Veröffentlicht: 30.08.2018
Am Sonntag, den 26.08.2018, möchte ich bis nach Uschguli vordringen. Die Ortschaft besteht aus 4 nah beieinander liegenden Dörfern am oberen Ende der Enguri-Schlucht und befindet sich auf 2100 m bis 2200 m Höhe. Damit ist Uschguli die höchstgelegene, ganzjährig bewohnte Siedlung Europas (wenn man die Gegend noch zu Europa zählen möchte). Mangels guter Alternativen, hatte ich unser Zelt am Vorabend in einem kleinen Seitental nahe Iprari aufgebaut. So müssen wir uns bis etwa zehn gedulden, ehe die ersten Sonnenstrahlen unseren Lagerplatz erreichen. Ich nutze die Zeit um etwas an einem Reisebericht zu schreiben. Gegen Mittag ist das Zelt und die am Vorabend gewaschene Wäsche trocken und ich kann langsam meinen Rucksack packen. Gegen halb eins können wir endlich aufbrechen. Wir queren den Enguri und beginnen den Aufstieg auf die nördlich des Tals gelegene Hügelkette. Dabei müssen wir durch den Ort Davberi. Mitten in dem Nest werden wir von einem kaukasischen Hütehund gestellt, der sich unverzüglich mit Rango anlegt. Ich kann die erste kleine Keilerei nicht verhindern, die beiden aber in einer kurzen Gefechtspause trennen. Zum Glück hat Rango die erste Runde ohne Bissverletzungen überstanden. Der einheimische Vierbeiner wiegt vermutlich zwischen 60 kg und 80 kg, Rango wirkt ihm gegenüber recht niedlich. Die vermeintliche Besitzerin hat null Zugriff auf das Tier. Als dann ein weiterer, ähnlich großer Hund dazustößt, wird klar dass wir hier wohl nicht weiter kommen. So drehe ich etwas verärgert um, steht uns nun doch vermeintlich eine mehrstündige Wandertour entlang der Hauptstraße bevor. Die nächste Stunde laufen wir entlang der Enguri-Schlucht in Richtung nordost. So langsam habe ich trotz herrlicher Landschaft aber die Nase voll, der Autoverkehr nimmt nämlich merklich zu. Wir gehen regelmäßig in einer Staubwolke und Rango ist farblich kaum noch von der Straße zu unterscheiden. Also versuche ich eine Mitfahrgelegenheit zu organisieren und habe prompt Glück, ein Kleinbus hat noch Platz und nimmt uns mit. Wir erreichen Uschguli kurz vor zwei und pausieren direkt am ersten Restaurant. Bei Kaffee und Kuchen komme ich mit ein paar anderen Gästen ins Gespräch und Rango nutzt die Gelegenheit sich von Hinz und Kunz durchstreicheln zu lassen. Nach einer guten halben Stunde machen wir uns dann auf den Weg zu einem potenziellen Zeltplatz unterhalb des Ortsteils Chazhashi. Der Großteil der Steinhäuser ist vergleichsweise gut in Schuss und bewohnt. Das Dorf hat seine historisch gewachsene Siedlungsstruktur bisher scheinbar weitestgehend erhalten können. Auch der angepeilte Lagerplatz macht einen guten Eindruck und so baue ich unsere grüne Behausung auf der Wiese am Ufer des Enguri auf. Über den Nachmittag entspanne ich etwas vorm Zelt und genieße das sonnig sommerliche Wetter. Am späten Nachmittag geht es nochmal in die Ortschaft, unsere Lebensmittelreserven müssen aufgefüllt werden. Wie schon Mestia, so ist auch Uschguli von reichlich Touristen heimgesucht. Der Großteil der Einwohner scheint mittlerweile sein Einkommen durch Übernachtungsgäste oder mittels Gastronomie zu bestreiten. So ist die Preisgestaltung mitunter fragwürdig. Ausgepreist ist in den Läden fast nichts, als Tourist zahlt man also sicher öfters einen kleinen Aufpreis. Sobald ich von einer Kaufabsicht wieder Abstand nehme, kommt nämlich häufig Bewegung in die Sache. Zurück am Zelt, haben sich in direkter Nachbarschaft ein paar Pferde eingefunden, die sich um gute Nachbarschaft bemühen und in gebührendem Abstand vom Zelt grasen.
Die Nacht ist wieder recht kühl in der Höhe, sodass mir die ersten Sonnenstrahlen kurz vor acht am Montagmorgen herzlich willkommen sind. Nach dem Aufwärmen und einem kleinen Frühstück, mache ich mich mit Rango auf den Weg nach Murqmeli, dem untersten der vier Dörfer. Hier sind viele der historischen Steinhäuser nur noch fragmentarisch erhalten. Vielleicht ein Drittel der Siedlung ist noch bewohnt und entsprechend baulich in Stand. Auf dem Rückweg zum Zelt, kaufe ich günstig eine Wassermelone und lade zwei Ukrainer, welche sich am Vorabend bei Dunkelheit in direkter Nachbarschaft niedergelassen haben, zum gemeinsamen Verzehr ein. Während des letzten Monats sind die beiden per Anhalter um das Schwarze Meer getrampt. Über Russland soll es demnächst wieder in die Ukraine gehen. Auch der Dicke gönnt sich etwas Melone, wobei ihm die Schale mehr zusagt als das Fruchtfleisch - komisches Tier. Bis ich mit Rango am späten Nachmittag noch eine Runde in den oberen Dörfern von Uschguli drehe, döse ich etwas in der Sonne und genehmige mir eine Abkühlung im eiskalten Enguri. Für den Dienstag ist der Aufstieg auf den 2943 m hohen Gvilbaripass mit anschließender Kammwanderung geplant, dafür will ich gut erholt sein.