Veröffentlicht: 21.05.2023
Da sind wir nun also an einem schönen Flecken angekommen. Schon die Anfahrt am Vorabend entlang der wilden Küster (côte sauvage) mit den tollen Häusern auf der anderen Straßenseite hat unsere Anerkennung bekommen. Dazu ein angelegter Wanderweg entlang der Küste, der natürlich wieder ein Teil des alten Zöllnerpfades GR 34 ist. Der begleitet uns nun schon die ganze Zeit.
Der Ort "Le Croisic" liegt am äußeren Zipfel der Halbinsel und verfügt über den einzigen offenen Meerzugang des ganzen Gebietes dahinter. Die Hafen im Ort und auch die gesamte Gegend dahinter wird also von diesem Zugang zum Meer gespeist, wenn alle 6 Stunden das Wasser kommt und geht. Zwischen der Uferpromenade und dem gegenüber liegenden Zipfel liegen nur etwa 400 Meter Luftlinie, die man bei Ebbe überqueren kann.
Beim erkunden der neuen Gegend im Internet erfahren wir, dass Le Croisic einer der ältesten Badeorte Frankreichs ist und bereits Ende des 19. Jahrhunderts an das Eisenbahnnetz mit Verbindung nach Nantes angeschlossen wurde. Mittlerweile ist dieser Sackbahnhof auch das Ziel des französischen Hochgeschwindigkeitszugs TGV.
Das kann ich gar nicht glauben. Wir sind doch mitten in der Provinz am Ende der Welt. Das wäre ja so, als würde ein ICE bis nach Sylt durchfahren.
Moment mal, das macht der doch auch.
Und als wir bei unserer Raderkundung am Bahnhof von Le Croisic vorbei kommen, was steht dort:
Und dann ist hier ja noch die riesige Bucht von La Baule, 9 km feinster Sandstrand und Urlaubsfeeling.
Der erste Badeort der Küste war Le Croisic. Dies vor allem dank dem Zug, der bereits im Jahr 1857 Saint-Nazaire erschloss und etwas später durch die Linie Saint-Nazaire – Le Croisic ergänzt wurde. Dieses neue Teilstück bediente auch eine Haltestelle namens "la bôle". Es handelte sich dabei um einen eher verlassenen mit Dünen bepflanzten Ort.
Ab 1880 entstand an dieser Stelle ein Badeort in mitten der Kiefernhaine und dank der Unterstützung von reichen Unternehmern und Kaufleuten. Gleichzeitig wurde die Schreibweise zu "La Baule". umgewandelt.
Ich glaube der Vergleich mit Sylt ist durchaus berechtigt.
Es ist übrigens Donnerstag und Himmelfahrt, was bei uns ja gleichbedeutend mit Vatertag ist. Ob dieser Tag auch in Frankreich als "fête des pères" gilt, hab ich noch nicht rausgefunden.
Kann Liane mir da vielleicht helfen?
Jedenfalls ist es ein Feiertag, der mit der Familie verlebt wird. Und was soll ich sagen, die Franzosen holen ihre Fahrräder raus und bevölkern damit die Straßen. Da sehe ich durchaus Parallelen.
Was uns aber komisch vorkommt: Haben die denn kein Wetterempfinden? Es ist heute nicht gerade warm (was man bei 13 Grad und Wolken am Himmel behaupten kann) und die fahren alle mit kurzen Shorts und T-Shirt durch die Gegend. Hat das jemand angeordnet, dass es an Himmelfahrt warm zu sein hat, egal was das Wetter macht? Oder macht der Rotwein im Blut wetterunempfindlich?
Unsere kurze Radtour beginnt im Ortskern von Le Croisic. Auf dem Weg dorthin umrunden wir den äußeren Zipfel dieser Halbinsel und staunen über die gepflegte Bebauung mit Einfamilienhäusern. Keine Bettenburgen oder Appartementanlagen.
Das Meer ist gerade wieder weg und die Menschen durchstreifen die freigelegten Felsen nach Muscheln und Austern, alle bewaffnet mit Eimern und Grabzangen.
Am Ortseingang staunen wir über die großen Herrenhäuser und schlossartigen Gebäude.
Im Ort herrscht reger Menschen Trubel und wir flanieren zunächst entlang der Promenade mit seinen bunten Lokalen, in denen zur Mittagszeit alle Franzosen sitzen und Muscheln essen. Da bevorzugen wir doch erstmal die Nebenstraßen, die allerlei kunstvolle Galerien und schöne Häuser zu bieten haben. Auch der Park rund um das Rathaus ist eine Oase inmitten des Feiertagsauftriebs.
Und weil auch das Herumschlendern anstrengend ist und hungrig macht, gibt es schließlich einen Platz in der Creperie und die obligatorischen bretonischen Galettes mit Cidre.
Wir sind wirklich positiv überrascht von diesem Ort, auch wenn es zum Feiertag hier sicherlich voller ist als sonst. Mit dem Fahrrad haben wir jedenfalls das richtige Fortbewegungsmittel und kommen überall hin. Das wollen wir nutzen und fahren die Runde zu Ende, indem wir zur Südseite wechseln und entlang der Steilküste zurück fahren. Mit dem Rad erobert man die Gegend viel intensiver und kann immer mal wieder anhalten. Da ist doch das Hotel L´ocean, welches prachtvoll direkt auf der Strandseite thront (ich habe ja den Verdacht, des es sich hier um das Hotel "Le grand Large" handelt, in dem Kommissar Dupin und seine Assistenten während der Ermittlungen gewohnt haben).
Und der Hinkelstein am Strand, der auch Namensgeber für unseren Campingplatz ist - La pierre longue.
Am nächsten Tag geht`s mit dem Rad zunächst wieder nach Le Croisic, um dann quer durch die Salzfelder nach Guerande zu fahren.
An der Einfahrt durch die Meerenge hat sich wohl ein Segelboot verschätzt oder die Seezeichen falsch gedeutet. Jedenfalls lag es bei der einsetzenden Ebbe auf Grund - direkt vor den Augen der tausenden Besucher. Hilft nix, man wartet dann eben 6 Stunden bis zum nächsten Wasser.
Die Sonne scheint herrlich und lässt die Gegend in ganz anderem Licht erstrahlen. Die Stadt selbst ist von einer mächtigen Festungsmauer umschlossen. Wie üblich befindet sich auch hier die touristische Altstadt mit vielen Menschen, die abwechselnd durch die Souvenirläden, die Bonbonläden und Crêperien flanieren. Da machen wir doch mal mit.
Auch hier treffen wir auf die immer gleichen Geschäfte, die sich in den touristischen Spots präsentieren. Auch das Warenangebot ist dasselbe, so dass die Aufgabe darin besteht, das außergewöhnliche zu finden. Hier kommt hinzu, dass das feine Salz aus dem regionalen Anbau seinen Platz in den Schaufenstern gefunden hat. Oder auch ausschließlich angeboten wird.
Am Nachmittag reicht es dann und wir machen uns auf den Rückweg. Der soll aber noch über den Strand von "La Baule" führen, nachdem ich darüber gelesen habe. Angeblich soll es einer der schönsten Strände Frankreichs sein und auch im Weltranking ganz oben stehen.
Die Anfahrt führte auf einer Nebenstraße direkt nach La Baule Centre und je dichter wir dem Meer kamen, desto mehr enges Straßengewirr tat sich auf. Einbahnstraße hier, Fahrräder verboten da - auf der Straße dicke Autos und auf den Terrassen der Lokale die Champagner Kübel auf dem Tisch - wieder so ein Vergleich mit Sylt.
Und dann die Ernüchterung - Promenade erreicht:
Was ist das denn? Die Bucht mit feinem Sand erstreckt sich über 9 km - und damit auch 9 km Bebauung in der ersten Reihe (8 - 10 stöckig). Was für ein Kontrast zu dem, was wir bisher gesehen haben. Hier landen sie also alle, die mit dem TGV hier rausgekippt werden. Und weil ja gerade langes Wochenende ist, sind sie auch gerade alle da. Wir setzten uns auf die Mauer der Promenade und machen uns erstmal ein Dosenbier (mitgebracht) auf. Das müssen wir erstmal verdauen.
Als schönsten Strand Frankreichs würde ich das nicht bezeichnen. Aber das ist ja nur meine Sichtweise. Unsere Gedanken suchen Vergleiche - Copacabana, der Strand von Rio? Nizza - côte d´azûr? Malaga - costa del sol?
Jedenfalls nicht mehr Sylt - obwohl ich da noch nie gewesen bin. Das muss ich auf jeden Fall nachholen.
Die Rückfahrt entlang der Promenade zeigte dann aber auch versöhnlich andere Abschnitte mit alter Badekultur und schöneren Strandvillen. Die sich besonders in der 2. und 3. Reihe befanden.
Das war jetzt aber ein Schock, wie unterschiedlich diese Halbinsel sich doch präsentiert.
Für den Abend fällt das Kochen aus und wir reservieren einen Tisch im Restaurant auf dem Camping. Letzter Abend - Morgen treten wir die Rückfahrt an.
Und ich hab immer noch keine Austern gegessen.