Sunrise Diary
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Hokkaido (05.-09.07.)

Veröffentlicht: 09.07.2018

Nachdem es zwei Wochen nach Hongkong eher ruhig zuging, oder besser gesagt, ich zwar einiges erledigt und gemacht habe, nichts davon allerdings interessant genug für diesen Blog gewesen wäre, ging es nun endlich raus aus der schwülen Hitze. Wir flogen zu dritt mit unserer Lieblingsairline Peach (wer braucht schon Beinfreiheit) nach Sapporo. Zwei Stunden dauerte der Flug und vom Flughafen wurden wir mit einem kostenlosen Shuttlebus zur Autovermietung gebracht, wo ich vorher ein Auto reserviert hatte. Zur allgemeinen Erleichterung handelte es sich bei dem Fahrzeug nicht um eines der allzu japanischen Cube-cars, sondern um ein "vernünftiges" Auto. Automatik, Tempomat, Blinker, Lenkrad, alles dran, nur eben spiegelverkehrt, was anfangs doch für einige Verwirrung sorgte. Aber nach einiger Zeit hatte man sich halbwegs dran gewöhnt und auch wenn man die Blinker ständig verwechselte, machte es richtig Spaß mal wieder Auto zu fahren. Zugegeben, die Erlaubnis hierfür war mit 3000 Yen nicht gerade günstig, aber ohne das Auto hätten wir in Hokkaido vermutlich kaum etwas machen können und auch der Luxus, der mit dem Auto einhergeht, sollte nicht unterschätzt werden. Gefühlt hatte man einfach mehr Zeit, schon allein weil man nicht auf die Uhr schauen und zum nächsten Bahnhof hasten musste und wir überall halten konnten, wo es uns gefiel. Unsere erste Station war die Nord-Ostküste, wo uns der Wind ordentlich um die Ohren pfiff, wir aber die Kälte und die peitschende Luft genossen, die uns Tränen in die Augen trieb. Die Landschaft ist einfach traumhaft. Grüne und felsige Hügel, von denen ein paar einige hundert Meter wie eine sich windende, bewachsene Schlange ins Meer hineinragten. Wir liefen bis an die steile Küste dieser Landzunge und freuten uns über die grauen Wolken, die schroffen Felsen und die Einsamkeit. Außer uns war niemand bis nach vorn vorgedrungen, was vermutlich an dem großen, geschlossenen Tor lag, über das wir rübergeklettert sind, um bis nach vorn laufen zu können... Die Nacht verbrachten wir in Yoichi, das strategisch sehr gut für unsere Weiterreise gelegen ist und gönnten uns im Gasthaus einen heißen Sake (sehr viel besser als der kalte!) und bereiteten unsere Futons vor und gingen bald schlafen, da wir uns für den folgenden Tag die Besteigung des Yotei-sans vorgenommen hatten und um 6 Uhr aufstehen wollten (haben wir auch geschafft btw).

Um 7 Uhr ging es also nach Süden zum Fuße des Vulkans, der immerhin stolze 1898 m hoch ist. Und wir wollten da in Jeans und Straßenschuhen hochstiefeln, na Prost Mahlzeit! Der Weg bestand aus 10 Stationen, von denen eine steiler und anstrengender war als die nächste. Es hatte geregnet, war dementsprechend rutschig und große Steine, Wurzeln, umgestürzte und im Weg hängende Bäume sowie eine unfassbare Steigung brachten uns zum Schwitzen und mich durchaus auch zum Fluchen. Zwischen der fünften und neunten Station habe ich mich gefragt, warum ich mir das eigentlich antue, aber an der neunten Station angekommen bekam ich meine Antwort. Die Dunkelheit der grauen Wolken war verschwunden, die Sonne strahlte eine angenehme Wärme und Helligkeit aus, der Himmel war tiefblau und wir konnten über das unendlich weite Wolkenmeer blicken, das nun unter uns lag. Schlagartig fühlte ich mich besser und hatte neue Energie, mit der ich es nicht nur bis zur Spitze schaffte, sondern auch einmal um den Vulkankrater kletterte. Wir ernteten erstaunte Blicke von den allesamt top ausgestatteten Japanern, wir, die einzigen Westler und die einzigen ohne Wanderschuhe, -rucksack,- hose oder sonstige Aursüstung. Naja, was soll's, wir haben es ja dennoch geschafft. Zugegeben, danach waren wir ordentlich fertig mit der Welt, denn die Umrundung bestand nicht aus einem normalen Weg sondern aus groben, in die Höhe ragenden Felsen, über die wir rüberkletterten bis zum höchsten Punkt und zurück zu unserem Startpunkt, wo wir erst einmal unsere mitgebrachten Lunchboxen aßen und uns danach ein wenig in die Sonne legten, es dort aber nicht lange aushielten, weil sie dort oben sehr stark schien und wir einerseits einen Rotschopf dabei hatten und andererseits keine Lust auf einen Sonnenstich hatten. Also begannen wir bald mit dem Abstieg, der zwar körperlich weniger anstrengend war als der Aufstieg, uns mental allerdings Einiges abverlangte, da es sehr rutschig und unwegsam war. Nach und nach erreichten wir also die Stationen in umgekehrter Reihenfolge, bis wir schließlich völlig verdreckt, müde und trotzdem total happy am Auto ankamen, wo wir uns erstmal umziehen mussten, bevor wir zu unserer nächsten Unterkunft in Niseko weiterfuhren. 

Dort angekommen gönnten wir uns erst einmal eine Dusche, eine große Schüssel Sesam-Sojaramen und einen Onsenabend. Das heiße Bad wirkte wahre Wunder auf die angestrengten Beine und der gefürchtete Todesmuskelkater äußerte sich in einem Muskelkätzchen (gemessen, an dem was wir gemacht haben, gelitten haben wir am nächsten Tag trotzdem). Der Onsen, in dem wir waren, hatte ein beleuchtetes Außenbad, von dem Dampfschwaden in den Nachthimmel schwebten, umrahmt von großen Steinen und dichten Laubbäumen. Danach fühlten wir uns tausendmal besser und konnten uns tatsächlich vorstellen, am nächsten Tag etwas zu unternehmen. Das taten wir dann auch und fuhren zu einem Wasserfall, an dem man sich Trinkwasser abfüllen kann, schauten uns den zugehörigen Park an und einen sehr jungen Vulkan, der erst Ende des zweiten Weltkrieges entstand. In derselben Region um Niseko fuhren wir mit der Seilbahn auf einen weiteren Berg, um von dort aus das Vulkangebiet zu bewandern, das durch einen Trail mit weit über 700 steilen Stufen erschlossen wurde. Also keine Entspannung für die Beine. Aber auch hier hat sich die Kraxelei gelohnt, der Trail führte uns auf einer Anhöhe an den aktiven, dampfenden Vulkanen vorbei, sowie an einem Tal, das an die Küste anschloss. Der Ausblick war atemberaubend und auch hier waren wir allein, da die restlichen Besucher an der Aussichtsplattform stoppten, wir den Weg allerdings bis zum Ende gingen. Das gefällt mir so an unseren Trips, dass wir immer das Maximum herausholen und mit einem so fantastischen Ausblick belohnt wurden, obwohl wir allesamt froren wie die Schneider. Dies nahmen wir zum Anlass, na klar, ein Onsen aufzusuchen. Ist ja auch typisch für eine Region mit so vielen natürlichen heißen Quellen. 

Am nächsten Morgen ging es weiter zum Toya-See, den wir uns anschauten, sowie in das dazugehörige, sehr verschlafene Städtchen. Es ist sehr interessant, das rurale Leben in Japan kennenzulernen, da man hier wirklich keine große Stadt in der Nähe hat und vieles auch etwas heruntergekommen und unmodern aussieht. Am Abend aßen wir in einem kleinen Restaurant, geführt von einer alten Dame und ihrer Tochter, die zusammen Gerichte zubereiteten, ohne miteinander zu reden, das war schon beeindruckend, so wie auch das Essen, das wirklich sehr lecker war. Danach ging es raus zum See, ein Feuerwerk anschauen, das im Sommer sage und schreibe jeden Tag (!) stattfindet (die arme Umwelt). Aufgrund der Regelmäßigkeit vermuteten wir ein kleines, billiges Feuerwerk, aber die Japaner lieben ja Feuerwerk und wir wurden mit wunderschönen Raketen und einem Lichterspiel mit Wasser und Himmel überrascht. Ein kleines Boot zischte über den See und warf Raketen ins Wasser, die direkt an der Wasseroberfläche zündeten und goldbunte Muster zauberten. So ein Feuerwerk habe ich vorher noch nie gesehen, auch Raketen, die zwei- oder dreimal nach der Explosion zündeten und noch einmal Form und Farbe änderten und so für einen besonderen Überraschungsmoment sorgten, waren keine Seltenheit. Die vorletzte Nacht verbrachten wir in einem relativ großen Gasthaus, in dem wir offenbar die einzigen Gäste waren, aber wie gesagt, wir fanden diese Einsamkeit sehr erfrischend. 

Am nächsten Morgen ging es weiter in ein das Onsendorf, wo ein kleiner Nationalpark voller grau-oranger Vulkane, Geysire und heißer Quellen, Seen und Bächen war, die wir uns vor einem Bad in einem riesig großen Onsen anschauten. Danach war es schon Zeit nach Sapporo zu fahren, wieder ein wenig Zivilisation nach der ganzen Natur. Wir liefen in der Stadt herum, gönnten uns ein all-you-can-eat-buffet und gingen dann zurück ins Hostel. Dort übernachteten wir in einem 8-er Zimmer mit drei weiteren Reisenden und ich war sehr froh über das bequeme Bett, denn der letzte Futon war sehr dünn und es war dementsprechend ziemlich hart. Kaum hatte ich die Augen zu, nahm allerdings die Katastrophe ihren Lauf. Ein Schnarcher sägte mit gefühlt 200 Decibel auf 12 m2. Wirklich, ich habe noch nie jemanden so krass schnarchen hören! Und Schnarchen ist auch so ein Ding, das ich nicht überhören kann und mich irgendwann echt aggressiv macht, weshalb ich den Schnarcher dann auch nach eineinhalb Stunden erfolglosen Ignorierversuchen aufgeweckt und gebeten habe, sich doch bitte auf die Seite zu legen. Im Endeffekt hat er dann im Aufenthaltsraum geschlafen, aber dafür hatten dann immerhin fünf Leute ihre Ruhe und so stand einer angenehmen Nacht nichts mehr im Wege und am Morgen sind wir entspannt um 9 Uhr zum Flughafen gefahren, brachten das Auto weg und flogen wieder zurück nach Osaka. Ich hatte das Glück, einen Fensterplatz erwischt zu haben und konnte während der letzten Dreiviertelstunde, als das Flugzeug schon relativ tief flog, einen unglaublichen Blick über Japans Küstenregion, die bewaldeten Hügel den Hafen von Kobe und Osaka genießen, was den Abschluss von Hokkaido perfekt machte.

Long story short: Hokkaido ist einfach fantastisch!

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