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15 Personen, 1 Wochenende, viel Meditation und nur einer redet - mein persönliches Experiment: Schweigen für ein ganzes Wochenende

Veröffentlicht: 26.02.2018

Viele haben mir die Frage gestellt "WARUM?" - meine Antwort: Warum nicht? Warum nicht einfach mal ein ganzes Wochenende das Handy ausmachen, keinen Fernseher anschalten, kein Social Media und vorallem mal nichts sagen?


Los ging es am Freitag, 23.02.2018.


Abfahrt 15.00 Uhr. Erst mal nach Mechernich, genauer gesagt nach Wachendorf in der Eifel. Zur einer Feldkapelle. Die hat ein Bauer als Dank für sein schönes Leben auf seinem Feld errichten lassen. Hab ich mal im WDR gesehen. Fand ich interessant - wollte ich sehen. Das Navi brachte mich natürlich nur bis an den Ortsrand - also auf eigenen Faust weiter suchen. Kann ja nicht so schwer zu finden sein. Nach 5 Minuten gefunden, Auto abgestellt und gestaunt. Ein Turm - mitten im Feld. Drum herum ein bisschen Wiese gesäht, einen Weg geformt, ein paar Bäume gepflanzt. Nett!


Der Eingang ist ein großes, schweres Eisentor. Ein Dreieck. Darüber, kaum zu erkennen, ein Kreuz. Im Inneren ist es dunkel. Nur durch die kleinen Kugeln in der Fassade kommt Licht - und durch ein Loch im Dach. Das ist wohl so gewollt. Es brennen erstaunlich viele Kerzen, damit habe ich garnicht gerechnet. Direkt mal eine für meine Lieben im Himmel angezündet (und natürlich auch bezahlt!). Wäre es nicht so kalt, würde ich länger bleiben. Aber die Kapelle schließt ja auch in 15 Minuten (ob der Bauer, dem die Kapelle gehört, jeden Tag hier hin kommt und abschließt?)


Gegen 16.30 Uhr komme ich dann am Kloster Steinfeld an. Mann... wo ist denn der Eingang? 3 Tore - und welches ist das Richtige?? Erst mal auf dem Dorfplatz parken. Nach einigem  Suchen dann auch das Gästehaus des Klosters gefunden. Schwester ichweissnichtmehrwie begrüsst mich und drückt mir den Schlüssel mit der Nr. 16 in die Hand (warum müssen die Schlüsselanhänger immer aussehen wie ein Penis - und das im Kloster...) Sie erklärt mir anhand eines Lageplans, wo ich hin muss. Ich verstehe kein Wort. Naja, ich werd´s schon finden. Aber warum hat sie nicht gleich gesagt, dass ich nur in das Nachbargebäude muss? Wäre einfacher.. Egal. Zimmer gefunden.


Mein Zimmer besteht aus 2 Betten (zum Glück ist das mit der guten Matratze auch bezogen), einem Schrank, einem Tisch, einem Stuhl und einem Waschbecken. Ach ja, ich hatte ja die Klosterstuben-Variante gewählt. Wenn schon Kloster, dann auch richtig. Nur zur Info: Es gibt auch das neue Gästehaus. 4*** - mit, wie ich nachher erfahre, TV, Kühlschrank, Wein etc. Aber hey, ich habe eine Teeküche und ein Gemeinschaftsbad auf dem Flur. Hat ja auch was. Und ist nicht anders, als im Büro :-)


18.00 Uhr ist Treffen im Speisesaal. Bis ich den erst mal gefunden hatte... Ganz schön groß hier. Irgendwann habe ich dann auch mal unsere Tische gefunden. Ich stelle mich an einen Tisch und... werde erst mal ignoriert. Mmmmmpf. Nach 2x "Entschuldigung" (typisch deutsch halt) werde ich wahrgenommen und darf mich dazu setzen. Kurz gequatscht, da steht Theologe und Seminarleiter Ralf Braun auf und eröffnet "das Buffett". Die Teilnehmerin rechts neben mir desinfiziert sich erst mal die Hände. Das wird sie zukünftig vor jedem Essen tun. Ein Zwang? Man weiss es nicht...


Nach dem Essen in die Haremshose, in den dicken Pulli und in meine von Sandra selbst gehäkelten, pinken Schluffen geschlüpft und mit Isomatte und Decke bewaffnet in den Dachsaal gelaufen. Stuhlkreis - Okay.. hat was von Selbsthilfegruppe. Zunächst stellen sich alle nur mit dem Namen vor und sollen ihre Gemütslage mit dem Wetter beschreiben. Meine Beschreibung war "heiter bis wolkig". Bei anderen war es sonnig oder auch mal diesig und bewölkt. Bei Ralf, dem Seminarleiter "schwül". Na dann... Danach ging es in die erste Meditation. Im Liegen. Läuft ganz gut, glaube ich. Zumindest schlafe ich nicht ein... Danach große Vorstellungsrunde mit Namen, Herkunftsort und "Warum bin ich hier". Also ich bin es, um vorallem nach Karneval mal meine Ruhe zu haben und ein bisschen "Medienfasten". Mal sehen.. Danach werden wir ins Schweigen entlassen. Los gehts. Ich bin gespannt. Aber erst mal duschen und ab ins Bett. Übrigens.. Hinter Klostermauern hat man keinen Handy-Empfang. Wie praktisch ;-)


Samstag, 24.02.2018

Der Wecker klingelt um 6.45 Uhr. 7.30 Uhr ist Yoga angesagt. Vor dem Frühstück.. Das wird ja was.... Den Raum betritt man ohne Gruß. Man schweigt ja. Schon komisch. Wir machen 30 Minuten lang Yoga-Übungen und dann gehts zum Frühstück. Schweigend. Befremdlich, sich am Tisch nicht zu unterhalten. Und mir fehlen jetzt schon die Höflichkeitsfloskeln wie "Guten Morgen, Hallo, Bitte, Danke". Anfangs scheint auch jeder von uns irritiert. Man sollte auch betonen, dass nur wir schweigen. Alle anderen Klosterbesucher machen andere Seminare oder Urlaub. Es gibt sogar einen Kommunikationskurs. Und eine Gruppe Kommunionskinder. Viele von uns stört die Lautstärke im Speisesaal, wie sie nachher berichten. Ich kann das ganz gut in den Hintergrund verbannen. Umso amüsanter finde ich die Kids, wie sie später Suppen, Würstchen etc. an uns vorbei zu ihren Plätze balancieren. Hätte ich mit meinen Kursteilnehmern gequatscht, hätte ich das nicht bemerkt. Generell nimmt man seine Umwelt und auch das Essen ganz anders wahr. Eine schöne Erfahrung.


9.00 Uhr. Auf zur 1. Meditation am Tag. Im Sitzen. Mein Rücken hält davon nix. Immerhin wurde ich am Donnerstag noch wie ein Turnierpferd  gesund gespritzt (Danke Olli für den Ausdruck :-)), getaped und mit 12 Akupunkturnadeln bestückt. Ständig muss ich die Position wechseln. Doof, in einem Raum, in dem es totenstill ist. Bereits jetzt frage ich mich mich, ob ich der Meditationsmensch bin. Naja, vielleicht wird das ja noch. Zumindest kann ich in dieser unbequemen Haltung nicht einschlafen. Ist ja auch schon mal was. Aber es gibt ja immer Freaks.. Auch in der Meditation. Manche reisen mit Schemeln, 23 verschiedenen Mediationskissen, Hockern etc. an. Ob es dadurch wesentliche bequemer ist? Mir hat das von Ralf mitgebrachte Meditationskissen nix gebracht.


9.30 Uhr - 11.30 Uhr  Zeit zur freien Verfügung. Ich gehe spazieren. Mit Kamera. Ich komme aber nicht zum fotografieren, weil ich natürlich wieder genau da hin laufe, wo alles vereist ist und ich ständig aufpassen muss, mich nicht abzulegen. Ok, dann halt zurück zum Kloster. In die Basilika. Der Orgel lauschen, fotografieren und.. mich über die alten Tanten ärgern, die ohne Punkt und Komma quatschen... und ich schweige. Und es fühlt sich noch immer gut an. Ist ja auch noch nicht so lange.


11.30 Uhr. Auf zur Meditation. Naja... ab und zu war ich auf dem richtigen Weg, glaube ich.


12.30 Uhr Mittagessen. Abnehmen ist hier nicht. Schweinebraten, Kartoffelpürree, Kaisergemüse mit Soße Hollandaise, vorweg Suppe, Pudding zum Nachtisch. Läuft. Danach erst mal Kaffee und spazieren gehen.


15.00 Uhr. Na was schon? ***Trommelwirbel*** Meditation. 1,5 Stunden.. Joah.. Mein Rücken motzt. Ich schweige.


17.15 Uhr. Ich schwänze die Meditation und lese lieber was. Es kann ja auch keiner fragen, wo ich war :-)


18.00 Uhr Abendessen. Das Schweigen am Tisch ist inzwischen angenehm und "alltäglich" geworden. Aber die Gäste neben uns sind scheinbar etwas irritiert, dass es 3 Tische gibt, an denen sich niemand unterhält. Ich nehme mir das letzte Stück Aprikosenriemchen mit auf´s Zimmer und mache mir in der Teeküche einen Instantkaffee. Lecker!


19.30 Uhr. Die für heute letzte Meditation. Mit anschließendem Gruppengespräch. Wenn man denn überhaupt was sagen möchte. Interessant ist, dass ich nicht alleine bin, mit dem Gedanken, ob Meditation was für mich ist. Aber die Sache mit dem Schweigen läuft super - auch bei den anderen. Bis auf das schlechte Gewissen, was man hat, wenn einem Fremde begegnen, die man dann automatisch grüßt.  Die wissen ja nicht, dass ich schweige. Also darf ich das. Trotzdem komisch, wenn man sonst nicht redet. Um 22.00 Uhr gehe ich dann ins Bett.


Sonntag, 25.02.2018

6.50 Uhr klingelt der Wecker. 7.15 Uhr Yoga. Tut ganz gut, die müden Knochen zu strecken. Ich hab nämlich echt schlecht geschlafen. Vielleicht ist mein Körper durch die ganze Meditation einfach nicht ausgelastet? Möglich.


7.45 Uhr Frühstück. Wie gesagt, Diät ist dieses WE nicht.


8.30 Uhr... Meditation. Für mich ab sofort nur noch im Liegen und mit Wärmflasche. Trotzdem kann ich nicht entspannen. Ich denke an viel (nix gravierendes), nur nicht daran, wie mein Atem durch die Nase in die Lungen fließt. Auch durch mein Herz kann ich nicht atmen. Und die traditionellen Wünsche wie "Möge ich gesund sein, möge ich frei von Leiden sein, möge ich glücklich sein etc." kann ich bald nicht mehr hören. Ich starre Löcher in die Luft. Die anderen scheinen voll in der Meditation zu stecken. Zumindes macht es den Anschein.


10.00 Uhr - Gottesdienst in der Basilika. Ja, ich war da und erschrocken, wie schief Menschen doch singen können und dass hinter mir ein Handy 2 gepiept hat. Das Licht ist toll - leider kommt fotografieren mitten im Gottesdienst sicher nicht gut. Komme wohl nachher nochmal her. Nach dem Gottesdienst hätten wir die Möglichkeit zum Einzelgespräch bei Ralf. Nö, ich will ja garnicht reden. Worüber auch?


12.30 Uhr Mittagessen. Ich sage nur "Bratapfel mit Vanillesosse".. Gaby muss gleich mal die Laktosepille einwerfen. Die Arme.


Um 11. 00 Uhr mussten wir die Zimmer räumen. Seitdem sind wir mehr oder weniger obdachlos. Bis 15.00 Uhr heisst es somit Zeit vertreiben. Das Licht in der Basilika ist jetzt natürlich nicht mehr so schön. Also wieder spazieren gehen. Langsam kenne ich jeden Stein in Steinfeld. Ein 800 Seelendorf, sobald man das Dorf verlässt, sind alle Wege, bis auf die Hauptstraße, vereist. Also die Sonne genießen auf die Bank des Dorfplatzes. 2 Typen - geschätzt Mitte 40 - machen sich im Klostergarten erst mal eine Dose Bier auf. Muss das sein??? Und dann setzen sie sich prompt auf die Bank hinter mich, hören laute Musik und rülpsen. Ist das widerlich!


15.00 Uhr - die letzte Meditation für dieses Wochenende. Ich starre wieder Löche in die Decke (ich liege im Gegensatz zu den anderen ja) und warte auf den Schluss.


16.00  Uhr Erfahrungsaustausch und somit - Ende des Schweigens. Schade! Ich könnte noch viel länger schweigen. Aber erst mal Kaffee und Kuchen ;-)


17.00 Uhr Heimfahrt. Ich möchte mein Handy ehrlich gesagt garnicht an machen. Aber ohne Navi komm ich ja nicht heim. Ich und Orientierung... Ende vom Lied: 137 Whatsapp-Nachrichten, 32 Emails. Und ich hätte drauf schwören können, dass mich mind. 1 Person kontrolliert, indem sie mir Whatsapp schickt, um zu sehen, wann der 2. Haken sichtbar wird. Und was soll ich sagen? Sandra, auf Dich ist Verlass :-* Aber wie Du siehst, ich kann auch ohne :-)


Mein Fazit:

Schweigen

Super Sache! Fällt mir überhaupt nicht schwer. Ich hätte gerne weiter gemacht. Im Alltag lässt sich das aber leider nicht einbauen. Also muss ich das auf jeden Fall wiederholen. Und das werde ich definitiv! Aber eins kann ich versprechen: Selbstgespräche führt man weiterhin :-)


Meditieren

Wie man sicherlich rauslesen konnte - es ist nicht meins. Ich habe meine Erfüllung darin nicht gefunden. Es sei denen gegönnt, die es gerne machen und darin aufgehen. Aber auch dafür war das Wochenende gut. Ich weiss, dass ich DAS nicht mehr machen werde. Ich bin wesentlich glücklicher, wenn ich raus in die Natur kann, statt in ungemütlicher Haltung in einem geschlossenen Raum zu verharren und die Sonne nur durch die Fenster sehe.


Verzicht auf Handy & Co

Ich lebe noch (und das sogar sehr gut) und ich habe für mich bemerkt, wieviel Zeit diese modernen Medien fressen. Hey, ich hab sogar ein 8-Seiten Tagebuch an 3 Tagen geschrieben. Wahrscheinlich musste ich diese Erfahrung erst mal machen, um zu merken, dass es auch mal ohne geht. Klingt komisch. Ist aber so ;-)



































Antworten (1)

Katja
Sehr schön geschrieben. Interessant.

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