Veröffentlicht: 20.08.2016
15.08.2016
Der heutige Morgen motiviert uns eigentlich überhaupt nicht zum Aufstehen, doch haben wir eine Bootstour zu den weltberühmten und allgegenwärtig gepriesenen Whitsunday Islands gebucht, weshalb uns nichts anderes übrig bleibt, als die Augen zu öffnen. Was wir sehen bestätigt leider die schlimmsten, in der Nacht aufgrund von Geplätscher am Autodach entstandenen, Befürchtungen. Es regnet – und das verträgt sich mit einer Bootsfahrt zu karibikähnlichen Sandstränden und der Vorstellung von türkisblauem Wasser so ganz und gar nicht.
Optimistisch wie wir nun einmal sind – ich bin es überhaupt nicht, aber da wir nicht auf sechzig Dollar Vorauszahlung sitzen bleiben wollen müssen wir es Beide sein, fahren wir zum Hafen. Die in Küstennähe vermuteten blauen Streifen am Horizont entpuppen sich leider als Fatamorgana und es regnet hier noch mehr als zuvor. Einziger Lichtblick: Studenten müssen für Wetsuits nichts bezahlen – was auch gut so ist, denn wie sich herausstellen wird, werden wir solche bitter nötig haben.
Ich durchblicke noch immer nicht genau, was wir gebucht haben, da das Angebot der verschiedenen Gesellschaften irgendwie gleich und trotzdem anders ist. Erst als wir das Boot erklimmen, wird uns klar auf was wir uns da eingelassen haben. Erklimmen macht in diesem Fall definitiv Sinn, da das georderte Schlauboot bei diesem Wellengang schwer zu besteigen ist.
Unsere Zweifel zerstreuen sich allerdings schnell, da Captain Tim für das 20 Personen Bötchen gleich vier Motoren anlässt. Es zeigt sich, dass wir heute wohl primär eine Portion Adrenalin und Sandstrände eher nur zum Drüberstreuen gebucht haben. Sehr spärlich werden wir mit den „Sicherheitsvorkehrungen“ vertraut gemacht – was eigentlich nur beinhaltet, dass wir uns gut anhalten sollen. Kurze Zeit später verlasse ich beinah unfreiwillig das Boot, da ich – nachdem wir die ersten Wellen in beachtlichen Tempo passieren – instinktiv in die Hände klatsche.
Skipper Sam hat offensichtlich ein Gespür für Abenteuerlustige (oder wendet sich schlicht und einfach an die einzig nicht asiatischen Gäste) an Board, und lädt mich dazu ein mich nur am Rand des Bootes sitzend an einer Schlaufe anzuhalten. Ich merke, schon langsam macht sich der gratis Neoprenanzug bezahlt.
Kurz bevor wir die erste Bucht erreichen stelle ich fest, dass Gudi blau angelaufen ist. Dies mag einerseits daran liegen, dass ihr die Ehre zuteil wurde, in einem nassen Wetsuit dem eiskalten Wind zu trotzen, möglicherweise fühlt sie sich aber auch einfach solidarisch mit dem Isländer Knut, der neben ihr sitzt. Ich habe ihren Sitznachbarn nach dem berühmten Eisbären des Berliner Zoos getauft, da er in meine Augen offensichtlich dieselben Kälteempfindungen (nämlich keine) besitzt. So sitzt er, während wir alle dick eingepackt vor Kälte zittern, lässig da und wirkt (was er uns durch seinen etwas speckigen, nackten, weißen Oberkörper beweist) wie ein Wikinger.
Angekommen am Riff beschließt Gudi von außen die Kontrolle zu bewahren, während ich mich mal wieder todesmutig in die Fluten stürze. Zwar vermeide ich es diesmal dem Ertrinkungstod in Auge zu blicken, dafür wirken einige Asiatinnen so, als würden sie bald das Licht am Ende des Tunnels erreichen. Kurz erklärt bedeutet dies: Schwimmnudel, Schwimmweste und Schwimmlehrer (was hysterisches Herumstrampeln trotzdem nicht verhindert). Diese Tatsache und wahrscheinlich auch der starke Wellengang verhindern diesmal leider goldene Schnappschüsse für mein geistiges Auge.
Unser weiterer Ausflug führt uns zum weltberühmten Whitehaven Beach, der durch seinen spektakulären weißen Sandstrand, welcher mit dem türkisblauen Wasser eine harmonische Symbiose eingeht, bekannt ist. Der Sand an diesem Ort ist so fein, dass damit sogar Kameralinsen hergestellt werden. Das Entfernen des Selben von der Insel ist übrigens strengstens verboten, da ich es aber noch immer geschafft habe unabsichtlich irgendwie Sand in mir oder meinem Gewand nach Hause zu bringen, bin ich auch hier mehr als optimistisch.[1]
Nach diesem einzigartigen Erlebnis geht es weiter zu dem vorerst letzten Stop der Tour. Am nächsten Strand, auch bekannt als die Insel der Möwenmassaker, sind wir froh nicht das sündteure Mittagsbuffet, sondern nur unser eigens mitgebrachtes Lunchpaket gegen die fliegenden Ratten der Meere verteidigen zu müssen. Auch diese Erfahrung überstehen wir, wie so viele auf dieser Reise, und machen uns nun bei starkströmenden Regen und voller Geschwindigkeit (bis zu 90 km/h) auf die spektakuläre Heimfahrt. Anfangs noch durch die Bucht vor allzu rauem Wellengang geschützt, macht sich der Kapitän einen Spaß daraus den Regen bei viel zu hoher Geschwindelt in unser Gesicht peitschen zu lassen. Nach einiger Zeit kann ich nur noch durch Erschmecken des Salzgehaltes feststellen, ob die Flüssigkeit in meinem Gesicht Regen, Salzwasser oder doch Tränen sind. Eines ist aber sicher: Jede Pore ist geöffnet, jede abgestorbene Hautzelle entfernt und jede Angst vor allzu aggressiven Speedboadmanövern definitiv genährt.
In hoffnungsfroher Erwartung, das Festland bald zu erreichen durchqueren wir eine kleine Meerespassage und stellen fest, dass einige Wellen die unser Boot umgeben schlagartig auf die Höhe desselben ansteigen. Dies fordert nicht nur den Navigator unseres kleinen Kutters heraus, sondern auch unsere Mägen und Trommelfelle. Erstere sind durch diverse Flüge schon das schlimmste gewöhnt, während Zweitere beim Geschrei der asiatischen Mitbürgerinnen, vor eine zerreißende Aufgabe gestellt sind.
Glorreicher Höhepunkt des Tages ist, kurz vor unserem rettendem Hafen die Attacke eines – offensichtlich prähistorischem Monsters – dieses taucht nur knapp vor uns aus den Untiefen der See auf und droht das Boot mit der gesamten Besatzung zu verschlingen. Erst, als ich mich schon mit einem biblischen Ende (a la Jonathan und der Wal) abfinde, fällt dem Lebertranspender ein, dass seine Leibspeise eher biologisch Abbaubar sein sollte und wir werden verschont. Im Nachhinein betrachte ich die, in der Panik geschossenen Fotos, und stelle fest, dass die Gefahr wohl doch von Anfang an kalkulierbar war, da der Wal doch weiter weg als gedacht war. Nichtsdestotrotz kommen wir in den faszinierenden Genuss, diese größten Bewohner unseres Planeten zu besichtigen und erfahren einmal mehr auf dieser Reise, was es heißt, der Natur und ihren Gesetzen ausgesetzt zu sein.
Gudis glorreiche Gesetze:
Trage immer eine Haube wenn du aufs Meer fährst!
Was für ein lahmes Gesetz. Aber Gudi – seit Jahren geplagt durchchronische Ohrenschmerzen - weiß natürlich über jegliche Gefahren der See Bescheid und „überredet“ so auch mich, mit Kopfbedeckung anzutreten. Im Endeffekt ist mir ziemlich egal, ob oder was meinen Kahlkopf (ganz kahl kommt noch) bedeckt, während Gudi sich, über die Geschwindigkeit der Bootstour anfangs im Unklaren, auf eine panikreiche Fahrt voll Sorge um unsere Hauben einlässt.
[1] Habe nun, einen Tag später, in meinen Ohren nach gesehen und tatsächlich Sand im Wert von mehrern 1000 $ gefunden.