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Sonntag, 01. April

Veröffentlicht: 04.04.2018

O Amenal - Santiago de Compostela

Heute wache ich um 08:00 Uhr auf. Leichter Regen prasselt auf das Dach des Wohnmobiles und ich denke: „Bitte, nicht schon wieder!“

Aber als wir uns nach dem Frühstück um 9:20 Uhr auf den Weg machen, ist es trocken und hat acht Grad draußen. Es ist seltsam heute los zugehen. Ich freue mich darauf, den Weg geschafft zu haben und 118 km zu Fuß hinter mich gebracht zu haben. Auf der anderen Seite, möchte ich nicht, dass unsere Reise zu Ende geht. „Wie bei einem guten Buch“, denke ich, „wo man den Ausgang zwar wissen möchte, das letzte Kapitel aber nicht lesen will, weil es dann zu Ende ist.“

Der Camino führt uns heute anfangs durch viel Grün, durch dichte Wälder, viel Moos und zahlreiche Anhöhen. Von hier an ist der Weg durch die alten Kilometersteine gekennzeichnet. Der erste Stein, den wir heute mit Kilometerangabe sehen, zeigt nur noch 13 km. „Nur noch“, denke ich im diesem Moment tatsächlich. Schon seltsam. Vor fünf Tagen hätte ich 13km zu Fuß als sehr lang empfunden. Heute kommt es mir vor, wie ein Katzensprung.

Um 10:00 Uhr kommen wir in Santiagos Einzugsgebiet. Eine Steinskulptur markiert diese Stelle. Danach umwandern wir das Rollfeld des örtlichen Flughafens. Trotzdem ist der Weg noch sehr ländlich und gesäumt von viel grün. Um 10:20 Uhr bekommen wir vor einer Bar den letzten Stempel unserer Reise in unsere Pässe gedrückt. Immer wieder kommt mir heute der Gedanke, dass unsere Reise nun zwar zu Ende geht, meine persönliche aber gerade erst begonnen hat!

Immer noch zeigt sich der Camino unerwartet ländlich und so pausieren wir heute bereits um 11:15 Uhr auf einer Steinbank, umgeben von Katzen und Kühen. Es ist kühl und grau und leicht melancholisch.

Um 12:20 Uhr erreichen wir das Denkmal am Monte do Gozo. Von hier aus können wir auf die Stadt herunter gucken. 5km bis zur Catedral de Santiago de Compostela.

Um 12:50 Uhr haben wir Santiago‘s Ortsschild erreicht.

„Zum Feiern ist mir irgendwie allerdings nicht zu Mute“, sagt Conny. Mir geht es genauso. Ich bin erschöpft. Körperlich, mental und emotional. Und etwas traurig, dass unsere Reise heute zu Ende geht. Meine Füße jedoch freuen sich auf einen Tag ohne wandern.

Jetzt haben wir das Grüne und Ländliche endgültig hinter uns gelassen. Wir gehen vorbei an Geschäften und Bars, durch Fußgängerzonen und durch die Altstadt, immer den kleinen Jakobsmuscheln folgend.

Um 13:40 Uhr erreichen wir, zusammen mit dem örtlichen Osterumzug, die Kathedrale. Es kommt mir unwirklich vor. So viel Zeit haben wir auf dem Camino verbracht und auf einmal, von einem Schritt auf den anderen, sind wir am Ziel. Angekommen. Nur das Gefühl des Ankommens will sich gar nicht so richtig einstellen.

Wir machen uns auf die Suche nach dem Pilgerbüro, um unsere Urkunden zu beantragen. Eine Weile müssen wir hier anstehen und jetzt wünschen sich meine Füße wirklich einen Schuhwechsel. Um 14:50 Uhr haben wir unsere Urkunden. Als ich diese in den Händen halte, bin ich dann doch stolz.

Um 15:10 Uhr sitzen wir vor Rotwein und Miesmuscheln. „Das haben wir uns verdient!“, denke ich. Beim Essen liest Conny aus dem Pilgerführer vor: „Früher stiegen die Pilger ins Meer, um sich die Jakobsmuschel zu holen. Die Muschel, die nicht fest verankert am Meeresgrund liegt, sondern sich treiben lässt, und so zum Symbol der Freiheit geworden ist.“ „Wie passend“, denke ich. Denn frei habe ich mich die letzten Tage wirklich oft gefühlt. Frei von Pflichten und Terminen; frei von Aufgaben und Konventionen; frei von Erwartungen und Zwängen, aber auch immer wieder frei von Orientierung und Geborgenheit; frei von Sicherheit und Zugehörigkeit. Freiheit! Die nehme ich auf jeden Fall mit nach Hause!

Nach dem Essen ist auch die Kathedrale wieder geöffnet und wir kommen endlich dazu, die Statur des Apostel Jakobus zu umarmen und so um 17:00 Uhr unsere Pilgerreise endgültig abzuschließen.

Ich bin geschafft und glücklich. Ich weiß, ich werde wieder kommen. Meine Reise ist noch nicht zu Ende! Zu viele Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, zu viele Menschen noch nicht kennen gelernt, zu viele Orte noch nicht gesehen...

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