Veröffentlicht: 01.08.2020
Törnbericht 2020
Ostsee und mehr.
Zweiter Teil: Von Kiel-Möltenort nach Lübeck-Travemünde.
Die erste Etappe ist geschafft: wir sind an der Ostsee, genauer gesagt: in der Kieler Förde. Es ist Sonntag, wir haben herrliches Sommerwetter, die Sonne scheint, es weht ein sanfter Wind, hunderte, wenn nicht tausende Segler tummeln sich in der Förde. Wo man hinschaut, weiße Segel, ein herrliches Bild. Wir genießen es von der Mole des Yachthafens aus. Die kleine Marex liegt frech in einer viel zu großen Box zwischen den großen Segelyachten. (Ein anderer Platz war nicht frei, und der Hafenmeister hatte sein OK gegeben). Wir bleiben ja nur eine Nacht, morgen soll es rausgehen auf die Ostsee. Unser nächstes Ziel: Heiligenhafen. Dazu müssen wir einmal quer über die Hohwachter Bucht, und da gibt es etwas zu bedenken: Hier hat die Deutsche Marine ihre Schießgebiete abgesteckt. Wer also da durch will, muss die Schießzeiten beachten, die in den Nachrichten für Seefahrer bekannt gegeben werden. Über Funk sind die entsprechenden Warnmeldungen abzuhören. Oder er muss im großen Bogen um die Sperrzonen herum einen großen Umweg fahren. Geschossen wird üblicherweise von Montags bis Freitags, an Wochenenden nur in Ausnahmefällen. Morgen ist Montag, aber wir haben Glück, die ganze Woche finden keine Schießübungen statt. Die Bundeswehr macht wohl mal Urlaub - oder Corona-Pause? Wie auch immer, wir können geraden Kurs quer über die Bucht abstecken und brauchen auch nicht den Funk abzuhören.
Montag, 22. Juni. Früh um 08.00 Uhr fahren wir los, bei zunächst grau-bewölktem Himmel, der aber im Laufe der Fahrt immer mehr blaue Lücken bekommt und schließlich der Sonne komplett die Herrschaft überlässt. Wir fahren am U-Boot Ehrenmal Laboe vorbei, gedenken kurz der vielen zigtausend Seeleute, die in diesem sinnlosen Krieg ihr Leben lassen mussten. Auch unser Vater sollte noch gegen Ende des Krieges zum U-Boot-Fahrer ausgebildet werden. Gott sei Dank ist es nicht mehr zum Einsatz gekommen. - Wir schütteln die trüben Gedanken ab, umrunden in sicherem Abstand die Küstenlinie, vorbei an Wendtorf und - ja - Kalifornien! und nehmen Kurs auf Heiligenhafen. Der Wind weht - günstig für uns, da von hinten - aus W bis WNW in Stärke 3 bis 4. Die entsprechende Welle von 0,5 bis 1 m meistert die Marex problemlos, nur das Steuern erfordert wieder viel Aufmerksamkeit. Vor uns fährt ein Segler, der müht sich sichtlich, bei dem achterlichen Wind die Segel in der richtigen Schmetterlings-Stellung zu halten (so nennt man das, glaube ich, wenn Groß- und Vorsegel quer gestellt werden, eins nach Backbord und das andere nach Steuerbord). Dabei ist er (der Segler), nicht immer erfolgreich, oft schlagen die Segel hin und her. Wir überholen ihn bescheiden, ohne triumphierende Gesten. ;-) Nach und nach nimmt der Wind noch etwas zu, was uns aber weiter nichts ausmacht. Bald kommt schon die Fehmarnsund-Brücke in Sicht. Wir biegen aber vorher nach Süden ab, passieren um 13.00 Uhr die Ansteuerungstonne Heiligenhafen-Nord, umrunden das Naturschutzgebiet Graswarder und machen wenig später im Yachthafen fest.
Dienstag, 23. Juni. Hafentag. Ich miete mir ein Fahrrad und erkunde die Gegend. Zunächst auf zum Graswarder! Da lasse ich das Rad stehen und spaziere am Strand entlang, bis zum Ende, soweit man als Fußgänger darf. Da steht nämlich ein Zaun: Betreten Verboten. Naturschutzgebiet. Auch der Aussichtsturm ist gesperrt, wohl wegen Corona. Ein bisschen gucken, ein bisschen die nackten Füße im Ostseewasser abkühlen, immer an der Wasserkante entlang spazieren - so wie auf Juist. Allerdings darf man den Strand nicht mit Juist vergleichen, das wäre unfair. Juist hat nun mal den schönsten Strand der Welt. Und das müde Geplätscher hier am Strand ist auch nichts im Vergleich zur Brandung auf Juist. Nun ja, wer’s mag, mag’s mögen. Genug „los“ ist hier auf jeden Fall. Heiligenhafen ist zu einem riesigen Touristik-Zentrum geworden. Das merke ich am Nachmittag, als ich mit dem Fahrrad den großen Binnensee umrunde. Da wurde viel gebaut und viel in die Infrastruktur investiert - durchaus bemerkenswert zum Teil. - Alles in allem ein interessanter und eindrucksvoller Tag, aber auch anstrengend, und so bin ich froh, am späten Nachmittag wieder auf meiner Miss Marple zu sein und den Tag gemütlich ausklingen lassen kann.
Mittwoch, 24. Juni. Heiligenhafen - Großenbrode. Morgens an der Bootstankstelle 100 Liter Diesel nachgetankt. Muss ja auch mal sein. Obwohl der Volvo-Penta für seine 100 PS recht sparsam ist im Verbrauch - bei ökonomischer Fahrweise, versteht sich. Abfahrt um 11.00 Uhr. Sonnig, schwachwindig, sehr warm. Knapp eine Stunde später habe ich schon die Fehmarnsundbrücke passiert Es herrscht mäßiger Verkehr, meistens Segler, die aber fast alle unter Motor fahren. Der Wind ist schwach umlaufend, manchmal schläft er ganz ein. Fast spiegelglatte See. Ideal für den Motorbootfahrer! Unser Ziel ist nicht der (alte) Fährhafen Großenbrode, obwohl es auch da einen Sportboothafen gibt, sondern weiter südlich „um die Ecke rum“ in der großen Bucht die „Marina Großenbrode“. Wir umrunden die Mole, die die Bucht vor östlichen Winden schützt und machen um 14.00 fest am Steg, den uns der aufmerksame Hafenmeister schon bei der Einfahrt zuweist. Am Nachmittag mache ich einen ersten Spaziergang am Strand der Bucht entlang. Touristische Einrichtungen gibt es hier nicht, und der eigentlich Ort ist zu weit entfernt für einen Fußmarsch. Aber dafür ist hier eben viel Natur und kaum ein Mensch unterwegs. - Abends ist mal wieder eine Dusche fällig. Duschmarken gibt es nur beim Hafenmeister persönlich. Ich investiere einen Euro und denke, eine reicht ja. Dann beim Duschen die Überraschung: Die Marke wird eingeworfen, ab dann zählt die Zeit, nur drei Minuten. Hmm, das wird knapp. Schnell unter den Strahl, der ist aber noch eiskalt. Bis das warme Wasser kommt, vergeht mindestens eine Minute. Nun wird’s hektisch: Erst Haare waschen, geht bei mir ja schnell, Shampoo rausspülen, dann mit Duschgel den Body einseifen, verflixt, da fällt mir erstmal das Duschgel runter, Künstlerpech! Langer Rede kurzer Sinn, ich bin gerade eingeseift, das sind die drei Minuten rum, und es kommt kein Wasser mehr. Nicht mal kaltes Wasser! (wie sonst in anderen Marinas). Da stehe ich ziemlich dumm da, habe ja keine weitere Duschmarke. Ist auch niemand da, der mir eine leihen könnte. Also spaziere ich splitterfasernackt raus aus der Dusche, rein in den Waschraum, zum Glück niemand drin, und ran ans Waschbecken. Gott sei Dank, wenigstens da läuft das Wasser, wenn auch nur kalt. Das war ein ziemliches Geplansche, ohne Waschlappen überall den Body wieder abzuspülen. Tja, so kann’s einem gehen, wenn man sparsam sein will. - Der nächste Tag wird ein unfreiwilliger Ruhetag im Hafen. Draußen bläst ein kräftiger Nordost in Stärke 5, zunehmend bis 6 vorhergesagt. Das würde zu ungemütlich, da bleiben wir lieber im Hafen.
Freitag, 26. Juni. Ereignislose Fahrt nach Travemünde. Das Wetter hat sich beruhigt, der Wind hat nachgelassen, weht nur noch leicht mit Stärke 2-3 aus östlicher Richtung. Aber nach Passieren der Mole Großenbrode geraten wir gleich in eine bis zu 1 m hohe Dünung. Die Wellen kommen schräg von achtern und bringen Miss Marple in weiche Schlingerbewegung. Nicht unangenehm. Wir passieren die Tonne Schwarzer Grund und nehmen direkten Kurs auf Travemünde. Das berühmte Hochhaus kommt schon aus großer Entfernung in Sicht: eine prima Landmarke zur Ansteuerung. Nach rund fünf Stunden Fahrt machen wir im Yachthafen Priwall fest. Hier hat sich seit letztem Jahr einiges getan. Die Baustellen rund um den Hafen sind weitgehend fertig, alles sieht schick und modern aus, allerdings auch etwas steril, nicht jedermanns Geschmack. - Eigentlich sollte und wollte die boots-affine Tochter hier zusteigen und ein Stückchen mit auf der Ostsee herumschippern. Hat leider nicht geklappt. Der Job! Vielleicht später.