Sunrise Diary
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Verpasste Prüfungen und ein grünes Wochenende (18.-20.05.)

Veröffentlicht: 22.05.2018

Die Woche nach der Golden Week war erwartungsgemäß nicht so spannend und auch am Wochenende passierte nichts Außergewöhnliches. Den sonnigen Samstag verbrachte ich im Park, Badminton spielen, im Gras liegen und die Wärme genießen. Der Sonntag war dafür umso verregneter, so dass mir das Udon-Festival der japanischen Studenten, die hier im Wohnheim leben, um uns zu helfen und zu bespaßen, gerade recht kam. Wir haben also am Sonntag Udon (dicke Nudeln für die japanische Nudelsuppe) selbstgemacht, anschließend verzehrt und im Anschluss wurde ein Schlachtplan für die nächsten Wochenenden aufgestellt. Das folgende Wochenende sollte also in Wakayama stattfinden, auf den Mount Koya soll es gehen und an die Südküste. Aber vorher musste noch eine Uniwoche totgeschlagen werden, bevor es Freitagmorgen losgehen konnte. Am Mittwoch und Donnerstag fanden die ersten Midterm-exams für Japanisch statt, die ich aber ohne schlechtes Gewissen ausfallen ließ, da ich die Note ja sowieso nicht benötige. Also fuhr ich mit einem Kumpel, der es mir gleichtat nach Minoo, einen Naturpark bei Osaka und bei wunderschönem Wetter spazierten wir an Bäumen, Tempeln und Flüssen vorbei, sehr glücklich über unsere Entscheidung, nicht völlig ahnungslos in einer irrelevanten Prüfung zu sitzen. Minoo ist wirklich ein sehr schöner Ort, dessen Weg an einem mittelgroßen Wasserfall endete. Trotz des schönen Wetters waren nicht viele Leute unterwegs, was vermutlich an dem Wochentag lag. Auf dem Rückweg entdeckten wir noch ein Aussichtsplateau, von dem aus wir Osaka überblicken konnten. 

Am Freitag, um 7 Uhr ging unsere Reise nach Wakayama endlich los. Wir waren zu fünft und unsere erste Station war der Koya-san, ein Berg, auf dem ein riesiger Tempelkomplex mit zahlreichen Untertempeln und Ryokans (japnische Gasthäuser) zu finden sind. Neben diesen Tempeln, von denen wir uns einige, aber längst nicht alle ansahen, liefen wir in dem kleinen Ort herum, der im Grunde sehr verschlafen und relativ leer wirkte. Wir entdeckten ein weitläufiges Gelände, mit zwei Pagoden und anderen Tempeln, das von steinernen Laternen und den umgebenden Bäumen geziert war auf unserem Weg zum Westtor, dem Ein-/bzw. Ausgang zum Koya-Areal. Dort waren wir im Wald wandern, entdeckten geradezu riesenhafte Ameisen und Tausendfüßler, aber leider keine Affen, wie sie auf einem Hinweisschild am Plateau angekündigt waren. Nach dieser Wanderung ging es zur Hauptattraktion des Koya-san (san = Berg): zu einem gigantischen Friedhof mit über 20 000 Gräbern, die teilweise schon sehr alt sind und mit Skulpturen, Toren und steinernen Säulen mit kugel- und kronenförmigen Elementen und Laternen geschmückt sind. Am Ende des Weges, der durch den Friedhof hindurch führte, erreichten wir einen prachtvollen Tempel, der unter den Decken mit goldenen Laternen gefüllt war und wo überall prachtvolle Dekorationen in Form von goldenen Blumen und Bildern angebracht waren, wo man aber leider nicht fotografieren durfte. Danach ging es zurück in den Ort Wakayama, wo wir mit dem Bus in unsere Unterkunft gefahren sind. Wir waren sehr positiv überrascht von unserer Wahl, es handelte sich um ein günstiges Ryokan, aber es hat uns an nichts gefehlt. Wir hatten einen großen, länglichen Raum zur Verfügung mit Tatamimatten, einem Tisch, der um die 20 cm hoch war und dazu passende Stühle ohne Beine, Meerblick und Papierschiebetüren. Also super japanisch und wir waren ziemlich begeistert zumal der Besitzer einfach super zuvorkommend war. Sogar Yukatas (japanische Bademäntel) gab es, sowie auch ein eigenes Onsen (heiße Quelle), auch wenn diese einem kleinen Whirlpool glich, aber wir waren happy. Nur die erste Nacht im Futon war etwas gewöhnungsbedürftig, da es doch relativ hart war. Wir hatten für wenig Geld Frühstück dazu gebucht und auch das war sehr japanisch. In vielen kleinen Schälchen hatte jeder von uns Reis, Tofuwürfel mit Soße, ein Ei, zwei graue Bällchen, die süßlich schmeckten, getrocknete Samen (...?), Misosuppe, ein Häppchen Salat und zwei kleine Fische, die auf einem Tischgrill vor sich hinbrutzelten. Als ich diese Zusammenstellung sah, hatte ich die Befürchtung, dass der pure Reis der beste Teil werden würde, aber es war echt lecker! Auch wenn ich mit Stäbchen einige Mühe hatte, die zwei (kompletten!) Fischchen zu öffnen und das Fleisch von den Gräten zu zupfen. Ich bin ja eigentlich eher der Süß-Esser morgens und Fisch ist auch nicht meins und schon gar nicht morgens um halb 8! Aber ich war danach ziemlich satt und zufrieden und frisch gestärkt konnte die nächste Etappe starten. 

Unser nächstes Ziel war der Nachi-Wasserfall ganz im Süden Wakayamas, so dauerte die Zugfahrt einige Zeit. Aus dem Zugfenster konnten wir auf der linken Seite die bewaldeten, sinusförmigen Berge und auf der rechten Seite das Meer bewundern. Wir hatten großes Glück mit dem Wetter, da wir aus den grauen Wolken in die Sonne gefahren sind und so konnten wir die berühmte Pagode und den Wasserfall im besten Licht bewundern. Die rote Pagode war auch die erste die ich gesehen habe, die man tatsächlich betreten konnte. Von dort aus hatten wir einen Blick über den Wald, das Meer, einen Tempel und den Wasserfall, der ordentlich Krach machte und den wir als nächstes besichtigten. Danach ging es mit dem Bus schon wieder Richtung Bahnhof, damit wir mit der Bimmelbahn zu unserer zweiten Unterkunft fahren konnten. Wir waren ziemlich spät dran, da wir spätestens um halb 6 einchecken sollten und hatten Schwierigkeiten mit den Zug- und Busplänen, da diese nicht regelmäßig fahren und so sind wir das erste Mal in Japan Taxi gefahren und pünktlich um halb 6 standen wir im zweiten Ryokan auf der Matte. Die Dame die uns empfing, sprach kein Wort Englisch und so hielt sie uns ein paar Kärtchen mit vorbereiteten Sätzen unter die Nase, das war schon niedlich. Als alles geklärt war, verabschiedete sie sich überschwänglich und ließ uns in dem Häuschen allein. Wir waren in einem winzigen Dorf mitten in der Einöde zwischen Reisfeldern, Wiesen und dem Meer und ich hab es so genossen. Es war toll, auch einmal das rurale Leben zu beschnuppern und so sind wir mit den Fahrrädern des Gasthauses bei lauen Abendtemperaturen, angenehm kühler Meeresbrise, die mir ins Gesicht und durch die Haare wehte und orange-rotem Sonnenuntergangslicht durch die verschlafene Siedlung geradelt. Ich hatte wahnsinnige Glücksgefühle in diesem Moment und auch ein bisschen Göttingen-Feeling kehrte zurück, da dies das erste Mal war, dass ich Fahrrad gefahren bin, seit ich in Osaka bin. Wir kauften uns im Konbini (24-Stunden Mini-Supermarkt) noch ein Abendessen bestehend aus Reis, Fleisch und Gemüse sowie zwei Flaschen Wein und radelten an die Küste, wo wir das schöne Panorama während des Essens genießen wollten und konnten einen Wahnsinns-Sonnenuntergang bestaunen. Wir saßen noch lange dort, killten die zwei Flaschen Wein und ließen Steine über das Wasser springen. Als es stockfinster war, kehrten wir ins Ryokan zurück und gingen bald schlafen, da wir am nächsten Tag um 7 Uhr loswollten, um den berühmten Pilgerpfad Kumano Kodo zu bewandern, zumindest ein Stück. Hier waren die Futons weicher als im ersten Gasthaus und ich schlief sehr gut. 

Am Sonntag ging es zunächst mit der Bahn in den nächst größeren Ort Shingu und von dort aus mit dem Bus weiter auf den Berg, wo sich ein Etappenziel des Kumano-Kodo befindet. Vom Busfenster aus kann man ein riesiges Flussbett sehen, das momentan allerdings nur zu ca. einem Viertel gefüllt ist. Das Wasser hat eine hellblaue Farbe und sieht deshalb sehr karibisch aus. Am Plateau angekommen ging es durch das größte Tori (Tor), das ich je gesehen habe, auf den Pilgerpfad, der ziemlich steil bergauf ging. Unser Etappenziel war ein Onsen, wo wir für eineinhalb Stunden im heißen Wasser entspannten und ich mit gebrochenem Japanisch und Händen und Füßen mit einer Japanerin geredet habe, die gar keine Englischkenntnisse hatte. Das war sehr lustig und ich habe mich darüber gefreut, zumindest so ein Drittel von dem verstanden zu haben, was sie mir erzählt hat, bevor es den gleichen Weg zurückging. Wir hätten gern noch mehr vom Kumano Kodo gesehen, aber da wir in Osaka die letzte Metro erwischen mussten und der Rückweg sehr lang war, war uns das diesmal nicht vergönnt. Aber die Zugfahrt war die schönste, die ich je hatte. Wieder ging es an der Küste entlang, wo das Wasser auf die Felsen schlug und durch kleine Dörfer mit klassischer japanischer Architektur inmitten von Wäldern und Reisfeldern. Als wir in Osaka ankamen, war es bereits lange dunkel und da die Schienen teilweise über hohe Brücken verlaufen, hatte man einen fantastischen Blick über die Stadt, die ich sehr lieb gewonnen habe. Auch sind hier die Fenster der Züge super sauber, was die Reisequalität meiner Meinung nach immens erhöht. Dafür, dass die Japaner so klein sind, hatte man eine unfassbare Beinfreiheit und insgesamt sehr viel Platz. Es war bereits nach 11 Uhr, als wir zur letzten Metro sprinteten und wieder hatten wir großes Glück und erwischten sie ziemlich knapp. Es war ein wahnsinnig tolles Wochenende, weil ich auch einfach sehr für die Natur zu begeistern bin und die Gruppe ziemlich lustig war, allerdings haben mir die Transportkosten die Haare vom Kopf gefressen, die Zugfahrten und auch die Busfahrten waren wahnsinnig teuer, so dass ich jetzt in der Woche wohl nur noch von Reis und Nudeln leben werde, da es auch in zwei Tagen schon weiter nach Tokio geht... (spoiler alert: kurz nach dem Veröffentlichen dieses Posts ging es in ein Curry-Restaurant...)

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#japan#koya-san#nachi-falls