Veröffentlicht: 26.07.2018
Entgegen unseren Erwartungen, dass man unser Auto bis auf das letzte Hemd filzen würde, verlief der Grenzübertritt von Armenien nach Iran ziemlich entspannt und unkompliziert. Genau genommen wurde nicht einmal unser Kofferraum geöffnet. Die bürokratischen Hürden sind zwar einige an der Zahl, jedoch ohne Weiteres zu bewältigen, insofern man die notwendigen Dokumente (Visum/ Carnet de Passages) vorweisen kann. Nachdem wir durch mehrere Stationen geschickt wurden (wo uns niemand verraten hat, dass man eine weitere Versicherung für das Auto braucht...) und alle Checkpoints durchlaufen haben, konnten wir uns nach ca. zwei Stunden als Besucher des Iran bezeichnen. Da wir bereits vorher davon ausgegangen sind, dass unsere Route durch den Iran größtenteils von Steppen, Wüsten und kargen Felsen geprägt sein wird, hielt die Strecke landschaftlich vorerst keine großen Überraschungen für uns bereit. Gleich am ersten Abend hatten wir mehrere spannende Begegnungen, die uns einen ersten Eindruck vermittelten, was uns in den kommenden Tagen auf zwischenmenschlicher Ebene erwarten könnte. Aus fahrenden Autos wurde uns zugewunken und manchmal entstand daraus eine kleine gemeinsame Fahrpause, in der man versuchte, miteinander zu kommunizieren. Aus einer solchen Situation entwickelte sich unser erster Abend in Tabriz. Von zwei Autos eskortiert, fuhren wir hin und her, dann zu einem der Fahrer nach Hause und danach zu einem Park, mit Blick über die gesamte Stadt. Wir wurden gebeten auf seine Rückkehr mit einigen Leckereien zu warten, jedoch blieb der nette junge Herr bis zum jetzigen Augenblick verschollen. Das war jedoch kein Problem, da wir nach relativ kurzer Zeit von einer anderen Familie (im Iran größer als in Deutschland) zu Teppich gebeten wurden. Wir wurden reichlich bewirtet, begutachtet und bequatscht. Als die Familie ihr Treffen beendete, involvierte uns sogleich die nächste gesellige Runde, von welcher wir anschließend eingeladen wurden, die Nacht in ihrem Haus zu verbringen. Da es bereits nachts halb drei war, nahmen wir das Angebot dankend an. Ausgeschlafen begaben wir uns danach auf die Suche nach einer iranischen Sim Karte, da offene WLAN Netze im Iran eine Seltenheit darstellen. Was auch immer man vorhat, man muss Zeit mitbringen, offen für Teerunden sein und sich darauf einstellen, dass einem unzählige Fragen über Gott und die Welt gestellt werden. Nach einiger Zeit hatten wir dann auch unsere Sim Karte in der Hand, beziehungsweise gebrauchsfertig im Telefon. Der Preis dafür war, dass wir uns erst in der tiefsten Dämmerung um unseren Schlafplatz im Freien kümmern konnten, was sich in der Qualität des Selbigen deutlich niederschlug. Ein Rastplatz! Und was für einer… Karussell, kreischende Kinder und Erwachsene(!), 4 Sterne Hotel, Fressbuden, ein Park, Springbrunnen, kurzum: viel Licht und Lärm… Volltreffer! Von der Sonne geweckt, ging es am nächsten Morgen nach Teheran, eine der größten Städte unserer Route. Das Verkehrssystem ist für die Massen an Autos recht gut strukturiert und vernetzt, führt einen jedoch manchmal ins Chaos, wenn man die Routenplanung der Navigation am Handy mit der Straßenführung in Verbindung zu bringen versucht. Drei - bis vierspurige Einbahnstraßen lassen den Straßenverkehr jedoch mit einer Vielzahl an Kreiseln flüssig fließen, sodass wir sagen können, dass Autofahren in Teheran angenehmer und weniger aggressiv ist, als in manchen anderen Städten Irans. Da wir über verschiedene Wege keine kostenlose Schlafmöglichkeit fanden, entschlossen wir uns, nach einem der insgesamt 15 Hostels Ausschau zu halten. Beim zweiten Anlauf, eine geeignete Unterkunft zu finden, gelang uns dies auch. Neben den Basics, welche zu jedem Hostel dazugehören, konnten wir dort einen Rückzugsort finden, Klamotten waschen und neue Energie tanken. Zudem haben wir dort mit den Hostelbetreibern und verschiedenen Gästen intensivere Gespräche führen können, die über den üblichen iranischen Smalltalk weit hinaus führten. Teheran an sich ist eine unfassbar riesige Stadt, die eine enorme Vielzahl an historischen und kulturellen Sehenswürdigkeiten bereithält. Selbst ein Monat würde kaum ausreichen, sich einen angemessenen Eindruck zu verschaffen. Wir schafften es unter anderem, die Berge im Norden zu besuchen. Der Weg dorthin schlängelte sich entlang eines Bachlaufes, der von unzähligen, bunten Shishabars, Cafés und gemütlichen Restaurants eingefasst war, welche sich teilweise bis in den Bach hinein erstreckten. Dort saßen shisharauchende Menschen auf Plateaus mitten im Wasser, was im Zusammenspiel mit der malerischen Umgebung eine herrliche Ruhe und Gelassenheit ausstrahlte. Zusätzlich zum Norden der Stadt führten uns unsere Wege über den größten und bekanntesten Basar der Stadt, sowie zu der einen oder anderen Moschee. Nach knapp einer Woche in Teheran führte unsere Reiseroute weiter durch die wüstenartigen Landschaften Irans in Richtung der pakistanischen Grenze. Unter anderem hatten wir Aufenthalte in Bam und Iranschar, wo wir wieder einmal spannende Bekanntschaften schließen konnten und mit bis dahin unbekannter Gastfreundlichkeit aufgenommen wurden. Vor allem in Belutschistan wurde uns gern die Entscheidung abgenommen, selber einen Schlafplatz zu suchen. Manche der Bekanntschaften, die älter als wir waren, fühlten sich jedoch zuweilen bemüßigt, uns auch weitere Entscheidungen abnehmen zu wollen, was uns hin und wieder zu viel wurde. Es gibt eine leicht zu erkennende Altershierarchie, jüngere Menschen, mit denen wir in Kontakt kamen, waren deutlich unaufdringlicher und agierten mit uns auf Augenhöhe. Vor allem in Pishin wurden uns tiefe Einblicke in das soziale Gefüge, die Gesellschaft, die Kultur sowie die alten und aktuellen Probleme Belutschistans gegeben. All diese Eindrücke waren zu viele und zu intensiv, um sie hier ausführlicher zusammenfassen zu können. Alles in Allem war diese Region zu bereisen die eindrücklichste Erfahrung unserer Reise, die unseren Horizont am nachhaltigsten erweitert hat.