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2023 - September - Lille

Veröffentlicht: 14.09.2023

Es gibt diverse schöne Städte in Frankreich, aber ganz offensichtlich hatten bisher viele von euch die Hauptstadt von Flandern, nämlich Lille, noch nicht auf dem Zettel. 

Im Grunde ist das auch gut so, denn wer mag schon Touristenmassen. Das Leben ist hier in Lille ohnehin bunt genug. Die Stadt ist vor allem jung, von den ca. 230.000 Einwohnern sind allein 67.000 Studierende. Deshalb gibt es auch ein breites Angebot an trendigen Bars und Restaurants für die ausgehfreudige Jugend. Generell schätzen aber Franzosen jeden Alters den Plausch mit einem Getränk außerhalb der eigenen Wohnung, weshalb es viel Gastronomie gibt.

Auch wir haben die Zeit in Lille sehr genossen. Noch dazu hatten wir herrliches Sommerwetter. Es fällt mir also leicht, euch ein paar Tipps in Form eines Reiseberichts zu geben.

1. Grand Place und Place du Théâtre

Die Stadt Lille überzeugt vor allem durch ihr Stadtbild. Fangt am besten am Grand Place an, um Lille zu erkunden. Hier findet ihr auf einem Fleck schon sehr viele Sehenswürdigkeiten. 

Wie der Name Großer Platz (Grand Place) schon vermuten lässt, bietet er eine große Fläche, welche gerade früher für den Handel genutzt wurde. 

Die Alte Börse (Vieille Bourse) erinnert daran ganz besonders. 1653 erbaut, besteht der Komplex aus 24 identischen Häusern, die um einen Innenhof herum gebaut wurden. Für mich hat dieser Fakt zunächst für Verwirrung gesorgt, denn rein optisch sieht alles zusammen wie ein einziges Gebäude aus.

So oder so lohnt eine Besichtigung des Innenhofes, was täglich außer montags möglich ist. Hier findet auch weiterhin Handel statt, wenn auch irgendwie unpassend. An diversen flohmarktartigen Ständen werden alte Poster, Bücher und auch Zeitschriften angeboten. Alles sieht irgendwie provisorisch aus, aber die Verkaufstische werden jeden Abend abgedeckt und am nächsten Tag wieder neu hergerichtet. Ob hier jemals jemand etwas kauft? Interssant ist, dass zwischen bzw. in der Mitte all dieses Ramsches oft Schachspiele stattfinden, die dann von Schaulustigen interessiert beobachtet werden. 

Nun aber zurück zum Grand Garde: Unübersehbar steht hier die Säule der Göttin (Colonne de la Déesse). Bei unserem Besuch hielt sie einen großen Rugby-Ball unter ihrem Arm. Rugby scheint hier tatsächlich einen recht hohen Stellenwert zu haben. Aktuell findet hier sogar der Rugby World Cup statt. Viele Geschäfte haben deshalb die typischen Bälle mit ihrer rotationselliptischen Form in ihren Schaufenstern liegen. 

Nicht ganz so auffällig ist dagegen das Théâtre du Nord, das etwas geduckt neben dem viel präsenteren Gebäude mit der Aufschrift "La Voix du Nord" auf dem Grand Place steht.

Ihr werdet noch viele weitere schöne Gebäude auf dem Platz finden, deren Aufzählung jetzt zu weit führen würde. Aber vielleicht entdeckt ihr auf dem Boden eine kleine Plakette mit dem Bildnis von Charles de Gaulle. Tatsächlich wurde der Grand Place nach dem Zweiten Weltkrieg in Place du Général-de-Gaulle umbenannt. Charles de Gaulle, der spätere Präsident von Frankreich, war ja einer der entscheidenden Mitwirkenden an der Befreiung von Nazi-Deutschland. Das macht die Bürger von Lille besonders stolz, denn er wurde zudem 1890 in Lille geboren. 

Nach diesem Ausflug in die politische Geschichte, zurück zum Grand Place bzw. zum dahinter liegenden Place du Théâtre: Hier steht die sehr auffällige Opéra de Lille und die ebenso beeindruckende Handelskammer (CCI de Lille) mit ihrem hohen Turm. Dieser ist nicht begehbar, dafür aber die Empfangshalle des Gebäudes (von Montag bis Freitag). Es lohnt sich!

2. Die Altstadt 

Anfangs haben wir uns bei unseren Spaziergängen durch die Altstadt von Lille wie in einem historischen Freilichtmuseum gefühlt. Kein Gebäude scheint hier neueren Datums zu sein. Es gibt viele wunderschöne Gassen und Winkel zu entdecken und natürlich sind sie alle auch erstklassige Fotospots.

Geht am besten bis zum Porte de Gand bzw. hindurch. Hinter dem Tor findet ihr eine gut erhaltene Stadtmauer, an der man schön entlang spazieren kann. 

Auch lohnt sich ein Blick zur Zitadelle. Man kann sie allerdings nicht betreten, weil im Inneren Militär untergebracht ist, aber ihr könnt sie umrunden oder am Wasser entlang schlendern.

3. Das Hotel de Ville und eine Fahrt mit dem Fahrstuhl 

Der Belfried des Rathauses von Lille (Beffroi de l'Hôtel de Ville de Lille) ist mit seiner Höhe eine Attraktion und sogar UNESCO-Welterbe mit anderen Belfrieden der Region zusammen.

In diversen Beschreibungen für Sehenswürdigkeiten wird eine Fahrt mit dem Fahrstuhl hinauf empfohlen. Absolut verwirrend war aber, dass vielfach der falsche Turm, nämlich der des CCI, bei diesen Tipps gezeigt wurde. 

Tatsächlich ist die schlanke, hohe Form der Türme recht ähnlich. Das CCI wurde aber zwischen 1909 und 1921 fertiggestellt und die Höhe beträgt 76 m. Das Rathaus (Hotel de Ville) liegt dagegen etwas außerhalb der tummeligen Innenstadt, zwischen neueren Gebäuden. Der Belfried, also der Turm, wurde in Rekordzeit zwischen 1929 bis 1931 gebaut. Und die Höhe beträgt hier 104 m. 

Interessant dabei ist, dass für die Bauarbeiten ein innerer Aufzug verwendet wurde, der mit dem Fortschreiten der Arbeiten immer wieder verlängert wurde. 

Wie wir aber an die Tickets gekommen sind, ist ein Abenteuer für sich. Zunächst einmal hat der Turm nicht jeden Tag geöffnet, sondern nur dienstags bis sonntags. Das etwas verwaschene Schild an der Tür erzählte uns aber nicht, dass die Karten mindestens 24 Stunden im voraus gekauft werden sollten. Das erfuhren wir erst durch ein weiteres Schild, das am Dienstag dort vor der Tür stand. 

Fassen wir es kurz: Telefonate später waren wir glücklicherweise trotzdem im Gebäude und eine Registrierung später dann auf dem Weg nach oben. Wobei Weg hier heißt, dass man bis zur 4. Etage laufen muss. Dann kommt aber (endlich) der Fahrstuhl zum Einsatz.

Der Blick von oben entschädigt dann für alles, auch wenn der Spaß 6 Euro pro Person gekostet hat. 

4. Die Kirchen

Beim Spaziergang durch die Altstadt sollte euch die Kathedrale von Lille (Cathédrale Notre-Dame de la Treille) von alleine vor die Füße gefallen sein. Sie hat ein so außergewöhnliches Äußeres, dass ihr sie auch nicht verkennen könnt. 

Die Bauzeit betrug fast 150 Jahre und so ist auch klar, dass es währenddessen verschiedene Bauherren gab und immer wieder Konzepte über den Haufen geworfen wurden. Was also 1854 als neugotische Kirche begann, wurde 1999 mit einer modernen Fassade abgeschlossen. Der Glockenturm an der Südseite wurde seinerzeit provisorisch freistehend erbaut. Das ist bis heute so geblieben. 

Eine andere Überraschung könnt ihr in der Église Sainte-Marie-Madeleine à Lille erleben. Wir hatten sie entdeckt, als in Lille 33°C herrschten und der Spaziergang damit etwas anstrengender war. Da jede Kirche immer für Abkühlung sorgt, waren wir froh einzutreten und erlebten dann etwas völlig Unerwartetes: Suboth Guptas "God Hungry"-Installation. In die Kirche scheinen sich hunderte Kochtöpfe, Milchkannen und anderes Kochgeschirr ergossen zu haben. Es ist völlig verrückt, aber auch absolut sehenswert. 

5. Eine kleine Auszeit im Yachthafen - Le Port de Wambrechies

Wer so viel Stadt gesehen hat und Ruhe braucht, dem könnte ein Ausflug zum Le Port de Wambrechies helfen. Mit dem Bus fährt man ab der Innenstadt ca. 30 Minuten, dann hat man das verschlafene Örtchen erreicht. 

All zu viel dürft ihr nicht erwarten, denn das Highlight ist hier die Ruhe.

6. Was wir nicht gesehen haben 

Es gibt so einiges was ebenso lohnenswert gewesen wäre, aber tatsächlich bei uns wegen des schönen Wetters unter den Tisch gefallen ist. 

Hier eine Liste davon:

Palais des Beaux Arts

La Villa Cavrois

Musée La Piscine 

Das Geburtshaus von Charles de Gaulle 

Musée de l'Hospice Comtesse

Nach all den vielen Informationen nun zum Abschluss eine Frage: Ist Lille ein Geheimtipp? 

Ich denke ja, aber sagt es nicht weiter!

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