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Travel around the world - lost to the world

Veröffentlicht: 17.10.2018

Eine sechsmonatige Reise rund um die Welt hat neben vielen anderen einen ganz eminenten Aspekt: Sie stellt eine einmalige Gelegenheit dar, der eigenen kleinen Welt für eine recht lange Zeit abhanden zu kommen - all das, was eine/n im Alltag beschäftigt, hinter sich zu lassen. Als meine Mutter drei Wochen vor meiner Abreise einen Schlaganfall erlitt, wusste ich: Meine kleine Welt würde mit auf die Reise gehen.

Das tat sie dann auch: Gleich nach der Ankunft in Georgien zB beschaffte ich mir eine einheimische SIM-Karte. Ich wollte doch erreichbar sein und auch meine Mutter erreichen können. Doch das Guthaben für Gespräche ins Ausland blieb unberührt. Sie ging kein einziges Mal ans Telefon, wenn ich anrief. In Indien habe ich trotzdem Stunden mit dem Versuch verbracht, meine dortige SIM-Karte aufzuladen. Vergeblich freilich. So hoffte ich, dass wenigstens der Blog (den ich vor allem ins Leben gerufen hatte, um meiner Mutter die Sorgen zu nehmen) bei ihr ankommen würde.

In Wahrheit wollte ich die Reise gar nicht antreten, aber das war nicht praktikabel. In so einer langen Reise steckt ein kleines Vermögen, das verloren geht, wenn man einfach nicht fährt. Ein kleines Vermögen, das man in der eigenen Lebenszeit nicht noch einmal aufbringen kann. Die Weltreise ein andermal zu machen, wäre uns nicht möglich gewesen. Eine Aporie.

Mein Bruder, der Betreuung und Organisation dankenswerterweise völlig unkompliziert übernommen hatte, informierte mich laufend über den Stand der Dinge. Der war einmal besser, einmal schlechter, aber nie gut. Jedes Mal, wenn ich den Computer aufklappte, hatte ich einen Knoten im Magen. Montag letzter Woche erklärte er mir noch über Skype, welches Pflegearrangement er organisiert hatte. Dienstag erhielt ich am Abend die Nachricht, dass meine Mutter auf die Palliativabteilung verlegt worden war. Der Krebs, der lange Zeit unauffällig gewesen war, hatte sich in Folge des Schlaganfalls schnell ausgebreitet.

24 Stunden später saß ich im Flugzeug auf dem Weg nach Wien und hoffte, dass ich meine Mutter noch lebend sehen würde. Ich hatte das Glück, gerade rechtzeitig zu kommen: rechtzeitig, weil ich am letzten Tag ankam, an dem sie noch reden konnte.

Gestern früh ist Mama gestorben. Ihren liebenswürdigen Charme, mit dem sie ihre Umgebung um den Finger wickeln und Wildfremde völlig ungezwungen ins Gespräch ziehen konnte, hatte sie mit dem Altern etwas eingebüßt. Sie hat wohl zu lange allein gelebt. Ihre emotionale Art hat ein leicht unberechenbares Eigenleben entwickelt. Sie blieb aber der herzensgute Mensch, von dem ich alles haben konnte: der Mensch auf der Welt, auf den ich mich immer 100-prozentig verlassen und dem ich rückhaltlos vertrauen konnte.

Ich werde die wöchentlichen Besuche vermissen, die immer zwischen 8 Uhr und 1 Uhr abends stattfanden, also zu einer für eine alte Dame ungewöhnlichen Zeit; ebenso die mehrmaligen Telefonate, die immer mindestens eine 3/4 Stunde dauerten und mich mit allem Tratsch versorgten; die gemeinsamen Reisen nach Belgien und das Glaserl Wein nach den gemeinsam besuchten Opernvorstellungen, bei dem wir zu dritt (mit Roby) die Vorstellung auseinandernahmen.

Jetzt ist es Zeit, der kleinen Welt zu Hause tatsächlich abhanden zu kommen (die Seychellen, Inseln mit unwirklicher Landschaft im Nirgendwo, sind ein guter Ausgangspunkt dafür). So werde ich auch nicht zum Begräbnis fliegen. Ich habe Abschied nehmen können, als meine Mutter noch etwas davon hatte - und stets versucht, ihr etwas von dem zurückzugeben, was sie mir gegeben hatte. Das ist nicht immer zu ihrer vollen Zufriedenheit gelungen, wie ich weiß - ihre Ansprüche waren aber auch wirklich verdammt hoch ;-)

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