Veröffentlicht: 27.04.2019
Wenn man nach Neuseeland kommt ist eine der meist gestellten Fragen aller Menschen, die man trifft: Gehst du auch auf die Südinsel? Um die Südinsel hat sich nämlich der Mythos entwickelt, dass sie viel schöner und sehenswerter sei als die Nordinsel. Zugegeben der Süden Neuseeland ist einfach traumhaft und viel weniger besiedelt und dadurch noch viel naturbelassener als der Norden, aber wie ihr vielleicht durch den Blog feststellen konntet, sind wir genauso begeistert von der Nordinsel.Trotzdem: Es zog auch uns natürlich in die wilden Weiten der Südinsel mit ihren malerischen Stränden, schroffen Bergen, mystischen Fjorden und sternenklaren Nächten.
Um auf die Südinsel zu gelangen muss man eine 3-stündige Fährfahrt durch die Marlborough Sounds hinter sich bringen. Was für ein hartes Schicksal, vor allem bei strahlendem Sonnenschein und ruhiger See, so wie bei uns. Sogar einen Delfin haben wir gesehen, auch wenn der kleine Kerl sich nur kurz hat blicken lassen.
Danach fuhren wir erst einmal in den nördlichen Teil der Südinsel, zum Abel Tasman Nationalpark und der Golden Bay. Dort kann man wunderschöne Buchten mit Stränden, dichte Wälder und Wasserfälle erleben. Auf Grund einer extremen Wespenplage und den überteuerten Campingplätzen in dem Nationalpark entschieden wir uns dafür, außerhalb zu zelten und nur Tagestouren in den Park und die Umgebung zu unternehmen. Dadurch übernachteten wir auf einem abgefahrenen Campingplatz auf dem Reiterhof einer deutschen Auswanderin, die fast autark lebt und die meiste Arbeit ihren Woofern überlässt (das sind junge Touristen, die für Unterkunft und Essen arbeiten).
Die absoluten Highlights unserer Zeit in dieser Gegend stellten die Babyrobben am Wharariki Beach dar, die bei Ebbe in kleinen Pools am Strand spielten, und die Rawhiti Caves, über 1 Millionen Jahre alte Tropfsteinhöhlen, die mindestens genauso viele Tropfsteine beherbergen .
Für unsere Weiterreise stellte sich jetzt die Frage: Riskieren wir es an die oftmals verregnete Westküste der Südinsel zu fahren, oder lassen wir diesen Abschnitt aus und genießen lieber besseres Wetter im Zentrum der Insel? Ohne die Wettervorhersage zu kennen entschieden wir uns die Westküste auszulassen und nach Hanmer Springs zu fahren. Das war die beste Entscheidung seit langem! Denn während wir in den Thermalbädern von Hanmer Springs bei schönem Wetter entspannten, wurde die Westküste von massiven Regenfällen mit über 1m Regen in 24Stunden heimgesucht. Das führte dazu, dass die einzige Brücke, die die Westküste mit dem Inland im Süden verbindet, weggespült wurde und wochenlang keiner von der Westküste Richtung Süden weiterfahren konnte. Das wäre ja ein riesen Spaß für uns im Zelt geworden. So verbrachten wir also gemütliche Tage in Hanmer Springs, wo man zugegebenerweise nicht unbedingt gewesen sein muss, und fuhren trockenen Fußes weiter zu einem unserer liebsten Orte Neuseelands: Mount Cook.
Ein Abenteuer im Mount Cook Nationalpark fängt eigentlich schon mit der Anreise an. Denn auf der Fahrt zum höchsten Berg Neuseelands, auf dem einst schon Edmund Hillary für seine Everestexpedition trainierte, kommt man an den wohl schönsten Seen Neuseelands vorbei. Der Lake Tekapo und vor allem der Lake Pukaki sind strahlend türkise, gigantische Seen, die ihre Farbe dem mineralienhaltigen Wasser der Gletscher, die sie speisen, verdanken. Die Straße entlang des Lake Pukaki führt direkt in das Tal des Mount Cook und sorgt so für eine spektakuläre Aussicht über den strahlenden See bis hin zu den hohen vergletscherten Bergen. Zweifellos ist diese Fahrt unsere liebste in ganz Neuseeland!
Angekommen am Mount Cook verbrachten wir zwei wunderschöne Tage bei perfektem Wetter mit Wandern, oder besser gesagt mit Treppensteigen. Ursprünglich wollten wir unbedingt eine Wanderung in das Hooker Valley zum gleichnamigen Gletscher machen, aber die starken Regenfälle der vorherigen Tage hatten zu einem Erdrutsch geführt, der den Weg unpassierbar machte. Daher bestiegen wir auf der anderen Seite des Tals einen Berg über gefühlte tausend Treppenstufen, bis wir die Wolken berühren konnten, und wurden mit einem atemberaubenden Blick auf Mount Cook und die umliegenden Berge und Gletscher belohnt.
Und auch das Visitor Center im Mount Cook Village begeisterte uns erneuert mit den Geschichten der Bergsteiger, die am höchsten Berg Neuseelands verzweifelten oder ihn letztendlich bezwangen, und der ausgestellten Fotografie und alten Bergsteigerausrüstung.
Leider machten uns nur die Nächte hier zu schaffen, denn zum ersten Mal, aber leider nicht zum letzten Mal, gefror unser Zelt über Nacht zu einem stabilen Iglu, aus dem man sich vor allem morgens bei Minusgraden nur ungerne herausquält. Dies war, neben den ersten orange-gelben Bäumen, nun ein deutliches Zeichen, dass der Herbst in Neuseeland einkehrt. Das Positive daran: Der Sternenhimmel hätte nicht klarer und schöner sein können.
Um den Herbst von seiner bunten Seite zu erleben, zogen wir weiter nach Wanaka, einem kleinen Ort am gleichnamigen See, der umringt ist von Bergen und wunderschönen Laubwäldern. Auf dem Weg legten wir einen kleinen Abstecher bei „Mini-Bryce“ ein, einer Felsformation aus Sandstein, die uns sehr an den Nationalpark in den USA erinnert hat. Irgendwie ist in Neuseeland ein Stück von jedem anderen Land der Welt zu finden.
In Wanaka versuchten wir dann so gut es ging die Touristenmassen zu umgehen, was uns zwar von einigen schönen Wanderungen abhielt, uns aber auch unerwartet schöne Ecken der Region zeigte. Natürlich mussten wir den allseits berühmten Wanaka Tree besuchen und uns vergewissern, dass er noch steht, aber ansonsten genossen wir die Zeit in den Wäldern, am nahegelegenen Lake Hawea und bei den Blue Pools. Zugegebenermaßen war der Besuch bei den Blue Pools, einem türkisblauen Fluss, der durch eine tiefe Schlucht fließt, zwar für die Augen ein Genuss, allerdings haben die bösen Sandflies uns dort lebendig gefressen. Zu Sandflies: Diese Ausgeburten der Hölle sind fruchtfliegengroße Insekten, die das Blut von Menschen besonders lieben und durch ihren Biss einen unendlichen Juckreiz verursachen. Wir wissen, eigentlich sollte man alle Lebewesen lieben, aber diese Biester braucht wirklich niemand.
Aber zurück zu den schönen Dingen, denn davon gibt es jede Menge hier. Eine unerwartet schöne Erfahrung war unser Besuch von Arrowtown. Dieses Dorf nahe Queenstown ist für seine Goldgräbervergangenheit berühmt und führt einen zurück in das Leben im 19. Jahrhundert. Sowohl die Stadtmitte mit ihren Saloons, als auch das alte Goldgräberdorf der chinesischen Arbeiter sind gut erhalten und geben einen erstaunlichen Einblick in sehr harte Zeiten. Da wir jetzt schon lange überwiegend in einem Zelt leben, konnten wir uns ganz gut in die Wohnsituation der Goldgräber hineinversetzen, die selbst im Winter in winzigen Hütten ohne Strom oder Wasser schliefen.
Auf unserem Campingplatz am Moke Lake in den Bergen von Queenstown durften wir dann nochmal am eigenen Leib erfahren, was so ein einfaches Leben, wie das der Goldgräber, mit sich bringt. Denn hier konnten wir echte Abgeschiedenheit und Stille genießen, mussten aber auch eine weitere eiskalte Nacht bei Minusgraden durchstehen. Gut, dass wir, anders als die Goldgräber, hochwertige Schlafsäcke haben, in denen wir laut Verkäuferin höchstens einen Finger verlieren, aber nicht erfrieren werden.
Da Queenstown vollkommen überfüllt mit Touristen ist, haben wir es auch in den nächsten Tagen gemieden und sind stattdessen auf den Queenstown Hill gewandert und an der Panoramastraße entlang des Wakatipu Sees nach Glenorchy gefahren. Auf dieser atemberaubenden Strecke kann man den blauen See aus mehreren Perspektiven sehen, bis man die hohen, schneebedeckten Berge hinter dem See aufragen sieht. Dann ist man fast in Glenorchy angekommen. Dort haben wir die Umgebung erkundet und vor allem einen langen Spaziergang durch die Glenorchy Lagoon mit ihrem herbstlichen Wald gemacht. Auf dem Campingplatz haben wir dann noch einen super netten Backpacker aus Korsika kennengelernt, der tatsächlich seit 4 Wochen durch Neuseeland wandert und das Land hauptsächlich abseits der Touristenmassen zu Fuß erkundet. Da haben wir sofort entschieden: Das wollen wir nächstes Mal auch machen! Schweren Herzens mussten wir aber auch diese wunderschöne Gegend hinter uns lassen, mit dem Vorsatz nächstes Mal viel mehr Zeit dort zu verbringen, und begannen die Reise zum Milford Sound.
Die Fahrt auf der Milford Road zum Milford Sound selbst ist schon ein unvergessliches Erlebnis und gilt zu Recht als eine der schönsten Straßen Neuseelands. Man fährt durch weite Täler zwischen steilen Bergen, vorbei an kleinen spiegelglatten Seen und Wasserfällen und dann durch immer engere Schluchten und einen alten Bergtunnel, bis man das Meer und damit den Fjord erreicht. Zusätzlich hatte es in der Nacht auch noch zum ersten Mal dieses Jahr geschneit und so waren alle Bergspitzen mit einer Puderzuckerschicht bedeckt und die Luft roch phantastisch nach kaltem Wintermorgen. Am Milford Sound konnten wir anschließend noch die Atmosphäre auf der Schaukel mit der wohl schönsten Aussicht Neuseelands genießen, bevor es zurück auf einen Campingplatz und ins eisige Zelt ging.
Da wir nur noch einige Tage Zeit hatten, bis wir uns von unserer kleinen Jukebox in Christchurch trennen mussten, traten wir den Rückweg über die Ostküste der Südinsel an. Rückweg klingt hierfür irgendwie so negativ, dabei haben an der Küste noch einige echte Highlights auf uns gewartet. Eines der wohl schönsten Erlebnisse hatten wir am Nugget Point. Wohlwissentlich, dass die Sonne im Osten aufgeht, haben wir uns früh morgens auf den Weg zum Nugget Point und seinem Leuchtturm gemacht und dort den Sonnenaufgang in all seiner Farbenpracht genossen. Ein wunderschöner Moment in dieser eisigen, klaren Luft und stillen Umgebung. Wie eines meiner (Natalie) Lieblingszitate aus einem wunderbaren Film schon sagt: „Es gibt jeden Tag einen Sonnenaufgang und einen Sonnenuntergang. Und du entscheidest, ob Du ihn sehen willst. Du kannst dich bewusst dem Anblick dieser Schönheit aussetzen.“
Nach diesem Morgen haben wir noch die Otago Peninsula bei Dunedin erkundet, allerdings nur wenige der tierischen Küstenbewohner angetroffen. Versprochen wurden uns Robben, Pinguine und Albatrosse, gesehen haben wir genau 1 Robbe und sehr viele Schafe. Der kleine Abenteurer in uns wurde allerdings durch den Tunnel Walk an der Küste zufrieden gestellt, bei dem man an einem Ende der hohen Klippen in einen kleinen Tunnel eintritt und nach vielen Stufen am anderen Ende am Strand wieder rauskommt.
Die Enttäuschung über die wenigen Tiersichtungen wurde auch direkt wieder gut gemacht, denn am Kapiti Point weiter nördlich durften wir uns während der nächsten Wanderung über den Anblick von spielenden Babyrobben und einem Gelbaugenpinguin freuen.
Auch den Moeraki Boulder statteten wir einen kurzen Besuch ab und konnten mit eigenen Augen sehen, wie sehr rücksichtslose Touristen solchen Naturphänomenen schaden. Die Moeraki Boulder sind riesige, perfekt runde Steine, die über millionen Jahre im Meer geformt wurden und auf Grund von Erdplattenverschiebung vom Meeresgrund an Land geschoben wurden. Dort wurden sie dann durch das Meer aus der Erde freigewaschen und liegen nun wie große Murmeln am Strand herum. Natürlich macht es einen riesen Spaß auf diesen beeindruckenden Steinen zu klettern und Fotos zu machen, allerdings gibt es auch einige sehr fragile und bereits gesplitterte Steine, von denen man die Finger lassen sollte. So haben wir vor 3 Jahren unseren Lieblingsstein gefunden, der aufgesprungen war und so alle Schichten seiner Entstehung wie Jahresringe bei einem Baum offenbarte. Diesen Stein haben wir auch dieses Mal gesucht und mussten traurigerweise feststellen, dass er auf Grund der kletterwütigen Besucher in all seine Einzelteile zerfallen ist.
Unsere letzte Fahrt in unserem Familienmitglied der letzten 7 Wochen unternahmen wir danach auf die Banks Peninsula bei Christchurch. Diese Halbinsel hat eine beeindruckend zerklüftete Küstenlinie und bietet dadurch um jede Kurve neue Ausblicke. In einer Bucht machten wir einen Spaziergang auf einer Landzunge, bei dem man sich fast so fühlte, als würde man wie Moses das Meer teilen. Anschließend schlenderten wir noch durch den kleinen, ursprünglich französischen Küstenort Akaroa mit seinen schönen Häusern und blumenübersähten Gärten und gönnten uns ein letztes Mal in Neuseeland eine gute Portion Fish‘nChips aus einer Zeitung.
Viel zu früh für unseren Geschmack hieß es dann Abschied nehmen von Neuseeland. Christchurch machte es uns etwas einfacher, denn 8 Jahre nach dem verheerende Erdbeben, das Großteile der Stadt zerstörte, gleicht die Stadt immer noch einer einzigen Baustelle. Die Häuser, über deren Zukunft schon entschieden wurde, wurden abgerissen und werden durch moderne Hochhäuser oder Wohnkomplexe ersetzt. Dazwischen findet man allerdings noch viele Ruinen, aus denen nicht einmal die Möbel oder Lebensmittel entfernt wurden. Wenn man es nicht besser wüsste, würde man denken die Zeit ist hier seit dem stehen geblieben.
Für uns allerdings läuft die Zeit unserer Reise unerbittlich weiter und daher wollten wir Neuseeland den Rücken kehren und Platz für neue Länder, neue Kulturen und neue Erfahrungen schaffen. Neuseeland hat uns mal wieder verzaubert und in seinen friedlichen, wilden und vielseitigen Bann gezogen. Die Atmosphäre in diesem Land auf der anderen Seite der Welt ist schwer zu beschreiben, aber ich glaube reine Glückseligkeit beschreibt das Gefühl am Besten, was einem nach dem Besuch bleibt.
Song of South Island: Autumn Tree - Milo Greene