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Mestia - Schwein gehabt

Veröffentlicht: 20.08.2018

Kurz nach elf in der Nacht auf Donnerstag, den 16. August 2018, verlassen wir in Samtredia den Zug nach Kutaissi. Wenn alles gut geht, können wir kurz vor drei unsere Reise, mit dem Nachtzug von Tbilisi nach Sugdidi, fortsetzen. Bis dahin versuche ich es mir auf einer Bank im Wartebereich des Bahnhofs gemütlich zu machen. Gegen halb drei begebe ich mich zum Fahrkartenschalter um ein Ticket zu erwerben, leider erfolglos. So leicht gebe ich mich aber nicht geschlagen. Mit Sack, Pack und Rango beziehe ich am Bahnsteig Stellung. Nach Eintreffen des Zuges wende ich mich an die Zugbegleiter und darf nach einigem Hin und Her schließlich zusteigen. Das Ticket ist dann natürlich wieder etwas teurer... Dafür sind wir kurz nach sechs in Sugdidi und haben den ganzen Tag zur Weiterreise ins Gebirge zur Verfügung. Zu allererst gibt es ein Käffchen an einer nahen Tankstelle, nebst kleinem Frühstück für mich. Dann machen wir uns auf den Weg ins nahe Stadtzentrum, auch der Dicke will gefüttert werden. Nachdem das geschafft, mache ich mich auf die Suche nach einem Marschroutka (ein Minibus) ins gut 120 km entfernte Mestia. Ich wurde bereits am Bahnhof angequatscht, Rango scheint also ausnahmsweise kein Problem darzustellen. Am Sammelplatz kann ich nach etwas Verhandlung eine Mitfahrt zu vertretbarem Zins organisieren und wir steigen kurz nach acht in den Kleintransporter. Bis zur Abfahrt sollte es aber noch etwas dauern, gestartet wird erst mit vollem Bus. Kurz vor elf geht es dann endlich durch das malerische Enguri-Tal nach Nordost. Die Straßenverhältnisse sind übel und der Fahrstil mindestens unangemessen. So wird mir während der gut dreistündigen Fahrt etwas flau im Magen und auch Rango will bei jedem Zwischenstopp nichts wie raus aus dem Marschroutka. Die an uns vorbeiziehende Landschaft entschädigt aber etwas und vergrößert die Vorfreude auf die kommenden Tage. In Mestia brauche ich nahe der Haltestelle dann erstmal ein Päuschen, bevor wir uns auf die Suche nach einem Zeltplatz machen. Die Stadt ist definitiv kein Geheimtip mehr, Touristen soweit das Auge reicht. Trotzdem habe ich mir einen mehrtägigen Aufenthalt, mit der ein oder anderen Tagesetappe in die umliegenden Berge vorgenommen. Nachdem wir am dritten Zeltplatz einchecken konnten, ich unser Lager aufgeschlagen habe und mich ein klein wenig mit unseren Gastgebern austauschen konnte, begeben wir uns für einen ersten Ausflug in die Hauptstadt der historischen Region Swanetien. Auffällig sind natürlich die vielen Wehrtürme, in welchen die Swanen in unruhigen Zeiten Schutz gesucht haben. Ansonsten wird das Stadtbild durch Gastronomie sowie kleinere Hotels und Pensionen geprägt. Der Tourismus hat bereits Spuren hinterlassen. Etwas abseits des Ortskerns findet sich aber durchaus noch ursprüngliche, mittelalterliche Stadtstruktur mit kleinen Gassen, traditionellen Häusern und Gärten hinter Steinmauern. Am frühen Abend sind wir zurück am Zelt und werden mit "We don't know how to tell you, but a pig was running through your tent!" begrüßt. Nach einem "Excuse me. WHAT???" und einem prüfenden Blick ins Zelt, dann Gewissheit: Der Hofhund hat wohl ein Schwein vom Nachbarn erschreckt, welches sich infolgedessen für eine Flucht durch unsere Behausung entschieden hat. Ergebnis: Beide Mückennetze zerfetzt, die neue Matratze kaputt und eine charakteristische Duftnote unter meiner Zeltplane. Etwas geknickt bin ich in dem Moment schon, zumal ich hier im Gebirge weder für das Zelt noch die Matratze bei Bedarf Ersatz bekomme. Meine Gastgeber stellen mir für die Nacht ein Zimmer zur Verfügung und ich werde zum Abendbrot eingeladen. Kurz vorm zu Bett gehen, kann ich so schon wieder über das absurde Ereignis lachen.

Den Freitag verbringe ich also gezwungenermaßen mit Reparaturarbeiten. Beim flicken der Matratze kommt mir reichlich, während meiner Reise gesammelte, Erfahrung zu gute. Trotzdem schade, dass ich das gute Stück gerade mal eine Nacht unbeschädigt genießen konnte. Mein Zelt lasse ich von meinen Gastgebern waschen, bevor ich es am Nachmittag in ein paar Stunden handarbeit wieder herrichten kann. Da auf dem Grundstück permanent das Gartentor offensteht, findet sich über den Nachmittag eine Kuh zum grasen ein. Ich hab da überhaupt kein gutes Gefühl mehr. Die Kombination aus Hofhund und diversen anderem Getier in direkter Nachbarschaft zum Zelt scheint mir zu riskant. Nach vollbrachter Reparatur schaue ich mir zwei andere Zeltplätze in direkter Nachbarschaft an, bei denen zumindest das Tor zur Straße geschlossen scheint und beschließe umzuziehen. Meine bisherigen Gastgeber zeigen sich verständnisvoll und auch die Übernachtung im Hotelbett gab es für uns gratis. So drehe ich mit Rango am späten Nachmittag noch eine Runde in Mestia zum Einkauf und kann mich am Abend wieder wie gewohnt im lieb gewonnenen Zelt zur Ruhe legen.

Am Samstag (18.08.2018) stehe ich kurz nach sieben auf, füttere Rango, frühstücke selbst und mache mich mit dem Dicken kurz nach acht auf den Weg nach Mestia. Von dort führt ein Weg in die Berge zu den Koruldi Seen. Während der ersten anderthalben Stunde führt uns der Weg über etwa 700 Höhhenmeter bis auf gut 2200 m zu einem Aussichtspunkt hinauf. Wir verweilen ein wenig und genießen den Blick über das Engurital und die umliegende Gebirgslandschaft. Weiter geht es bei etwas gemächlicherem Anstieg zu den unspektakulären Gewässern auf gut 2700 m Höhe, die wir gegen elf erreichen. Hier gönne ich mir ein längeres Päuschen bei herrlicher Aussicht auf teils schneebedeckte Gipfel und döse etwas ein. Kurz vor zwölf weckt mich Donnergrollen. Es ist in der Zwischenzeit etwas zugezogen und südwestlich scheint sich ein Gewitter auszutoben. Eigentlich wollte ich noch ein Stück weiter in die Bergwelt vordringen, um einen Blick auf den Doppelgipfel der Uschba zu erhaschen, das Wetter macht mir nun einen Strich durch die Rechnung. Wir starten unseren Abstieg nach Mestia und müssen kurz vor zwei erstmal vor stärker werdendem Niederschlag Schutz suchen. Nach 20 Minuten hat selbiger etwas nachgelassen und wir können weiterlaufen. Kurz nach dem Ortseingang muss sich Rango dann wiedermal dem Angriff eines Hofhundes erwähren. Dessen Besitzer hat anscheinend Angst vorm eigenen Haustier und selbiges entsprechend wenig unter Kontrolle. Sehr ärgerlich. Ich lasse meinem Unmut in dem Moment auch freien Lauf, versteht mich ja eh keiner... Zum Glück bleibt Rango verletzungsfrei und wir kehren kurze Zeit später auf dem Zeltplatz ein.

Der Sonntag beginnt etwas später für mich, ich pelle mich erst kurz vor zehn aus den Federn. Die Etappe vom Vortag hat Spuren hinterlassen, ich habe Muskelkater. So entspanne ich etwas auf dem Zeltplatz, drehe ein Ringel mit Rango in Mestia (unter anderem zum Museum der Swanen) und lasse mir die ein oder andere lokale Köstlichkeit bei herrlichem Wetter schmecken. Den Abend verbringe ich auf dem Zeltplatz mit Kartenspielen. Ich habe ein paar Passagiere von der Kaunas wiedergetroffen...

Am Montagmorgen (20.08.2018) treibt es mich erneut bei Zeiten aus den Federn. Kurz nach acht machen wir uns auf den Weg zum Chalaadi Gletscher. Entlang des Oberdorfes geht es nach Norden. Wir überqueren den Enguri und laufen anschließend knapp anderthalb Stunden entlang einer Baustelle. Hier soll wohl ein Wasserkraftwerk entstehen. Nachdem wir den Fluss erneut überquert haben (über eine Hängebrücke), gönne ich mir gegen zehn eine kleine Pause. Dann geht es entlang eines Seitentals hinauf zum Gletscher. Das Wegstück ist wirklich idyllisch. Durch einen lichten Nadelwald hinauf, arbeiten wir uns zu blumenbedeckten Wiesen und einem Birkenwäldchen vor. Größtenteils wandern wir entlang des wilden Gletscherabflusses und von dessen Getöse begleitet. Die letzten paar hundert Meter klettern wir über Geröllhalden bis an die Gletscherzunge heran. Das Eis ist nahezu ausschließlich an der Unterseite erkennbar und ansonsten von Geröll und Dreck bedeckt, das regelmäßig seinen Weg über die Abbruchkante nach unten sucht. Trotzdem einigermaßen beeindruckend. Auf dem Rückweg fallen dann einige Felsen mit Inschriften auf. Anscheinend wurde hier der Gletscherschwund dokumentiert. Laut Navi hat sich der Gletscher seit den 70er Jahren gute 700 m zurückgezogen. Die Erderwärmung ist also kein ganz neues Phänomen. Nachdem wir wieder auf der öden Baustellenzufahrt laufen, versuche ich eine Mitfahrgelegenheit zu organisieren und habe Glück, das erste Auto hält und nimmt uns die 8 km bis nach Mestia mit. Dort organisiere ich etwas zu naschen für mich, bevor wir zu einer Siesta auf dem Zeltplatz einkehren. Neben Kaffeetrinken und einem kleinen Abendbrot passiert nicht mehr viel. Rango muss sich den Blödeleien des Zeltplatzwelpen erwähren und nutzt ansonsten die Gelegenheit zum dösen.

Den Dienstag gehe ich wieder gemütlicher an. Ich schreibe diesen Reisebericht und nutze in der Stadt ein Wifi zum Bilder hochladen. Ansonsten ist Kräfte tanken für die kommenden Tage angesagt, ich will zu einer längeren Tour aufbrechen, die uns hoffentlich bis nach Niederswanetien führt. Schau mer mal...

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