Salam ya Amman
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Petra, die Zweite.

Veröffentlicht: 25.01.2020

Mittwoch + Donnerstag, 1. + 2. Januar

6:30 am. Gerade so rechtzeitig erwischen wir den Jett-Bus, der uns nun nach Petra bringen wird. Als wir nach der Hälfte der Strecke auf einer Raststätte eine Pause einlegen, fragen wir uns allerdings, warum wir uns überhaupt den Stress gemacht haben, früh aufzustehen. Nachdem wir eine gefühlte Ewigkeit im Bus sitzen und darauf warten, dass die Fahrt weitergeht, sickert irgendwann zu uns durch, dass unser Bus eine Panne hat, und wir jetzt auf einen neuen Bus warten. Der aus Amman kommt. Great.

Bis irgendwann ein Ersatzbus auftaucht haben wir uns in der Zwischenzeit schon fast unsere Hinterteile platt gesessen und erreichen dann um kurz vor 1, fast 2,5 Stunden später als geplant, Petra. Da wir keine Zeit verlieren wollen, beschließen wir, heute mit unserem Gepäck durch die Felsenstadt zu laufen, als Hanni sich vom Hunger getrieben in Petras Visitor Centre noch ein Falafel-Sandwich besorgt. Wir lernen dort also Muath kennen, der Besitzer der Falafel-Bude, und seine Mitarbeiter. Sie sind super nett und bieten uns an, unser Gepäck bei ihnen stehen zu lassen. Wir nehmen also Wasser und Wertsachen mit und machen uns auf den Weg, hinunter zur Felsenstadt.

Alles sieht noch so aus wie damals während der Summer School, nur dass es etwa 20 Grad kälter und bewölkt ist. Da wir heute nur wenige Stunden bis zum Sonnenuntergang haben, nehmen wir uns keine größere Strecke vor und gehen stattdessen vorbei an der Treasury (dem bekanntesten Gebäude Petras) die Treppen hoch, die ich auch damals mit Sophia hochgelaufen bin. Was wir zu der Zeit noch nicht wussten: es geht hier zum High Place of Sacrifice, wo damals zur Zeit der Nabatäer Opferzeremonien zu Ehren des Gottes Dushara stattgefunden haben. Kurz bevor wir am höchsten Punkt angelangt sind und schon ein wenig weiter unten die Aussicht genießen, winken uns zwei uniformierte Männer und fragen uns, ob sie ein Bild von uns machen soll. Die Tourism Police, wie sich herausstellt. Was genau hier ihre Aufgabe ist außer Tourist*innen zu fotografieren, können wir nicht so wirklich ausfindig machen, aber sie sind auf jeden Fall sehr nett und zuvorkommend. Wir unterhalten uns oben noch ein Weilchen mit einer Beduinin, die hier wie so viele andere Frauen Souvenirs verkauft, und machen uns dann wieder auf den Rückweg. 

Nach ein paar Anfangsschwierigkeiten finden wir unser Hostel, das gerade noch im Aufbau und nicht ganz einfach zu finden ist. Innen ist es dann eine Mischung aus noch nicht ganz fertig aber auch schon nicht mehr ganz intakt, zumindest was Toiletten und Duschen angeht, aber wir brauchen ja auch wirklich nur ein Bett für heute Nacht. Der junge Besitzer des Hostels, Ibrahim, freut sich uns zu sehen und erklärt uns noch ein wenig auf der Karte, was in Petra am sehenswertesten ist. Es stellt sich heraus, dass er in Petra ein Tourist Guide war, bevor er das Hostel hier eröffnet hat, weshalb er sich perfekt auskennt. Zusammen mit Nicole, einer Schweizerin, die auch hier nächtigt, vereinbaren wir dann, uns morgen mit Ibrahim in Petra zu treffen. Er wird mit uns den Madrasa Trail gehen, einen Pfad, den man aus Sicherheitsgründen nur zusammen mit einem Guide gehen darf.

Jetzt mache ich mich mit Hanni aber erst einmal wieder auf die Socken. Wir haben Tickets für Petra by Night gekauft. Im Dunkeln ist es uns damit erlaubt, noch einmal die Schlucht nach Petra bis hin zur Treasury zu gehen. Überall am Wegesrand sind Papiertüten aufgestellt, in denen sich jeweils eine Kerze befindet, und die gegenseitig um die Wette funkeln. Teilweise kommen beruhigende arabische Klänge aus Lautsprechern, die ebenfalls am Wegesrand platziert sind. Es ist wirklich eine sehr schöne und besondere Stimmung.

Das Highlight, dann an der Treasury: davor sind nun ebenfalls Dutzende Kerzen-Papiertüten aufgestellt. Die Treasury selbst ist außerdem mit Scheinwerfern bunt beleuchtet. Wir reihen uns ein neben allen anderen Tourist*innen, die schon davor auf ausgerollten Teppichen sitzen, und lauschen der Musik, die nun gespielt wird. Zunächst Flöte, dann Masinko, ein traditionelles beduinisches Streichinstrument mit nur einer Saite, begleitet von Gesang. Danach werden noch ein paar andächtige Worte an die versammelte Menge gerichtet. Das einzige nicht-besinnliche sind alle Handys und Kameras, die ununterbrochen die Show festhalten. Aber davon sind wir ja auch nicht ausgenommen.

Als die Show vorbei ist, werden alle Gäste gebeten, das Gelände nun zu verlassen, damit gleich der nächste Schwung Tourist*innen kommen kann – es gibt bei Petra by Night immer zwei Gruppen. Hanni und ich beschließen jedoch, einen Tee bei einem Beduinen-Stand neben der Treasury zu uns zu nehmen, und bleiben dort so lange sitzen, bis die zweite Gruppe vor den Kerzen Platz nimmt und die Show genießt. Wir schauen uns also alles ein zweites Mal an. Man kann uns auf jeden Fall nicht nachsagen, dass wir nicht das beste aus unseren Tickets gemacht hätten. Ein bisschen verfroren, aber glücklich und zufrieden kehren wir danach in unser Hostel zurück.

6:15 am. Mit dem Ziel, zum Sonnenaufgang schon in der Felsenstadt zu sein, stehen wir auf, aber stellen schon fest, dass es zu bewölkt ist, als dass man die Sonne sehen könnte. Ein wenig später machen wir uns dann also zusammen mit Nicole auf den Weg, um noch einmal die Treasury bei kleinerem Menschenandrang zu begutachten, um uns dann um 11 Uhr vor Petras Eingang und am Anfang des Madrasa Trails mit Ibrahim zu treffen. Und er kommt nicht alleine: Nicole ist als Reiterhofbesitzerin begeisterte Reiterin, weshalb Ibrahim ihr ein Pferd organisiert hat, mit dem sie nun den Trail erklimmen kann. Wir laufen ihr zu Fuß hinterher, was unserer Erfahrung jedoch keinen Abbruch tut: Über Fels und Stein führt uns Ibrahim durch eine wundervolle bergige Landschaft mit runden Kuppen, die ein bisschen aussieht wie eine beige Mondlandschaft. Außerdem bricht die Wolkendecke über uns auf, sodass wir die Umgebung und die Aussicht bei blauem Himmel genießen können.

Wir legen eine kurze Pause an und verspeisen Gepäck, das Ibrahim uns mitgebracht hat, und bahnen uns dann weiter unseren Weg, bis wir dann zu einem Aussichtspunkt kommen, an der auch Nicole von ihrem Pferdchen absteigen muss. Ab hier geht es nur zu Fuß weiter. Mit ein wenig Kletterarbeit steigen wir wieder ein paar Höhenmeter herunter, bis wir wieder zum High Place of Sacrifice kommen. Von dort gehen wir all die Treppenstufen herunter, die ich gestern mit Hanni hochgelaufen bin, um von unten dann weiterzugehen, Richtung Monastery. Die Monastery ist ein Gebäude, ähnlich wie die Treasury, nur sehr viel größer, die sich weit oben in Petras Bergen befindet. Um dorthin zu gelangen, muss man also einige Treppenstufen laufen.

Nicole hat gestern mit Ibrahim schon ausgemacht, diesen Weg auf dem Rücken eines Esels zu gehen, aber letztendlich landet sie doch wieder auf einem Pferderücken. Ich sehe, wie Hanni auf einmal auch auf einem Esel sitzt. Dann Ibrahim. Ich habe mich wirklich dagegen gesträubt, mich auch auf einen Esel zu setzen, aber ich will die anderen nicht verlieren und habe keine andere Wahl. Ein befreundeter Beduine Ibrahims überreicht mir seinen Esel und ich finde mich kurz darauf reitend Richtung Monastery. Während alle anderen schon weit vor mir sind, braucht mein Esel ein wenig länger, und mein schlechtes Gewissen ihm gegenüber fängt nicht erst an, als er die erste Treppenstufe hochsteigt. Ich schäme mich wirklich, an allen Leuten vorbeizureiten, die die Stufen hier aus eigener Kraft erklimmen. Außerdem trifft es „vorbeireiten“ nicht so wirklich. Auch wenn mein Esel offensichtlich den Weg gut kennt, hat er keine Lust, auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen, weshalb er mit mir auf seinem Rücken ständig Leute anrempelt, und ich wie eine Kassette ein permanentes „Sorry!“ von mir gebe.

Irgendwann kann ich alles nicht mehr ertragen. Ich steige ab und tätschele meinen Esel, der ganz offensichtlich eine Pause gut gebrauchen kann. Ich warte ein wenig mit ihm auf den Stufen, bis er wieder bereit ist, zu gehen, und steige nun die restlichen Stufen zu Fuß mit ihm an meiner Seite hoch. Ein Beduine, der mich vorher schon unten zusammen mit dem Esel gesehen hat, kommt mir mit einem Esel von oben entgegen. „You should ride it!“, sagt er mir. Ich erkläre ihm, dass ich das nicht möchte, woraufhin er sich nun dem Esel annimmt und ihn zusammen mit seinem Esel wieder herunterführt. Erleichtert laufe ich nun also die letzten Stufen alleine und zu Fuß hoch und treffe oben auf Hannah, Ibrahim und Nicole, die dort schon auf mich warten. Ab diesem Punkt darf nicht mehr geritten werden, weshalb wir nun alle zusammen zu Fuß das letzte Stück bis hin zur Monastery gehen.

Das Gebäude dort ist ebenso beeindruckend wie die Treasury und bekommt auch sehr viel Aufmerksamkeit von allen Tourist*innen, die es bis hierhin geschafft haben. Außerdem gibt es hier auf einem kleinen Hügel „The best view of the world“, zumindest laut den Schildern, die hier beschrieben sind. Aber der ist tatsächlich nicht von schlechten Eltern: auf der einen Seite blickt man hinab zur Monastery, auf der anderen Seite hinunter in die Schlucht eines dunklen Canyons. Der Weg hierhin hat sich definitiv gelohnt. Nächstes mal dann aber ohne Esel.

Wir genießen ein wenig die Aussicht, trinken einen Tee bei den Beduinen und machen uns dann so langsam wieder auf den Rückweg. Bis zum Ausgang sind es doch noch einige Kilometer, und wir wollen unseren Bus zurück nach Amman nicht verpassen. Mit müden Beinen und schmerzenden Knien schaffen wir jedoch alles und lassen uns um 4 Uhr erschöpft aber mit vielen neuen Eindrücken in die Sessel des Jett-Busses fallen.
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