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Primera Semana

Veröffentlicht: 12.11.2023


Als ich heute morgen aus dem Haus ging zitterte ich vor Kälte, obwohl ich dick eingemummelt war. Heute Nachmittag schwitzte ich bei fast 30 Grad. Etwa so kann man sich Santiago vorstellen. Eine Stadt von Extremen. Auf dem Heimweg habe ich meine Bushaltestelle verpasst. Als ich 2 Stationen später ausstieg, war es als wäre ich in einem parallel Santiago gelandet. Kleine Häuser, teils aus Wellblech gebaut reihten sich hier aneinander. In den Seitenstrassen lag Müll und daneben schlief ein Hund. 2 Bus Stationen und ich war in einer anderen Lebens-Realität. Als ich hier ankam, war ich überrascht, wie europäisch alles ist. Die jungen Leute haben den gleichen Stil wie in der Schweiz, beschäftigen sich mit dem Klimawandel und Feminismus. Doch Santiago hat 2 Gesichter. Es gibt Leute die Leben wie wir und andere die eher in Hütten als Häusern hausen. Ich lebe an einem besonderen Ort in Peñalolen -Der Comunidad Ecológica. Hier leben zwar nur wohlhabende Leute, doch haben sie sich für ein etwas bescheideneres Leben entschieden. Das Quartier liegt am Stadtrand und somit am Fuss der Anden. Hier sind die Häuser alle einzigartig, beinahe wie Kunstwerke. Alles ist grün und man kann tolle Spaziergänge machen. Seit ich hier bin ist schon 2x der Strom ausgefallen und bevor man die Spülmaschine anmacht, checkt man, ob genügend Strom zur Verfügung steht.

Bei meiner Familie habe ich mich vom ersten Moment an wohl gefühlt. Sie legen viel Wert darauf gemeinsam zu essen und vor Allem zu geniessen. So durfte ich bereits unzählige chilenische Spezialitäten ausprobieren. Meine liebsten waren pastel de chocle und Ostiones. Ich hatte keinen Kultur- dafür aber einen umso stärkeren Kälteschock. Die Häuser sind zwar geheizt, wirklich warm wird es aber nicht.

Ich staunte nicht schlecht, als ich realisierte wie viele Freiheiten ich hier habe. Am Tag kann ich locker allein mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs sein, kann mich in der Stadt allein bewegen. Am Abend sollte man aber trotzdem mit dem Uber nach Hause gehen. Vor ein paar Jahren sei es noch viel sicherer gewesen. Santiago als «verschlafene Stadt mit beinahe europäischen Standards». Doch der Narco-Trafico ist nun auch vermehrt in Chile angekommen -Die Kriminalität steigt.

Wenn ich nicht gerade unterwegs bin, kann ich mit den beiden Hunden Pepa und Jurel spazieren gehen. Ich habe das Glück auch eine Gastschwester zu haben, mit der ich mich sehr gut verstehe. Wir hören Musik, Kochen oder treffen uns mit Freunden. Letzten Samstag ging es an die «Feria» (Markt). Dort gab es die besten Früchte, die ich je gegessen habe, serviert von netten Leuten in einer besonderen Atmosphäre. «?Quién quiere comprar? !Aquí tenemos la fruta más dulce!» schrien die Verkäufer wenn jemand an ihrem Stand vorbei ging. Als sie hörten, dass ich nicht aus Chile bin, gaben sie mir von allen Früchten zum Probieren, wozu ich natürlich nicht nein sagte. Von Früchten, die ich schon kannte bis zu solchen, von denen ich nicht mal wusste, dass es sie gibt. Alles war süss und versetzte mich in einen Zustand des Glücks. Nun, dieser Zustand ist hier beinahe zur Normalität geworden. Seien es Früchte, chilenische Spezialitäten, oder die Anden im Abendrot, Chile fasziniert mich immer wieder aufs Neue.

Santiago ist im Moment sowieso in einem Sonderzustand. Sind doch gerade «Panamericanos Santiago 2023». (Wie EM) Nach ein paar gescheiterten Anläufen, haben wir es geschafft Karten fürs Leichtathletik-Finale zu kriegen. Die Stimmung war unglaublich, und die wenigen chilenischen Athleten, die noch übrig waren, wurden wie Helden gefeiert. Als Martina Weil dann noch Gold im 400m holte hüpfte das ganze Stadion und grölte vor Glück. Da meine Gastmutter jemanden kannte, konnten wir uns sogar in den VIP Bereich setzen. Es war ein einmaliges Erlebnis. Trotz allem, fand ich es schwierig im «Estadio Nacional» zu sein, da dort während der Diktatur Menschen gefoltert und umgebracht wurden. Die «Puerta 8» blieb unrenoviert und soll an die Opfer erinnern. «Un pueblo sin memoria es un pueblo sin futuro.» Der Gedanke daran ist schwer verdaulich. Besonders da der Putsch dieses Jahr genau 50 Jahre her ist. Ein Grossteil der Leute hat diese Zeit also noch am eigenen Leib erlebt.

Chile hat die Fähigkeit mich zu begeistern mir aber auch meine Privilegien vor Augen zu führen. Ich bin gespannt, was noch auf mich zukommt.

Wissenswertes: El Niño

Dass es im Moment so kalt ist, ist nicht üblich für diese Jahreszeit. Es hängt mit dem Wetterphänomen «El Niño» zusammen. In einem el niño Jahr erwärmt sich das Meer an der Pazifikküste, was zu stärkeren Niederschlägen führt.

Vokabular:

Bakan: alles und jeder ist bakan. Sie brauchen es ständig und es bedeutet cool.

La Micro: der Bus

La Feria: der Markt (Kleider oder Früchte/Gemüse)

Musik: Ein Lied das mich im Moment begleitet

Der Klassiker «Latinoamérica» von Calle 13

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