Veröffentlicht: 06.08.2020
Törnbericht 2020
Ostsee und mehr.
Vierter Teil: Von Stralsund zum Stettiner Haff.
8. Juli. Der Plan für heute: Wir verlassen die schöne alte Hansestadt Stralsund und fahren weiter nach Greifswald. Von einer Hansestadt zur nächsten. Das Wetter meint es nicht gut mit uns: Regen, Regen, Regen. Nach Greifswald ist es nicht sehr weit, nur den Strelasund hinunter bis zum Greifswalder Bodden, rund 21 Seemeilen, knapp vier Stunden Fahrt. Wir warten mal ab. Irgendwann muss der Regen ja aufhören. Und richtig: Gegen Mittag hat es sich ausgeregnet und wir legen ab. Wir sind nicht die Einzigen: eine Armada von Segelbooten nutzt den günstigen Wind und fährt mit uns den Strelasund hinunter. Nach und nach überholen wir eins nach dem anderen. Gegen vier Uhr nachmittags passieren wir die Mole und fahren das Flüsschen Ryck hinauf, der uns nach Greifswald führt. Um 16.45 machen wir fest in der Marina am Ryck, einem ehemaligen Werftgelände, an schönen alten Holzstegen, etwas eng, aber gemütlich. Zum Stadtzentrum ist es nur ein kleiner Fußmarsch von 5-10 Minuten. - Greifswald, Greifswald… War da nicht was? Richtig! Hier wurde Caspar David Friedrich geboren und hat hier gelebt. Das fällt mir wieder ein, als ich vor seinem Denkmal stehe. Einen schönen, großen Marktplatz, ähnlich wie Stralsund, hat Greifswald auch zu bieten. Und einen Museumshafen, wo Traditionssegler anlegen können. - Später am Nachmittag komme ich gerade recht für ein Orgelkonzert in St. Nikolai. Sehr schön! Man muss ja auch mal ein paar Kultureinheiten tanken. ;-)
9. Juli Greifswald - Lassan. Lassan? Nie gehört? Ich auch nicht. Wir brauchen aber ein Zwischenziel. Wir wollen ja zum Stettiner Haff, Zielhafen ist Trzebiez (Ziegenort) an der Odermündung. Vorher steht noch Ueckermünde auf dem Plan. Von Greifswald nach Ueckermünde sind es fast 50 Seemeilen, das wären wieder 9 bis 10 Stunden Fahrt; das tun wir uns nicht an. Und so bietet sich der kleine Hafen Lassan an, ein ehemaliges Fischerdorf, auf etwas mehr als halber Strecke. Greifswald-Lassan ≈ 32 sm. Unter Seglern soll dieser Hafen als Geheimtipp gehandelt werden. Na, mal sehen. Als wir morgens die Leinen loswerfen, ist der Himmel bedeckt, und es sieht nach Regen aus. Zwei Stunden später, bei der Einfahrt in den Peenestrom, ist es soweit: Es fängt an zu regnen. Erst nur Nieseln, später Bindfäden. Gern fahre ich ja nicht bei Regen, aber wenn man schon mal unterwegs ist, hat man ein Ziel und will da auch hin. Um 15.00 erreichen wir das schmale Fahrwasser nach Lassan, und bald darauf habe ich das Vergnügen, bei strömendem Regen festmachen zu dürfen. Dass man auch keine Crew hat, die das erledigt!. Egal, wir sind da, der Scheibenwischer hat Feierabend, ich nehme mir ein Handtuch und trockene Klamotten, und einen Kaffee hab ich mir auch verdient. Im kleinen Hafen liegen nur wenige Boote, anscheinend kaum Gastlieger am Steg. Später kommen noch zwei Segelboote rein - Aha! Geheimtipp! Die Crews haben natürlich vernünftiges Regenzeug. Muss ich mir auch mal besorgen.
Der nächste Tag ist ebenfalls total verregnet. Da bleiben wir gleich im Hafen liegen. Nachmittags gehe ich gemütlich unterm Regenschirm durch den Ort. Zwei Straßen, die parallel zum Kirchplatz führen, das war’s. Häuser wie in Oldenburg, Rummelweg oder Tannenstraße, 50er Jahre, die meisten gepflegt, z.T. aber auch leerstehend und heruntergekommen. Das war’s? - Aber nein: Hallo! Was ist denn das? Da gibt es ja ein Café, und es hat sogar geöffnet. Ich gehe rein und schaue mich um. Es sieht aus wie privat bei Oma in der guten Stube. Und das Tolle: Alles Bio und Vegan! Ich nehme ein Stück Kuchen, das aussieht wie Schokoladentorte, ist aber, wie mir die Wirtin ungefragt versichert, ohne Mehl und ohne Eier hergestellt. Nur pflanzliche Zutaten, cremig gerührt (im Hochleistungsmixer? Ich weiß es nicht), aber wohlschmeckend und sehr gehaltvoll; dazu ein großes Glas Bio Kaffee. Eine Karaffe Wasser auf Kräutern im Glas gibt es gratis dazu. Das Ganze für bescheidene 6,- Euro. Fast bin ich versucht, auf 10,- aufzurunden, aber dann besinne ich mich, und es bleibt beim üblichen Trinkgeld. - Tja, wer hätte das gedacht, so ein besonderes Café hier in dem kleinen Örtchen. „Lassaneria“ nennt es sich und hat auch, wie könnte es anders sein, eine Internetseite:
http://www.sirona-heilsame-wege.de
11. Juli. Lassan - Ueckermünde. Ein neuer Morgen, kühl aber sonnig bei frischem Wind aus West. Schon um halb acht sind wir unterwegs, als allererstes Boot. Wir fahren weiter den Peenestrom entlang, hier eher ein Meeresarm, ein Sund, bis mehrere Kilometer breit. Um 09.06 fahren wir unter der Zecheriner Brücke durch und bald darauf passieren wir die Ruine der Hubbrücke Kamin. Im Gegenlicht die richtige Durchfahrt zu finden war nicht ganz leicht. Und dann liegt das Stettiner Haff vor uns, glänzend und blendend im Licht der Vormittagssonne. Ich brauch’ ne neue, stärkere Sonnenbrille. Bald darauf sehen wir die Seetonne von Ueckermünde und ändern Kurs auf die Mündung der Uecker. Die Einfahrt ist so schmal, dass Begegnungen mit addierter Bootsbreite von ≥10m verboten sind. In Schleichfahrt, erlaubte v-max 4 kn, fahren wir das Flüsschen hoch und machen um Punkt 12 Uhr fest im Stadthafen von Ueckermünde. Die alten Hafenanlagen wurden zur Touristen-Promenade „Altes Bollwerk“ umgewandelt, die Pier ist neu und für Sportboote perfekt ausgestattet, sogar Wasser und Strom gibt es. Hier hat jemand bei der Planung ein Herz für Sportbootfahrer gehabt und die Fördergelder sinnvoll eingesetzt. Überhaupt ist die kleine Stadt überall fein herausgeputzt. Auch hier gibt es einen historischen Marktplatz mit schön renovierten Häusern.
12. Juli. Ueckermünde - Trzebiez (Ziegenort). Heute also die letzte See-Etappe auf unserer Reise. Den Rückweg wollen wir ja über Binnengewässer machen, sonst müssten wir gegen die vorherrsched westlichen Winde auf der Ostsee anstampfen, und das ersparen wir uns lieber. Von hier ist es noch ein ganz schönes Stück übers Haff bis Trzebiez, und der Wind soll im Laufe des Tages immer mehr zunehmen, deswegen stehen wir wieder früh auf und verlassen Ueckermünde schon vor 07.00 Uhr. Wieder ist es ein frischer, sonniger Morgen, und es ist einfach herrlich, so früh morgens schon vor allen anderen unterwegs zu sein. Als wir draußen auf dem Haff sind, hat der Wind schon auf WNW Stärke 4 zugenommen und der arbeitet rasch an entsprechenden Wellen von 0,5 bis 1 m. Aber die kommen von achtern, und das macht uns nichts aus. Miss Marple pflügt gemütlich schaukelnd durch die Wellen. Wir nehmen Kurs auf die gut sichtbaren Doppeltürme „Brama Torowa Nr. 2“, die Haff-Torfeuer von Stettin, und da fahren wir mitten durch, wie die großen Dampfer, denn rechts davon, wo Miss Marple auch noch fahren könnte, liegen undefinierbare Arbeitsgeräte und Pontons im Wasser, da sind wohl umfangreiche Baggerarbeiten im Gange auf der Zufahrt nach Stettin. Wir biegen rechtzeitig ab nach Steuerbord in das schmale Fahrwasser nach Ziegenort. Als erstes steuern wir die Bootstankstelle an, die unübersehbar gleich neben der Marina zu finden ist. Es wird auch Zeit, denn die Tankanzeige steht schon auf Reserve. Es stellt sich aber heraus, dass noch mindestens 50 Liter Sprit im Tank gewesen sein müssen. Der Tankwart spricht Deutsch, kein Englisch. Bezahlen? Cash bevorzugt. Kreditkarten, meint er, die sind nur für die Mafia. Der Preis ist günstig, billiger als in Deutschland, aber nicht viel billiger. Eine Quittung kriege ich nicht, habe auch nicht danach gefragt. Wir sind in Polen. - Dann verholen wir in die Marina und wollen bei viel Wind an einem der Schwimmstege anlegen. Sofort kommt ein junger Pole vom Nachbarboot angelaufen und hilft mir beim Festmachen. Sehr nett. Im Hafenmeisterbüro, untergebracht in einem Gebäude, das aussieht wie eine Kaserne aus den 30er Jahren, sitzt ein freundlicher junger Mann. Er spricht recht gut Englisch. Ich frage ihn, wie man Trzebiez ausspricht. Es sagt es mir, und es klingt, wie schon vermutet, wie Tschebitsch. Er kennt auch den alten deutschen Namen: „Ziegenort“, sagt er, und es klingt wie „Siggenort“. - Sonst kann ich nicht viel von Ziegenort berichten. Inzwischen kommen schon wieder Regenschauer herunter und ich erspare mir eine Ortsbesichtigung. Morgen früh geht es weiter, auf die Oder und nach Stettin.