Veröffentlicht: 17.02.2023
Wir sind in Tata. Wir dürfen nicht weg. Laut Anweisungen der Polizei bis Sonntag. Es ist nach den langen Regenfällen einfach zu gefährlich auf den Straßen.
Zeit für mich, all die Dinge zu tun, die an normalen Tagen zu kurz kommen. Zum Beispiel ausgiebig Duschen. Was zu Hause Alltagsroutine ist, wird hier zu einem kleinen Kunststück. Zuerst das Wasser. Immer erst prüfen wie heiß – besser gesagt: wie wenig kalt – es ist. Dann der zweite Punkt. Da die Duschen hier in Marokko scheinbar alle offen sind, das heißt, beim Dusch-Gebäude gibt es keine Tür, ist es da drinnen morgens und abends meist furchtbar kalt.
Ich bin als Warm-Duscher bestens vorbereitet auf diese Reise gegangen, habe mir einen großen Kulturbeutel zum Aufhängen mitgebracht, in dem ich meine Utensilien gut unterbringe. An mein erstes Duschen hier erinnere ich mich noch gut. Ich habe keinen Bademantel mit, weil ich die doof finde und die bei diesen Temperaturen ohnehin zu kalt wären. Ich stolzierte also nach dem Aufstehen so gegen 8 Uhr bei -5 Grad in Jogginghose und Anorak mit Kapuze zum Sanitärgebäude, samt Badelatschen, Handtuch und Kulturbeutel. Ok. Die Duschen waren alle frei. Ich nahm die Erstbeste. Sie war vielleicht zwei mal zwei Meter groß und hatte halbhohe Flügeltüren. Sah ganz gut aus.
Jetzt begannen die Probleme … Es gab keine Haken. Na gut, ich zog mich aus und hängte die Sachen samt Kulturbeutel über die Flügeltüren und tauschte meine Gummi-Pantoffel – ich glaube, die heißen Crocs oder so ähnlich – gegen die Badelatschen. Ich war so weit. Genußvoll drehte ich den Warmwasser-Hahn auf. Es kam nur kaltes Wasser. Ok, das dauerte eben ein wenig. Ich wartete. Langsam zog von draußen der kalte Wind herein. Ich glaubte spüren zu können, dass der Wasserstrahl unter meinen Händen langsam wärmer wurde und wartete weiter. Wir sind hier schließlich in Marokko! In Afrika!
Mittlerweile hatten sich die Temperaturen in meiner Dusche und draußen angeglichen – nicht so langsam wie das Wasser wärmer wurde. Meine Hand, mit der ich das Wasser prüfte, wurde langsam blau. In meiner Dusche, die eine Wanne hatte, stand das Wasser knöcheltief. Ich zitterte am ganzen Körper. In der ganzen Aufregung hatte ich mit meinem Duschstrahl meine Jogginghose bis zu den Hosentaschen naß gemacht. Meine Plastik-Pantoffel begannen in dem trüben Wasser unterzugehen. Was tun? Abtrocknen, schnell anziehen und ab durch die Mitte. Alles in mir schrie danach. Aber da meldete sich der Camping-Profi! Nichts da! Wer wird denn klein beigeben! Dann duschen wir eben mit dem Wasser, das wir haben, du Weichei.
Ich biss auf die Zähne. Alles samt Haare schnell eingeseift, runter unters Wasser, eins, zwei, drei und wieder raus. Das Wieder-raus ging schnell, etwas zu schnell. Ich stieß dabei gegen die Flügeltüren und schwups sprangen meine Hosen samt Anorak zu den Pantoffeln ins Wasser. Das mit der Hose war nicht so schlimm, weil die ohnehin schon zum Auswringen nass war. Auch der Anorak war kein so großes Problem, der musste das vertragen, sonst hätte er kein Anorak werden dürfen. Aber in dessen Seitentaschen waren meine Unterhosen – die alte und die neue – und meine Socken – ja, richtig: die alten und die neuen. Mein Handtuch war nur halb naß, ich hatte es im Flug noch an einem Zipfel erwischt. Nur mein T-Shirt hing noch da, auf dem in großen Lettern stand: CHAMPION.
Jetzt musste jeder Schritt gut überlegt sein. Zuerst rettete ich alles, was ich fand, vor dem endgültigen Untergang und warf es über die oben offene Mauer meiner Duschkabine. Während sich an meinen Nasenlöchern die ersten Eiskristalle bildeten, trocknete ich mich mit dem nicht naßen Ende meines Handtuchs ab, so gut es irgendwie ging. Danach kam der schwierigste Teil: Ich verzichtete großzügig auf eine Unterhose und konzentrierte mich auf die Jogginghose. Das dauerte. Heute frage ich mich, warum ich mich überhaupt abgetrocknet habe. Nach dem Anziehen fühlte ich mich, als wäre ich gerade aus der Dusche gekommen. Ich habe das mit „jeden Schritt gut überlegen“ dann ganz schnell aufgegeben, bin in mein T-Shirt geschlüpft, habe mir den Anorak mit den Ärmeln um die Hüfte gebunden, bin nach meinen Plastik-Pantoffeln getaucht, habe alles gegriffen, was ich zu Greifen bekam und bin losgerannt.
Auf dem Weg zu meinem Wohnmobil kam mir der Betreiber des Platzes entgegen. Ich prüfte kurz die Ärmel meines Anoraks, ob da auch nichts rutschte und sagte dem Herren, dass die Duschen nicht warm geworden seien. Er ging weiter, lachte, winkte in den Himmel und meinte: „Solar. Solar!“ Seitdem dusche ich immer abends.