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Neunter Abschnitt: Die Gipfelstürmer oder: das Stufendrama

Veröffentlicht: 09.10.2018

Unser nächster Stop war Emei Shan, eine Stadt, die nach dem gleichnamigen heiligen buddhistischen Berg, der in ihr liegt, benannt und nur zwei Stunden Zugfahrt von Chengdu entfernt ist.

Als wir ankamen wurden wir am Bahnhof zunächst von wirklich sehr aufdringlichen TaxifahrerInnen und Streetfood-VerkäuferInnen belagert, sodass der Weg aus dem Bahnhof den beschriebenen Szenen der Killer-Soziologen aus den Känguru-Chroniken glich. Im Gegensatz zu diesen wirklich anstrengenden Szenen war unser Hotel jedoch der absolute Traum! So erfreuten wir uns sehr an unserem eigenen Zimmer mit riesiger Regendusche für nur 11€ die Nacht. Die nette Rezeptionistin erklärte uns, welchen Weg wir auf den Emei-Shan nehmen müssen und so ging es am nächsten Tag, trotz furchtbaren Regens, los. Unsere erste Etappe war ca 24km lang, ging 1300 Meter in die Höhe und bestand nur aus Treppenstufen. Durch die dichten Nebelwolken glitzerten nur die nächsten zehn Treppenstufen im Regen, während der Rest im weiß-grauen Dunst verschluckt wurde. Immer, wenn man ein Plateau erreichte und dachte, nun müsse es ein paar Schritte flachen Boden geben, kam lediglich eine Kurve hinter der sich weitere Treppen verbargen. Zu Beginn des Wegs überholten wir eine Gruppe von betenden Frauen und Männern, welche alle drei Schritte auf die Knie gingen und sich verbeugten.

Die Legende besagt, dass der Bodhisattva Samantabhadra (also ein Wesen, dass den Weg der Erleuchtung im buddhistischen Glauben beschritten hat) auf seinem dreiköpfigem Elefanten auf den Berg geflogen ist und vielleicht noch heute dort verweilt.

Außer dieser Gruppe trafen wir noch einen anderen chinesischen Wanderer und einen Deutschen, welcher uns ziemlich schnell überholte, allerdings auch nur eine Tagestour geplant hatte. Ansonsten begegneten wir selten Leuten und wenn, dann nur welchen, die den Berg herunterliefen. Zu einem der touristischen Orte kommt man auch Bus. Dort waren viele Menschen unterwegs, wir drängten uns durch die Massen aus Regenschirmen und Selfie-Sticks, an klauenden Tibet-Affen vorbei, Schritt für Schritt in die Höhe. Später, als wir in die so genannte Monkey-Area kamen, kauften wir uns einen Wanderstock, einerseits, da ich Wanderstöcke mag, andererseits um uns vor aggressiven Äffchen zu schützen. Nun wurde jeder Schritt von einem tiefen Ton begleitet, den der Stock machte, wenn er auf den Boden traf. Dong, Dong, Dong, bis ich nicht mehr konnte. Irgendwann hatte ich keine Kraft mehr, sodass René für die letzten Schritte bis zum Kloster meine Hand hielt. Und so entschlossen wir uns, doch wieder ein bisschen Kraft spürend, doch noch bis zum nächsten Kloster zu laufen. Klitschnass, müde und hungrig kamen wir dort an und ich hätte fast geweint, als die Mönche uns die Heißwasserdusche zeigten und etwas Leckeres (natürlich vegetarisches) zubereiteten. Die Nacht war kalt in dem unisolierten Raum, trotzdem schliefen wir um neun Uhr abends ein und wachten erst am nächsten Tag um acht Uhr wieder auf. Wir standen auf im Regen, packten unsere immer noch nassen Klamotten zusammen und gingen weiter. Und dann passierte etwas mit dem wir beide nicht gerechnet hatten: es hörte auf zu regnen und die Sonne strahlte uns warm ins Gesicht. Und auf einmal sahen wir, dass wir bereits über den Wolken waren, so weit waren wir gelaufen. Die Aussicht war atemberaubend. An diesem Tag war der Aufstieg viel leichter und wir kamen schnell voran. Streckenweise gab es keine Stufen und wir konnten einfach laufen. Dann trafen wir irgendwann einen kleinen lieben Mönch, der uns in schlechtem Englisch und mit einem typischen asiatischen Kegelhut dazu einlud, mit ihm ein Stück zu laufen und dann gemeinsam Mittag zu essen. Schnellen Schrittes gingen wir gemeinsam den Berg hinauf zu dem Kloster, in dem er rasten wollte. Nachdem wir in Stille zusammen gegessen hatten (so machen das die Mönche), blieb er in dem Kloster und wir gingen weiter. Auf dem letzten Stück des Weges, welcher sich von Kloster zu Kloster schlängelt, gibt es eine Busstation und eine Seilbahn zur Spitze. Hier wird der Weg nacheinmal von Menschenmassen überströmt und es gibt kaum ein Durchkommen. Viele laufen nur von Bus zur Seilbahn, fahren zur Spitz und laufen dann die 7,5 Kilometer zurück zu der Busstation über die Treppen hinunter. Dafür, dass wir hoch liefen, ernteten wir einige Daumen und viele Fotos wurden (gefragt aber auch oft ungefragt) von unseren roten Gesichtern gemacht. Fotos mit ‚weißen‘ wirkt besonders weltoffen, weswegen sich viele ChinesInnen nicht scheuten, sich in die Mitte von uns zu stellen und die Arme um unsere schweißnassen Körper zu legen.

Auf der Spitze angekommen, blickten wir in ein endlos scheinendes Wolkenmeer. Bei einem bestimmten Verhältnis zwischen Sonnenlicht und der Wolkendecke entsteht durch die Lichtbrechung ein riesiges Meer aus Regenbogenwolkenmasse. Diese sieht so mystisch aus, dass vor einigen Jahrhunderten, als der Tempel auf der Spitze gebaut wurde, sich einige Mönche auf dem Weg ins Nirwana in das Wolkenmeer gestürzt haben, da diese allerdings durch die Wolkendecke auf den Boden der Tatsachen gefallen sind, wurden überall Schilder aufgestellt, die Leute davon abhalten sollen sich von der Klippe des Berges zu stürzen.

Eine 8,5 Meter hohe, goldene Statue des Bodhisattva auf seinem Elefanten steht auf der Spitze des Berges und blickt prachtvoll auf die vielen BesucherInnen nieder.

Da der Sonnenaufgang an diesem Ort besonders schön sein soll, entschlossen wir uns, wieder runter zu gehen, in einem der günstigen Kloster zu schlafen und dann am nächsten Tag wieder hinaufzusteigen, um den Sonnenaufgang zu betrachten. In dem Kloster, in welchem wir uns entschlossen hatten die Nacht zu verbringen, erhielten wir erneut ein sehr leckeres Abendessen. Die liebe Köchin fand es sehr amüsant, dass wir alles aufaßen und nur die, ihrer Meinung nach nicht scharfen, Chillis übrig ließen. Aufessen ist in China absolut nicht gewöhnlich, es gilt als höflich, viel Essen übrig zu lassen, sodass noch mindestens zwei ausgewachsene Leute von den Resten auf Tellern, Tischen und Böden essen könnten. Keiner scheint sich über die Reste , Zigarettenstummel und weiteren Müll zu wundern. Es wird einfach ein Lappen genommen, ein Eimer unter den Tisch gehalten und Zack! Es sieht aus wie neu. Für das Aufessen gelobt zu werden ist vor allem für mich wirklich ungewöhnlich, da jeder, der mich kennt, weiß, wenn es nur lange genug da steht esse ich eh alles auf. Sonst gibts ja morgen auch kein gutes Wetter oder aus Renes Sicht, keinen Nachtisch. Alles keine Dinge, die wir herbeiführen wollen. In Klöstern ist das Aufessen allerdings Pflicht, also, perfektes Terrain um unser Können unter Beweis zu stellen.

Wir wurden dann noch von unserer Lieblingsköchin darauf hingewiesen, dass wir doch ein heißes Fußbad nehmen sollten. Ein netter, Englisch sprechender Mönch übersetzte ‚mit dreckigen Füßen lässt die Hausherrin (also die Köchin) euch nicht ins Bett‘.

Obwohl wir es sehr mochten in diesem Kloster, haben wir doch in der Nacht kein Auge zu gekriegt. Drinnen war es so kalt wie draußen und Renés Roommade hat so laut geschnarcht, dass ich es bis in das Mädchenzimmer laut und deutlich gehört habe.

Und dann am nächsten Morgen ging es pünktlich um halb sechs Uhr los, (mittlerweile echt schnell, da wir uns so an das Treppenlaufen gewohnt haben) zum Sonnenaufgang. In der dunklen Kälte drängten sich die Menschen um die bunten Farben der Sonne zu bewundern.

Dann gingen wir zurück in das Kloster zum frühstückten und wir versuchten, mit dem Handy einen Zug aus Emei Shan zu bekommen. Leider war da kein Zug, da golden week ist. Eine Woche Ferien für viele Chinesen, die sonst kaum Urlaub kennen und so in dieser Zeit natürlich ihr Land bereisen wollen. Wir entschieden, noch drei Tage in Emei Shan zu bleiben. In diesen Tagen machten wir nicht allzu viel, wir wuschen unsere Wäsche, waren an einem See, um den herum nur Hotelruinen standen und einen Tag fuhren wir nach Leshan zur riesigen Buddhastatue. Diese wurde zwischen dem 7. Und dem 10. Jahrhundert erbaut, ist 71 Meter hoch und steht an der Mündung dreier Flüsse. Damit ist sie die größte Buddhastatue der Welt. Die Mönche erbauten sie damals damit der riesige Buddha die drei reißenden Flüsse bändigen und damit die Stadt und das Kloster vor Hochwasser schützt. Die Statue bekamen wir jedoch nur von oben zu Gesicht, da die Wartezeit in der Schlange, um an die Zehen des Buddha zu kommen, 3,5 Stunden betrug.

Unsere Zeit in Emei Shan war richtig schön. Die Stadt gibt zwar nicht so viel her, ist aber eigentlich ganz gemütlich. Die Wanderung auf dem Emei Shan war eine sehr krasse Erfahrung und wir sind absolut angefixt, den nächsten Berg zu erklimmen. Für wen eine 43km Wanderung mit 2500 Höhenmeter nichts ist, der kann die Strecke gut an den Seilbahnen abkürzen oder den Berg wahlweise herunterlaufen. Mittlerweile haben wir einige Leute getroffen, die auch auf dem Emei Shan waren und diese berichten oft von dem schlechten, nebligen Wetter. Wir hatten also sogar ziemliches Glück, dass der zweite Tag so schön war. Also, Regenklamotten und eine lange Unterhose einpacken (oder sie an einem der Touristenstände ausleihen, die Jacke nicht die Unterhose) und los gehts! 

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