Veröffentlicht: 31.07.2020
Törnbericht 2020 Ostsee und mehr.
Erster Teil: Von Bremen-Lesum nach Kiel-Möltenort.
Sommer 2020. Die Ostsee ruft. Diesmal soll es aber in Richtung Osten gehen - nicht wie letztes Jahr nach Norden. Geplant ist die „große Runde“: Von der Weser über die Nordsee nach Cuxhaven, weiter durch den Nord-Ostseekanal nach Kiel, und dann immer entlang der Küste nach Osten. Als Ziel ist zunächst die Deutsch/Polnische Grenze am Stettiner Haff vorgesehen. Mal sehen, wie weit wir kommen. Die tatsächliche Route wird von Wind und Wetter bestimmt. Vom Stettiner Haff soll es dann aber über „Binnen“ zurück nach Bremen gehen. Also die Oder hoch, genauer gesagt: die West-Oder, die kurz hinter Stettin in den Hohenstaaten-Friedrichstaler Wasserweg übergeht, der parallel zum Oderfluss verläuft. Dann weiter über Kanäle und Flüsse in Richtung Westen. Gern wollen wir den historischen Finow-Kanal mitnehmen. Auch der Werbelliner See lockt als Zwischenziel. Über Oranienburg, Berlin-Spandau, Potsdam, Brandenburg erreichen wir dann den Elbe-Havel-Kanal, der bei Magdeburg über die Elbe führt und danach Mittellandkanal heißt. In Minden schleusen wir dann schließlich runter auf die Weser, die uns wieder nach Bremen führt. Soweit der Plan. - Nun kann es losgehen.
16. Juni. Wir sind startbereit. Boot liegt ausgerüstet und vollgetankt an seinem Liegeplatz in der Lesum. Wie immer, dauerten die letzten Vorbereitungen etwas länger, so dass wir erst gegen 16.00 abfahren. Vorher gab es noch eine kleine Schwierigkeit, der Motor sparng nicht an; die Starterbatterie hatte sich durch Selbstentladung einen Schwächeanfall erlaubt. Oh je, das fängt ja gut an! War aber kein großes Problem; kurz ans Ladegrät wieder angeschlossen und dann lief auch der Motor, der die Batterie ja während der Fahrt wieder auflädt. Weiter als bis Elsfleth, kommen wir heute nicht, danach hätten wir die Tide gegenan, und das wollen wir nicht. Also in Elsfleth am Stadtanleger festgemacht und die erste Übernachtung im Boot - so nah und doch so weit von Zuhause.
Am nächsten Morgen lassen wir uns Zeit: Die nächste Tide (ablaufendes Wasser) kommt erst ab 13.00. Da wir nur bis Bremerhaven wollen, passt das auch ganz gut. Auf der Weser, so etwa ab Brake kommt uns durch NNW Wind 4-5 eine steile Welle entgegen - wie immer bei Wind gegen Strom - aber die kleine Marex kämpft sich tapfer durch, und so sind wir schon drei Stunden später vor der Fischereihafen-Schleuse. Ja, richtig gelesen: wir wollen diesmal die Marina Nordsee Yachting im Fischereihaen anlaufen, nicht wie sonst immer die große, moderne Lloyd-Marina „Im Jaich“ im Neuen Hafen. Hier im Fischereihafen ist es viel ruhiger, das merken wir sofort, und irgendwie auch attraktiver, denn die Marina liegt quasi mitten im Grünen, was man so garnicht erwartet hätte vom Fischereihafen. Corona-bedingt sind die Duschen zwar geschlossen, aber für die Notdurft ist gesorgt und zum Duschen nehmen wir halt diesmal einfach die bordeigene Heckdusche. Duschen an frischer Luft - auch mal ganz schön!
In der Schleuse lernen wir auch gleich den Merksatz fürs Schleusen in der Fischereihafenschleuse: „Wie in der Kneipe: „Halb Voll Rein, und Voll wieder raus!“ Gemeint ist: Reingeschleust wird regelmäßig jede Stunde um Halb, Rausgeschleust um Voll - Capito? Sehr praktische Lösung: so weiß der Skipper immer, wann er vor der Schleuse sein muss: Jeweils ein paar Minuten vor Halb bzw. ein paar Minuten vor Voll.
In der Marina weist man uns einen sehr schönen Liegeplatz zu, direkt unterhalb des alten Leuchtturms. Früher stand dieser auf der Wattinsel Brinkamahof, musste aber dem Bau des Container-Terminals weichen, und heute ist er DAS Schmuckstück der Marina und dient verschiedenen Zwecken, u.a. als exklusives Wohn-Ambiente.
18. Juni. Heute geht es hinaus auf See!. Jawohl, wir fahren „außen rum“ nach Cuxhaven, und zwar nehmen wir den Groß-Schiffahrtsweg in der Außenweser. Unterwegs biegen wir ab Richtung LT Alte Weser, fahren über die Norder Gründe und erreichen so die ersten Ansteuerungstonnen der Elbe. Dabei nutzen wir natürlich die Tide aus: Von Bremerhaven mit Ablaufend Wasser raus, draußen haben wir Stillwasser, und wenn wir die Elbe hochfahren, schiebt uns der einsetzende Flutstrom kräftig von hinten mit an. So ist der Plan. Die Kunst ist nun, den richtigen Zeitpunkt zur Abfahrt zu wählen, damit man optimale Strombedingungen antrifft. Ich überschlage kurz und entscheide mich für die Schleuse um 13.00 Uhr. Bis ich dann draußen bin, sollte es etwa anderthalb bis zwei Stunden nach HW Bremerhaven sein. (Man weiß ja nie, wie lange so eine Schleusung dauern kann). Also sind wir kurz vor „Voll“ vor der Schleuse - und schwupps - um 13.15 sind wir schon durch. Leider etwas zu früh, wie sich später herausstellen sollte. Egal, erstmal losfahren, dann sehen wir weiter. Gleich nach der Ausfahrt kreuzen wir das Weser-Fahrwasser rüber zur Tonne 61 und halten uns dann außerhalb des Fahrwassers immer an den grünen Tonnen entlang weserabwärts. Für Kleinfahrzeuge und Sportboote ist die Fahrt auf der „roten“ Seite am Container Terminal entlang verboten. Ein Segler tut es trotzdem und wird mehrfach von der Verkehrskontrolle über Funk ermahnt, die Seite zu wechseln; leider ohne Erfolg.
Es herrscht ein WSW Wind Stärke 3, der später auf 4 zunimmt und auf West oder sogar WNW dreht, also uns genau entgegen. Schon bald baut sich eine für unsere Bootsgröße unangenehme Welle auf (wieder Wind gegen Strom!) und die kleine Marex stampft ganz schön. Nach ungefähr zweieinhalb Stunden biegen wir ab Richtung LT Alte Weser, jetzt haben wir die Welle mehr so von schräg, und es fährt sich etwas angenehmer. Über die Norder Gründe fahren wir hinter einem Segler her, der auch nicht wenig stampft, fährt er doch hart am Wind. Andere Segler kommen uns entgegen, die rauschen in voller Fahrt bei dem für sie günstigen Wind rasant an uns vorbei. Die Crew in voller Segler-Montur sitzt im Cockpit und lässt sich den Wind um die Nase wehen. Sportlich!
Fotos machen kann ich nicht, dazu bewegt sich das Boot zu wild. Um 17 Uhr haben wir endlich die Tonne Scharhörnriff-West an Backbord passiert und wir drehen in das Elbfahrwasser ein - natürlich wieder außerhalb des Tonnenstrichs. Jetzt haben wir den Schwell voll von achtern und das Boot arbeitet und giert stark. Schwerstarbeit für den Mann am Ruder. Jede Welle muss er ausgleichen, damit das Boot nicht quer schlägt. Wenigstens setzt dann aber bald der Flutstrom ein (leider später als erwartet, aber immerhin!) und schiebt uns kräftig von hinten. Mit 8 Knoten (rund 15 km/h) „rauscht“ Miss Marple die Elbe hoch. Rekordverdächtig! Endlich kommt die Kugelbake in Sicht und die Schaukelei wird weniger. Etwas später, um 21 Uhr, machen wir im Yachtafen fest. Geschafft! Acht Stunden Fahrt ohne Pause. Das reicht für heute. - Etwas schneller wäre es vielleicht gegangen, wenn wir noch eine Stunde später in Bremerhaven losgefahren wären, dann hätten wir den Flutstrom auf der Elbe früher erwischt. Na ja, es ging ja auch so und: Nobody is perfect!
19. Juni. Norddeutsches Schmuddelwetter mit Regen und nur 16° am frühen Morgen. Also warten wir noch mit der Abfahrt. Unser Ziel Brunsbüttel liegt ja nur rund zwei Stunden Fahrtzeit enfernt, und wir müssen sowieso auf die Flut warten. Um 10 Uhr hört der Regen auf und wir fahren los. Zunächst rechts, außerhalb des Tonnenstrichs eng entlang an den grünen Tonnen, immer auf der Lauer nach einer Möglichkeit, auf die andere Seite zu wechseln, wie es von den Elblotsen für Sportbootfahrer empfohlen wird, denn da ist mehr Platz. Wie meistens, gelingt das Kreuzen nicht sofort, dazu ist zuviel Verkehr auf der Elbe. Schließlich finden wir aber eine Lücke, die gefahrloses Kreuzen ermöglicht und fahren nun entspannt auf der Nordseite elbeaufwärts. - Entspannt? Auf einmal begegnet mir ein Ausflugsdampfer aus Cuxhaven, der mich kurz hinter Cuxhaven schon überholt hatte. Er kommt wohl zurück von seiner „Fahrt zu den Seehundsbänken“. Er fährt ebenfalls außerhalb des Tonnenstrichs, kommt mir aber an Backbord entgegen und bedrängt mich auf leicht kreuzendem Kurs. Denkt der, ich fahre auf der falschen Seite und will „es mir mal zeigen“? Er macht keine Anstalten, nach Steuerbord zu gehen, um mir Raum zu geben. Schließlich bleibt mir nichts Anderes übrig als - schon beinah als „Manöver des letzten Augenblicks“ - hart nach Steuerbord abzudrehen. Dabei gerate ich aber ins betonnte Fahrwasser, wo ich eigentlich nichts zu suchen habe. Gut dass mir da gerade kein Fahrzeug entgegen kommt. Schon will ich zum Funk greifen und dem Rowdy auf der Brücke des Ausflugsschiffs meine Meinung sagen. Aber ich zwinge mich zur Ruhe und lasse es sein. Bringt ja doch nichts. Später, auf der Nord-Reede vor Brunsbüttel, wo sonst immer viel Platz war, ist jetzt ziemlich viel los. Wegen Arbeiten an der Elbvertiefung? Überall liegen Pontons, Baggerschuten und Arbeitsschiffe. Dazwischen kreuzen Riesenschlepper, deren Absichten nicht immer klar zu erkennen sind. Also heißt es wieder aufpassen und ausweichen, und nichts ist mit „entspanntem“ Fahren. Aber auch das ist schließlich vorbei, wir kommen wohlbehalten am Warteplatz vor den Schleusen an und erfahren über Funk, dass es mit einer Schleusung für Sportboote in Kürze weitergeht. Zusammen mit einem großen Schlepper und einem halben Dutzend anderer Sportboote „meistern“ wir den Schleusengang ohne Probleme. Jetzt haben wir erstmal eine Pause verdient, und so machen wir um halb zwei endlich fest im kleinen Sportboothafen gleich nebenan. Genug für heute! Ich bleibe hier über Nacht. Um 17.30 kommt, wie angekündigt, der freundliche Hafenmeister und kassiert sage und schreibe 8,- (i.W. acht) Euro Liegegeld. Die 12,- Euro für die Kanalpassage nimmt er mir auch gleich ab. Sehr praktisch, dann brauche ich nicht in Kiel zum Kassenautomaten.
20. bis 21. Juni. Der Nord-Ostseekanal von Brunsbüttel bis Kiel-Holtenau ist rund 100 km lang. Für ein Sportbbot ein bisschen viel für einen Tag. Also planen wir immer eine Übernachtung auf halber Strecke ein. Einer der Yachthäfen in Rendsburg böte sich an. Wir entscheiden uns für den Liegeplatz vor der Schleuse im Gieselaukanal. Dort liegt man ruhig und idyllisch im Grünen am Steg. Früher mal ein „Geheimtipp“, jetzt aber immer beliebter unter Sportbootfahrern, und man muss schon früh kommen, um einen Liegeplatz zu erwischen. Wir machen uns um 10.30 Uhr in Brunsbüttel auf den Weg und um 15.00 Uhr können wir uns einen Liegplatz in Gieselau aussuchen. Abends sind die Stege bis auf den letzten Platz belegt. Eine ruhige Nacht wird es trotzdem. Keine Party-Stimmung im Kanal!
Früh am nächsten Morgen geht es weiter. Bei wechselhaftem Wetter, mal Regen, mal Sonne, bringen wir die Fahrt durch den Kanal hinter uns, passieren mittags die Schleuse Kiel-Holtenau und machen schließlich bei „Kaiserwetter“ (sonnig, 25°, frischer Wind aus West) im Yachthafen Kiel-Möltenort fest. Der Hafen ist gut gefüllt, aber wir finden noch ein Plätzchen für die kleine Marex. Später studieren wir die Wetteraussichten vom DWD, schauen beim BSH nach dem Küstenwetterbericht und gucken auch in die Windfinder App. Wir wollen ja nach Osten, Ziel: Heiligenhafen, einmal quer rüber über die Hohwachter Bucht (dazu später mehr). Es sieht garnicht so schlecht aus: Westliche Winde um 4, später zunehmend 5. Das müsste gehen. Wir sind gespannt.