Veröffentlicht: 12.10.2016
Die zwei Wochen meiner Volunteerzeit im Missionary of Charity neigen sich langsam dem Ende zu. Es waren zwei Wochen,die mein Leben definitiv bereichert haben, die lehrreich und schön waren, die mich selbst auch manchmal an meine Grenzen gebracht haben.
Grenzen, die mir die Arbeit mit den kranken, alternden, alleingelassenen Menschen, mit den Waisenkindern und den Sterbenden aufgezeigt hat. Eine Grenzerfahrung war beispielsweise, als ich der im Altersheim, dem Prem Dan, tätigen Krankenschwester behilflich war, eine alte bettlägrige Frau voller riesiger offener und infizierter Wunden, bei denen teilweise die Knochen zum Vorschein kamen, frisch zu verbinden. Gerade für mich, die beim klitzekleinsten Schnitt schon fast das Bewusstsein verloren hat, war das eine ganz besondere Herausforderung. Aber man lernt, damit umzugehen und sich nicht auf das Ausmaß oder die Grausamkeit der Verletzung zu konzentrieren, sondern sich vielmehr um die leidende und große Schmerzen ertragende Frau zu kümmern. Es sind Frauen, die allein gelassen wurden und die ohne Hilfe der Nonnen nach wie vor auf der Straße liegen und der Armut und dem Hunger ausgesetzt sein würden.
Die Stunden im Prem Dan und dem Shishu Bavan, dem Kinderheim, waren einzigartig und ich reise nur schweren Herzens aus Kalkutta - die Stadt,die mich anfangs so schockiert hat und deren Lärm, Menschen, Straßen, Schmutz, Armut und Schönheit zugleich mir immer mehr ans Herz gewachsen ist - ab. Das Zusammenleben und die Zusammenarbeit mit den vielen anderen Freiwilligen aus der ganzen Welt haben uns von Tag zu Tag mehr zu einer Gemeinschaft zusammen wachsen lassen. Jeder Volunteer ist mit einer anderen Geschichte, aus einem anderen Beweggrund und mit unterschiedlichen Voraussetzungen nach Kalkutta gekommen. Da gab es einen Andalusier, dessen Mission es war, auf seiner einjährigen Reise in jedem Monat in einem anderen Land Social Work zu leisten. Eine Medizinstudentin aus Bologna, deren Professor während einer Vorlesung für Tropenmedizin empfohlen hat, nach Indien zu gehen,um zu helfen. Eine spanische Pensionistin, die seit Jahren immer wieder herkommt , um ihren inneren Fokus wieder aufs Wesentliche zu lenken. Eine US-Amerikanerin in High Heels, die eigentlich nur auf Geschäftsreise in Kalkutta ist und ganz spontan aufgrund einer Empfehlung im Reiseführer für einen Tag mithilft. Eine Münchner Sozialarbeiterin, die schon das dritte Mal ihren Jahresurlaub für das Volunteering opfert. Oder ich selbst, die nur ihre dreimonatige Asienreise mit zwei Wochen Freiwilligenarbeit beginnen wollte, um sich vielleicht mehr bewusst zu machen, welch ein Luxus es ist, von Land zu Land reisen zu können, überall als Tourist bevorzugt behandelt zu werden und jederzeit wieder in den sicheren Hafen der Heimat zurückkehren zu können, fernab von Armut und sozialen Missständen.
Uns alle hat etwas verbunden während dieser Zeit und trotz der manchmal aufwühlenden und schockierenden Erlebnisse haben mich diese zwei Wochen sehr zur Ruhe kommen lassen. Die tägliche Arbeit mit den Kindern und alten Menschen, die Frühmessen mit den Nonnen und das gemeinsame Frühstück mit all den anderen Volunteers hatte fast etwas Meditatives an sich. Dass ich ausgerechnet im Jahr der Heiligsprechung von Mutter Teresa tagtäglich durch die Tür des Hauses spaziert bin, in dem sie gewirkt hat, gelebt hat, gestorben ist und ihr Sarg steht, den tagtäglich Menschen aus der ganzen Welt besuchen, hat diese besondere Erfahrung sicherlich noch ein bisschen spezieller gemacht.
" So let us be one heart full of love in the heart of God and so share the joy of loving by sharing, helping, loving and serving each other" - St. Teresa of Calcutta