Veröffentlicht: 13.07.2016
30.6./1.7.2016
Die Anreise nach Indien, dem ersten Stop unserer Reise war wohl das Spiegelbild von dem, was uns erwartete. In der russischen Aeroflot – kein lächeln, kein flotter Spruch, kein Blick… aber auch kein Gestank, kein Dreck, keine Kühe… alles in allem kommt Russland, so sehr wir es zu Gesicht bekommen, unglaublich steril rüber. Karge Ostblockbauten soweit das Auge reicht (und das reicht weit vom Flieger aus), der Flughafen wie die Fluglinie veraltet, aber auch irgendwie charmelos.
Jedenfalls… alles läuft wie am Schnürchen. Keine Verspätungen, kein Stress, keine Störenden Nebenfaktoren. Alles in allem erschreckend kühl.
Um 4h Ankunft in Indien. Neu Delhi. Der Schmelztiegel des Subkontinents… die Temperaturen die hier vorherrschen bestätigen die Redewendung.
Aber von Anfang an. Ich erwartete Indien wie ich es vor knapp 10 Jahren zurückgelassen hatte. Ein Aufruhr, ein Bienenstock… was kam war der modernste Zug den ich jemals gesehen hatte, klimatisiert, schnell, billig und direkt ins Herz der Metropole stechend. Kurz ereilt mich die Sorge: Was ist mit meinem unverfälschten, voll Fehlern und Flecken glänzendem Indien geschehen. Färbt die russische Monotonie bis hierher ab?
Um 5:30 die erste Regung des schlafenden Riesen.. ganz Delhi steht bis zu diesem Zeitpunkt… die Regung erfolgt in Form einer Bestätigung, einer Bestätigung meiner Erwartungen… 5:30…Cloack Room? Open? No today maybe 6… „But the sign says 5:30!“ … sign… nonono… Ich verstehe…Hello in india!!… kurz nach 6 kommt ein verschlafener Inder, er bringt nichts auf die Reihe.. es fallen viele Worte wie yessir, noproblem, obligatorisches kopfwackeln… nur Bestätigungszettel hat er leider keinen… bis wir unser Gepäck tatsächlich am Bahnhof gelassen haben ist die Sonne aufgegangen. Wir gehen, vorbei an meinem ersten freund auf diesem Trip, einem grinsenden Soldaten mit Gewehr, ins Herz der Metropole. Meine 2 Milchkühe Gudi und Hetti (ja ich darf sie so nennen das ist hier was Gutes) fragen noch was denn hier so bemerkenswert wäre, vermissen den Flair… auf einmal …5 Sekunden späte.. boing.. der Schlag ins Gesicht… die Hitze wird unerträglich, nichts mehr mit klimatisiertem Ubahngebäudebau, und auch die Stille der leeren Ubahn ist nur noch eine blasse Erinnerung. Nun heißt es… Adrenalin an und los…
Tiere, Menschen, Dreck, Gestank, Autos, Lärm … wenn es nur die unendlichen Eindrücke wären, die einen überwältigen, auch der Geruch, die enorme Hitze und der permanent aktive Fluchtinstinkt (ja die Straßen Indiens laden dazu ein aktiv zu sein) prasseln auf uns nieder. Dazu kommen die Tatsache, dass wir wie Tiere begutachtet werden (v.a. die Mädchen). Die Wahrnehmung, dass dieses Land unglaublich viel Armut und Leid mit sich bringt, dass hier dicht aneinandergereiht Menschen im Dreck liegen und schlafen, Menschen die nur ein Schatten ihrer selbst sind, sofern sie irgendwann anders ausgesehen haben, ja diese Erkenntnis muss sich hint anstellen, keine Zeit für Sentimentalität.
Der Spießrutenlauf endet vorerst am Bahnhof, wo uns ein netter Manager…ich nenne ihn im Nachhinein eher netter Messias (er hat uns echt gerettet) quer zurück führt und in ein Tuktuk setzt. Wir wollen eigentlich nur eine Karte, um uns vertraut zu machen und dann den ganzen Tag zu entspannen. Sightseeing, so haben wir uns geeinigt, lassen wir heute aus, wir müssen mal ganz langsam akklimatisieren. Indien soll mit vollen Kräften erkundet werden. Aber: Indien fragt uns nicht. Und der Tuktukfahrer auch nicht. Zwar bringt er uns für 30 rp zum nächsten tourist office (urspr. wollte er 70) doch die haben nicht mal eine Karte und so landen wir sehr bald wieder im Tuktuk. Der will uns herumführen, wir plaudern nett mit Händen und Füssen, schaffen es aber nicht im zu erklären, dass wir nur frühstücken wollen. „breakfast...nono..too earley…shop open at 10!”… Will uns der verarschen… Die Sowjets haben im Flieger nicht gerade mit Verköstigung um sich geworfen ... Wir haben Hunger... er will uns eine Sightseeingtour andrehen. Mag vielleicht am schon recht akuten Schlafmangel liegen, vielleicht auch an der Überforderung des gesamten Surroundings, aber irgendwie willigen wir ein, wobei vorallem die Preisverhandlung in Indien ein aufregendes, wenngleich intransparentes und fadenscheiniges Konstrukt sind. Fakt ist, niemand weiß was er zahlen muss, es wird gegrinst und auf die Schlechtheit des Geldes verwiese, die Freundschaft betont. Also ehrlich…so blöd sind nicht mal wir..!
Schon bald ist Fahrer 1 etwas überfordert mit uns - und wir mit seinem englisch- auf der Straße kommt es zum fliegenden Wechsel… Fahrer 2, ein Nepalese, eigentlich sehr nett… führt uns in einen Tempel…Stille .. endlich… durchatmen, realisieren, die Letzen 2 stunden. Sie waren wie ein Marathonlauf, eine permanente Anspannung… setzen lassen.
Danach geht e weiter mit unserem „indian helicopter“ à manufacture anschauen…auch hier eine eigene Interpretation von Touristeninteresse des Fahrers. Naja, beim ersten Mal ist es noch ganz witzig, wir nicken alles ab, kaufen aber nichts… wofür wir böse Blicke und ich will nicht wissen wie viele Voodoo Flüche ernten.
So, jetzt aber Frühstück… denken wir… werden in ein nettes lokal gesetzt und wollen unserem Hunger frönen. Nur nehmen die Inder ihre Öffnungszeiten wieder mal eher mäßig ernst. So dauert es noch ein wenig, das Essen ist dann aber gut, spicy und sättigend. Wahrscheinlich das erste Frühstück meines Lebens, an das ich am Abend wieder denken werde. Vor lauter Freude wandert unser Blut direkt in den Magen, der Kopf wird leer, die Müdigkeit schlimmer.
Außerdem wird es heißer… zu allem Überdruss geht es geht in einen aus weißem Marmor gefertigten Sikh Tempel… der ist kühl und klimatisiert, spiegelt die Sonne aber schlimmer als ein Gletscher im Juli. Die Leute sind sehr freundlich und im Vorhof des Tempels liegen überall Menschen und schlafen, nettes Örtchen eigentlich. Zur Belohnung, dass wir uns mit Tüchern einkleiden unsere Schuhe zurücklassen gibt es gratis Chai und Brot vor dem Tempel. Eine äußerst nette Geste. Unseren Fahrer lassen wir stehen, da er uns für unser Verständnis von Freundschaft schon zum Tanken eine viel zu hohe Summe abgeknöpft hat (die die ganze Fahrt locker abdeckt) und wir nicht mehr interessiert sind an einer weiteren Tour mit ihm.
Indien bringt viele Aufgaben mit sich.. einen Tuktuk Fahrer finden ist dabei sicher keine unbewältigbare. Schnell landen wir bei einem neuen Driver.. Nummer 3… er führt uns zwar in das ersehnte, von Nummer 2 gepriesene Shoppingcenter, doch schlägt hier erneut und diesmal mit aller Kraft unsere Blauäugigkeit zu. Wir hatten tatsächlich ein klimatisierte Mall erwartet, mit Shops zum betreten, Cafés und Aitzgelegenheiten…stattdessen… ein riesengroßes Haus, viele Stöcke…und jeder der Shopowner will uns etwas verkaufen. REINFALL ...wieder nichts mit ausruhen. Wir sind verzweifelt… was sollen wir heute noch tun? Geplant war, den Tag gemütlich zu verbringen… nun sind wir alle saumüde, verschwitzt entnervt und es ist 10h vormittags… unser Zug.. mit der ersehnten AC geht in 12 Stunden. Nachdem wir im tourist office erneut abgewimmelt werden, fallen wir zufällig in ein klimatisiertes lokal um die Ecke. Gutes Essen, Getränke und es interessiert kein Schwein, dass wir sicher 3-4 stunden dort sitzen. Jeder von uns schläft auch min. einmal kurz mit dem Kopf am Tisch ein. Wer nicht gerade schläft kann eine bollywoodreife Paartragödie am Nebentisch miterleben, über die gesamten 4 Stunden. Während einer erkundungstour entdecke ich nicht nur die regionalen Toiletten (in manchen Momenten ist man in seinem Leben wirklich froh aus einer Schifahrernation zu kommen – die Standhocke macht sich auf indischen Toiletten doppelt und dreifach bezahlt.) sondern auch einen tatsächlich netten tuktuk driver… Nummer 4. Er plaudert nett mit mir und ist auch sonst sehr hilfreich, gibt uns Tipps für Touristen usw… .
Außerdem schaffen wir das schier unmögliche und machen mit ihm einen vorab ausgemachten preis aus, er führt uns noch fast 3 std herum.
So sehen wir noch das India Gate (welches nicht Indira heißt - ein Fauxpas meinerseits) den Präsidentenpalast, einen englischen Garten und den Regierungssitz. Außerdem, und das ist leider etwas ärgerlich, führt uns auch dieser Fahrer in etliche Shops. Beim ersten Mal kaufen wir sogar noch Gewürze, Chili natürlich… dann wird’s aber doch sehr mühsam… wenn ich noch eine Elefantenfigur sehe dreh ich durch..
Am Schluss der Tour führt er uns zum Bahnhof, dieser ist nun megavoll…Wir geben Nummer 4 ordentlich Trinkgeld (er war wirklich recht in Ordnung), gehen ins foreigner Bureau der Bahn (vermutlich der kühlste Platz ganz Indiens) und wollen den Tag nun aber wirklich ausklingen lassen. Ist ja auch schon fast 4 Uhr. Nur noch schnell wollen unsere Züge umbuchen. Das nötige Geld dazu versuchen wir abzuheben. Und Indien schlägt ein weiteres Mal zu. Keine Chance! Maestro abgelehnt, Kreditkarte, nein danke! Insgesamt irren wir quer durch neu Delhi und versuchen sicherlich bei 8-10 Bankomaten Bares zu ergattern. Die, die sich nicht sofort „aufhängen“ verweigern leider.
Plötzlich Erheiterung unsererseits. Diese Inder können ja doch laufen und schnell sein, und wie. Wegen ein paar Regentropfen.. wir Österreicher halten das aus. Glück, dass der Bahnhof rechtzeitig kommt. Wir hätten es nicht ausgehalten. Was da kam, war die Sintflut. Der halbe Bahnhof, ja die gesamte Stadt stehen zum Teil 20 cm unter Wasser.
Dann aber, die Rettung. Gudi schafft es, ihre Karte freischalten zu lassen, wir heben Geld ab und buchen unsere Züge. Danach mache ich mich nochmal auf den Weg in die Stadt, um Internet zu finden. Ein Boot wäre praktisch. Endlich finde ich eine Möglichkeit, schreibe unsrem indischen Bekannten in Hyderabad und buche Zimmer für Varanasi.
Die nächsten Stunden beschäftigen wir uns damit, auf den Zug zu warten. Dabei sitzen wir am Bahnsteig, essen mit den Händen und beobachten einen Mann, der sich seelenruhig auf den Gleisen auszieht, einseift und duscht (wieso es dort Wasser gibt weiß ich nicht). Meine Güte, wir sind sowas von angekommen. Trotz der 36 Stunden, die wir nun fast durchgehend wach sind verstehen wir uns recht gut und freuen uns auf die Reise nach Varanasi.
Im Zug haben wir dann nette Nachbarn, plaudern, genießen das Klima (menschlich und temperaturtechnisch) und schlafen sehr bald ein.
Tag 2 Am Morgen sind wir fast da, diese Zugfahrten vergehen wie im Flug. Nur ich konnte leider nicht gut schlafen. Beim Ausstieg in Varanasi ein bekanntes Bild. Menschen wollen uns etwas andrehen. Diesmal eine Fahrt in die Stadt – und wir schlagen zu (nicht physisch – bei dem Angebot). Wieder geht es quer durch überfüllte Straßen, aber Kühe auf der Straße regen uns genauso wenig auf wie Hitze oder Hupen. Nach 30 Minuten wechseln wir auf eine fahrradbetriebene Rikscha, dann nochmal 15 Minuten Fußweg quer durch die Altstadt Varanasis (gegen die Venedig wie eine breit angelegte Planstadt wirkt), begleitet von einem netten aber unglaublich nervigen Verkäufer Namens Babu.
Angekommen im Hotel, die Erleichterung. Nicht nur der Blick auf die Stufen des Ganges, auch das Zimmer und die Dusche sind wirklcih in Ordnung. Mango Lassi trinken und entspannen, das haben wir uns verdient. Und endlich Ruhe… nach 40 Stunden permanent unter Menschen fühlen wir uns kurz etwas vereinsamt, genießen es dann aber bald sehr wieder unter uns zu sein. Inklusive Französisch Stunde für Matthias.