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Im Waisenhaus in Sagain

Veröffentlicht: 10.11.2019

Nach den erholsamen Strandtagen und dem Nervenkitzel durch den Hotelbrand in Yangon, ging es in der liebgewonnenen Propellermaschine in den Norden Myanmars, nach Mandalay. 

Wir übernachteten eine Nacht im Hotel Aurora und kamen schnell mit einem Hotelmitarbeiter, Thuya Thatti, ins Gespräch. Ihm berichteten wir, dass wir in den nächsten zwei Wochen in einem Waisenhaus in Sagain ehrenamtlich arbeiten wollten. Überschwänglich bedankte er sich bei uns, dass wir in seinem Land Gutes tun wollten, wir tauschten Facebookkontakte aus und er versprach, uns im Waisenhaus besuchen zu kommen. Überfordert von so viel Enthusiasmus fuhren wir los.

Wir kamen nach einer knappen Stunde Fahrt schließlich im buddhistischen Aung Myae Oo Kloster an. Dieses Waisenhaus existiert seit 2003 und heute Leben circa 380 Kinder dauerhaft dort und weitere 3000 Kinder zwischen 3 und 18 Jahren kommen täglich in den Kindergarten und die Schule, um kostenlose Schulbildung zu erhalten - leider keine Selbstverständlichkeit und die einzige Chance auf eine Zukunft in einem wunderschönen, aber sehr armen Land. Die Kinder, die in dem Waisenhaus leben, haben teilweise ihre Eltern verloren oder ihre Eltern sind zu arm, um sie ernähren zu können. In der Schule gibt es knapp 90 Lehrer, die zum Teil selbst erst 18 Jahre alt sind. Die Klassen bestehen aus 50- 70 Schülern pro Klasse. Die Lehrer haben größtenteils keine qualifizierte Ausbildung und erhalten nur umgerechnet 28€ Gehalt im Monat, auch in Myanmar zu wenig, um überleben zu können. Ihr Gehalt wird zu einem Großteil über Spendengelder finanziert, was Touristen geben, die täglich angekarrt werden und zahlreiche Fotos von den Kindern und dem Gelände machen. Wenn nicht genügend Spenden gesammelt werden, können die Lehrer nicht bezahlt werden und müssen kündigen. 

Die Kinder leben in äußerst einfachen Verhältnissen und sind auch im Kleinkindalter komplett auf sich alleine gestellt. Es gibt keine Erzieher oder Ansprechpartner, weil auch diese nicht bezahlt werden können. Sie schlafen mit circa 70 Leuten in einem Raum, auf Holzplatten, die aneinander geschraubt sind. Matratzen, Kopfkissen oder Privatsphäre gibt es nicht. Ebenso gibt es niemanden, der darauf achtet, wann die Kleinen schlafen gehen und so sind sie oft bis spät in die Nacht wach. Um sich zu waschen, drängen sie sich täglich um 16 Uhr an die Waschstelle, die aus Wasserhähnen mit Eimern darunter besteht und für eine Stunde geöffnet ist. Viele Kinder wissen nicht, wie man sich reinigt, da sie dies nie gelernt haben und "duschen" sich mit dem kalten Wasser aus ihren Eimerchen meist komplett angekleidet. Zudem sind sie auch mit 4-5 Jahren schon selbst dafür verantwortlich, ihre Wäsche auf der Hand zu waschen, so dass diese oft dreckig bleibt. Durch die fehlende Hygiene und die dreckigen Waschstellen, die nicht gesäubert werden und das enge Beisammensein im Schlafsaal entstehen viele Krankheiten und breiten sich schnell aus. 

Diese Krankheiten, vor allem Hauterkrankungen, werden in der sogenannten Klinik auf dem Gelände behandelt. Diese besteht aus einem Raum mit Medikamenten und Verbandszeug und einem Hinterhof mit Waschgelegenheit. Es gibt aufgrund des Geldmangels (insgesamt stehen für Medikamente und Gehalt 100€ monatlich zur Verfügung) keine Krankenschwester oder gar einen Arzt. Die Klinik kann einzig und alleine durch den Einsatz der ehrenamtlichen Helfer aufrechterhalten werden, die hauptsächlich oberflächliche Wunden desinfizieren und verarzten oder den Kindern auch "nur" etwas Zuneigung schenken, da diese Zuwendung stark vermissen. Die Freiwilligen haben jedoch keinen medizinischen Hintergrund und versuchen mit gesundem Menschenverstand und Google die Kinder zu behandeln. Eigentlich ist die Klinik dank Spenden durch ehemalige Freiwillige ausgestattet mit Equipment für größere Behandlungen, aber aufgrund fehlender medizinischer Fachkenntnisse ist keiner der Freiwilligen in der Lage, dies auch zu benutzen.

Wir selbst haben verschiedene Aufgaben übernommen. Gemeinsam unterrichteten wir morgens und abends eine Stunde Englisch für freiwillige Teilnehmer. Diese Stunden waren sehr gut besucht und dienten zu Kommunikationsübungen über Alltagsthemen wie zum Beispiel das Wetter, Fußball, beliebte Rapper, Landeskunde usw. Die Schüler, deren Englischkenntnisse oft nur sehr basal waren, waren äußerst motiviert und sehr dankbar für die Möglichkeit, Englisch zu lernen und mit Menschen aus fremden Kulturen zu sprechen. Sie brachten uns sehr sehr viel Freundlichkeit und Zuneigung entgegen und überraschten uns mit kleinen selbstgebastelten Geschenken oder in ihrer Freizeit verfassten Texten. Es hat uns sehr berührt, dass diese Kinder, die so wenig besitzen und oft ein so schweres Leben haben, uns trotzdem auch eine Freude machen wollten.

Ich ging außerdem am Tag bei einer Englischlehrerin der 6. Klasse mit und assistierte ihr in den Englischstunden. Das sprachliche Niveau der Schüler und Lehrer ist schlecht und didaktisch aufbereitete Stunden sind Mangelware. So besteht der Englischunterricht hauptsächlich aus Buchstabierübungen und Übersetzungen auf Burmesisch. Passend dazu gaben wir Freiwilligen am Samstag Englischunterricht für die Lehrer und hatten so unsere Mühen, sie zum Sprechen in ganzen Sätzen zu bewegen. 

Christina half morgens und nachmittags jeweils 2 Stunden in der Klinik und reinigte die kleinen Patienten und versorgte oberflächliche Wunden. Da sie damit keinerlei Erfahrung hatte, war dies eine Erfahrung, die viele neue Eindrücke, aber auch Sorgen über Erkrankungen mit sich brachte. Gerade hier zeigten sich deutlich die Missstände der Einrichtung, zumal die Kommunikation mit den Kindern äußerst schwierig war, da sie kaum Englisch sprechen und selten ein Erwachsener, der die Landessprache spricht, anwesend war. Die fortlaufende Dokumentation von Krankheiten oder Behandlungen der Kleinen ist zudem leider nicht gegeben.

An einem Tag hielt zum Glück unser neuer Freund Thuya Thatti sein Versprechen und kam uns im Waisenhaus besuchen. Ich fuhr mit ihm auf dem Motorrad durch Sagain und kaufte neue Einmalhandschuhe, die er auch noch mitfinanzierte, obwohl auch er bei weitem kein üppiges Gehalt verdient. Aber es lag ihm so sehr am Herzen zu helfen, dass er sich nicht davon abbringen ließ. Zudem half er am Vormittag bereitwillig in der Klinik und erleichterte die Kommunikation mit den Kindern.

Wir verließen das Kloster nach knapp zwei Wochen mit sehr vielen neuen Eindrücken und fuhren nach Mandalay, wo wir uns mit Thuya Thatti zum Abendessen trafen und sogar noch mit Souvenirs von ihm beschenkt wurden. Auch hier waren wir wieder sehr überrascht, wie jemand, der selbst wenig im Leben hat, mit soviel Offenheit und Gastfreundschaft auf Andere zugeht und teilen möchte.

Unser Visum lief ab und nach 30 Tagen in Myanmar flogen wir nach Thailand. Dieses Land kommt uns jetzt im Vergleich zu Myanmar schon fast westlich und weitentwickelt vor. Mit etwas Abstand und vielen Nachrichten unserer Schüler (die sich ein Handy teilen und schrieben: "teachers, come fast!")  und neugewonnenen Freunden in Myanmar, dass wir bitte schnell zurückkommen sollten, haben wir uns tatsächlich entschieden, zurückzugehen und ein zweites Mal in dem Waisenhaus zu arbeiten. Vor drei Wochen war dies für uns unvorstellbar, aber das Schicksal der jungen Menschen und die große Herzlichkeit, die wir in diesem Land erfahren haben, haben einen tiefen Eindruck hinterlassen und uns sehr bewegt. 

Wir fliegen in ein paar Tagen zurück und freuen uns, weiter helfen zu können! 


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