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Der Y-Baum und die rettende Oase

Veröffentlicht: 20.08.2018

Die Routenplanung für den heutigen Tag hat eine Besonderheit: Zumersten mal auf der Reise lassen wir uns nicht einfach treiben (ganznach dem "Immer der Nase nach"-Prinzip), sondern gehengezielt auf Kurs Richtung Norden, denn wir haben beschlossen morgen Abend dieFähre von Bastia im Nordosten Korsikas nach Genua zu nehmen.

Wir verließen unser wunderbares Hotel und das nette ÖrtchenQuenza schweren Herzens, stoppten aber bereits zwei Ortschaften weiter,um dort am Dorfplatz erst mal gemütlich in einem Café zufrühstücken. Von unserem Tisch aus beobachteten wir das rege Treibenund freuten uns, dass wir uns heute für das Frühstück außerhalb der –im Vergleich dazu dann doch irgendwie „abgeschlossenen“ -Hotel-Mauern entschieden hatten.

Nach den durchweg positiven Erfahrungen mit den einsamerenBergstraßen im Inselinneren gestern, war für heute das Ziel, demGanzen auf nochmals kleineren Sträßchen eins draufzusetzen. Diesuperkurvige Route de Bavella, die uns über den gleichnamigen Passhinunter nach Solenzara an der Ostküste brachte, war aber erst malzweispurig angelegt und trotz einigem Sonntags-Ausflugsverkehr flottbefahrbar. Ich hatte vergeblich gehofft, spätestens in Solenzara aneiner Tankstelle vorbei zu kommen, aber auf den nächsten 130 km, dieunser Motorrad "Waltraud" als Restreichweite prognostizierte, sollte dochbestimmt irgendwann eine Tankstelle kommen. Ganz bestimmt! ;)

An der Ostküste ging's zunächst ein paar Kilometer am Wasserentlang. Dieser Küstenstreifen bis hoch nach Bastia ist eine derganz wenigen flachen Gegenden auf Korsika – nicht sonderlichhübsch. Also direkt wieder schnurstracks zurück in dieBerge! Dort oben liegen idyllische Bergdörfer mit so fantastischenNamen wie Isolaccio-di-Fiumorbo, Pietrapola und Poggio-di-Nazza. DieStraßen, die die einsamen Orte hier miteinander verbinden, sind lediglicheinspurig und der Belag ein echter Flickenteppich. Sie verlaufenachterbahnmäßig durch die Berge, oft mit engen Kehren und könnendurchaus als fahrerisch anspruchsvoll bezeichnet werden. Ein Traum!Außer uns waren hier nur noch eine Hand voll Einheimischerunterwegs. Wir hatten das Gefühl, die Insel gehört uns heute fastalleine! Und selbst das Flachland unten an der Küste hatte von hieroben betrachtet auch seinen Reiz.




Durch unsere gestrigen Erfahrungen ermutigt, haben wir unsereWasservorräte unterwegs an einer hübsch eingefassten Quelle aufgefüllt.



Unsere Benzinvorräte aufzufüllen war hingegen dort obendefinitiv nicht möglich. Keine Dorftankstelle weit und breit!Mittlerweile war die angezeigte Restreichweite auf 60 Kilometergeschrumpft. Schon am ersten Tag unserer Reise hatten wir jafeststellen müssen, dass unser Motorrad viel zu optimistisch istwenn es um die noch zurücklegbare Wegstrecke geht und waren fastmangels Sprit liegengeblieben. Uns blieben jetzt also wahrscheinlichnur noch ca. 30 Kilometer, bis es uns wieder so ergeht. Aber dernächstgrößere Ort ist Ghisoni und der kommt bereits in zehn Kilometern. Dort können wir doch GANZ bestimmt tanken!

Bedauerlicherweise ist es uns, trotz der immens großen Zuversichtin unser Glück, nicht so richtig gelungen, die wunderschöneInzecca-Schlucht gebührend zu genießen. Die kühn gewundene Straße schlängelt sichoben am Fels entlang, oft nur durch ein niedriges Mäuerchen von demAbgrund und dem wilden Fluss Fium Orbu getrennt. Am bekannten Y-Baumhaben wir dann doch einen kurzen Stopp eingelegt. Dieser markiert denAbstieg hinunter zu Badestellen im Fluss.



Dort kann man nicht nur inmehreren, „Gumpen“ genannten, Wasserbecken baden, sondern ausverschiedenen Höhen (6-22 Meter) todesmutig ins Wasser springen.Sogar eine Natur-Wasserrutsche gibt es hier. Für uns ging es aberleider ohne Sprung ins kühle Nass weiter...

„In Ghisoni kam dann die erhoffte Tankstelle und wir füllten das Spritfass unserer AfricaTwin wieder randvoll auf.“ Das würde ich an dieserStelle gerne schreiben, entspricht aber nur leider nicht der (traurigen) Wahrheit. Jetzt warlangsam Schluss mit lustig. Google Maps nannte uns als nächstgelegeneTankstelle die Total in Vivario und die war sage und schreibe 20Kilometer entfernt! Das entspricht ziemlich genau der zu erwartendenReichweite mit unserem jetzt fast leeren Tank. Und auf dieser Streckewar auch noch der, uns von Vortag bereits bekannte, Col de Sorba mit1.311 Meter Höhe zu absolvieren (einer der höchsten PässeKorsikas). Während ich Waltraud mit höchstvorsichtiger Gashandüber den Pass bewegte, kamen unwillkürlich solche Gedanken auf, wiedie Frage, ob es vielleicht sein kann, dass es diese Tankstellemöglicherweise gar nicht mehr gibt und – falls doch - ob siewomöglich heute am Sonntag geschlossen sein könnte?!? DasErreichen der Passhöhe nötigte uns erst mal zum kräftigenDurchschnaufen. Bergab ließen wir es dann einfach rollen.Unten angekommen, genau beim Abbiegen vom Pass auf die vielbefahreneT20, begann der Motor beim Beschleunigen dann doch zu stottern. Oh oh, noch mehr als drei Kilometer! Im Windschatten eines LKW's rollten wir quasi mitStandgas der Markierung entgegen, die lt. Google Maps eine Tankstellesein sollte. Noch einmal eine kleine Steigung hinauf, auf der anderenSeite hinab, und da erschien endlich die heißersehnteTotal-Tankstelle am Fahrbahnrand! Sie existierte, hatte geöffnet, genug Spritund überhaupt war sie in dem Moment für uns die mit Abstandgroßartigste Tankstelle auf der ganzen Welt! So muss es den Karavanen gegangen sein, wenn sie nach Tagen in der endlosen Wüste endlich in der rettenden Oase ankamen. Mann, waren wirerleichtert! ;-)

Nachdem dieses Thema nun ein glückliches Ende gefunden hatte, kümmerteich mich online um unsere heutige Übernachtungsmöglichkeit. Die Auberge ECime in Asco wurde in den Rezensionen in höchsten Tönen gelobt undwar zudem preislich einigermaßen akzeptabel. Der Ort liegt imgleichnamigen Asco-Tal, das wir schon von unserer letztenKorsika-Reise her kannten. Wir sind dann auch ohne Umwege dorthin gefahrenund waren wirklich begeistert. Was für ein Panorama! Diemajestätischen Berge links und rechts des Tals schienen zum Greifennah und wir genossen bei hervorragender Verpflegung ausgiebig denlauen Sommerabend auf der Terrasse des Hotels.





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