLAN noch Steckdose teilen. Würde nicht in wenigen Tagen mein Rückflug gehen, hätte ich mich glatt für zwei Nächte eingebucht - schade eigentlich. 

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